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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Bohrdt, Hans: Der deutsche Klipper "Peter Rickmers"
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0480

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394

deuische

Von Hans Bohrdt.

icl^mers

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tielfach ist die irrige Ansicht verbreitet, dass in der SchifFfahrt der Dampf
das Segel vollständig verdrängt habe. Dem ist jedoch keineswegs so, wie
v die jährlich steigende Zahl erstclassiger Segelschiife beweist. Freilich ist
es mit den alten Holzcorvetten, Fregatten u. s. w. wohl für immer vorbei, dagegen
hat menschlicher Scharfsinn, gestützt auf die hohe Vollkommenheit der Eisen-
und Stahlconstruction den modernen Klipper geschaiFen, welcher in vieler Hin-
sicht sogar mit den schnellsten Dampfern rivalisiren kann.

Der Bremer Rheder Rickmers eignet gegenwärtig das grösste und
schnellste Segelschiff der Welt: den „Peter Rickmers". Das Fahrzeug misst
338 Fuss in der Wasserlinie und ist im Stande 4500 Tons Ladung einzunehmen.
Jeder der vier nahezu 200 Fuss hohen Masten trägt sieben Raaen, von denen
die untersten etwa 95 Fuss Länge haben. Die vier gewaltigen Segelpyramiden
drängen das schlanke Schiffbei frischer, straffer Brise zeitweise mit einer Schnellig-
keit von 16 Seemeilen per Stunde (4 geographische Meilen) durch die Wogen.
Die Handhabung eines solchen Segelcolosses stellt natürlich an Führer und Mann-
schaft die höchsten Anforderungen. Erst durch menschliche Geschicklichkeit
wird die träge Masse zu dem pfeilschnellen, lebenden Wesen, das in kurzer Zeit
den Erdball umkreist. Was SchifF und Mannschaft, selbst bei schwerstem Wetter,
zu leisten vermögen, davon mag nachfolgender Abschnitt eines Briefes des
Commandanten vom „Peter Rickmers“, Capitain Berg, welcher mit dem Klipper
den noch in trauriger Erinnerung stehenden Orkan am 21. und 22. December
des vergangenen Jahres auf der Nordsee abwetterte, Zeugniss geben.

Capitain Berg schreibt: „Am 21. December ging ich wieder von Bremer-
haven aus in See. Bei stetigem Barometerstande und flauem Ost-Wind passirte
ich am selben Tage Weserleuchtschiff. Gegen Abend lief der Wind jedoch auf
WSW. und frischte bei starkfallendem Barometer im Laufe der Nacht bis zum
schweren Sturme auf. Um Seeraum zu gewinnen, musste ich dann das Schiff
sehr hart pressen und führte ich alle Bramsegel bis zum Morgen, wobei das
hohe SchifF fast stets mit der Reiling im Wasser lag. Da ich um die Zeit Platz
genug zum Treiben hatte und der Wind inzwischen Orkanstärke angenommen
hatte, so liess ich alle Segel bis auf die Untermarssegel festmachen. Im Laufe
des Tages wehte dann voller Orkan. Das Barometer fiel bis auf 715 mm. Nach-
mittags 5—7 Uhr am 22. ward es etwas flauer, ich benutzte die Zeit, um das
Schiff über den anderen Bug zu legen; der Wind lief auf NW. und wuchs
dann in einer aller Beschreibung spottenden Weise. Allmählig wehten
sämmtliche festgemachten Segel aus den Beschlagzeisingen, peitschten die

[Xachdruck verboten*]

stehenden Untermarssegel entzwei und zerflogen in Fetzen, durch das heft 1? c
Schlagen sämmtliche Brassen zerreissend. Die nun jeden Haltes entbehrend en
Raaen flogen in einer die Masten gefährdenden Art hin und her, ohne da s-
menschliche Macht dies verhindern konnte. Am 23. December flaute der W 111
dann ab, und ich beschloss, mit dem SchifFe nach Bremerhaven zurückzukehre 11-
um dasselbe dort erst wieder seefähig zu machen. Ohne Unfall gelangten " 1I
dort am heilig Abend an. Alle gleichzeitig mit mir fortgegangenen SchifFe u11
ja auch leider die Fischdampfer sind zum grössten Theile verloren, oder nllt
schwerer Havarie eingelaufen.“

Wie verhältnissmässig harmlos klingt diese Darstellung für den Laien aUS
den schlichten Zeilen des Seemannes. Wer sich aber die Sache in Wirkiichke’ 1
vergegenwärtigen kann, der muss dem Führer sowohl, wie dem SchifFe d> e
grösste Bewunderung zu Theil werden lassen.

Heulend und pfeifend fährt der Sturm daher, dass die straffen DrahttaU e
auf dem Schiffe laut klingen. Toll gewordene Wasserberge wälzen sich hera' 1
und überschütten das Deck. Noch befindet sich das riesige Fahrzeug in veI"
hältnissmässig engen Gewässern. In Lee drohen die Watten, Helgoland und d ,e
nordfriesischen Inseln. Es gilt also, sich frei zu segeln, um die hohe See zU
gewinnen.

Capitain Berg, vertrauend auf die Haltbarkeit seiner Takelage, jagt das stoP. c
Schiff mit stehenden Untersegeln, Mars- und Bramsegeln durch die tosend el1
Fluthen. Der Neigungswinkel ist dabei so stark, dass die Leereiling durch da s
Wasser geschleift wird. Indess was kümmert es den umsichtigen Führer! D aS
vorwärtsrasende SchifF hat bald Seeraum gewonnen und kann, da der Orka 11
zulegt, mit stehenden Untermarssegeln beigelegt werden. Von der in deh 1
Briefe weiter geschilderten gefährlichen Lage, in der sich SchifF und Besatzu 11®
befand, als die festgemachte Leinwand von den Raaen wegwehte und die starke* 1
Brasstaue zerriss, kann sich der Laie schwer einen BegrifF machen. Unter de 11
Füssen die grollende See, der ganze Körper erschüttert von dem rasende 11
Orkane, über sich das Getöse der wild umhertobenden Raaen, so haben d) e
wackeren Seeleute ausgehalten, bis sich die Wuth der Elemente gelegt hatte-
Dann wird der Schaden, so gut es geht, reparirt und das zerzauste SchifF siche’
nach Bremen zurückgebracht, um es wieder in vollkommen seefähigen Zustand
herrichten zu lassen.

So trotzt nicht allein der Dampfer, sondern auch das moderne Segelschid
den schwersten Unwettern, welche unser Erdball aufzuweisen hat.

fjfn^ere JjJilder.

Jie Legende von dem Verkehr Christi mit „Martha und Maria“ ist eine der
schönsten und sinnreichsten. Es werden da zwei grundverschiedene
weibliche Naturen mit einem den höchsten Idealen zustrebenden Manne
in Verbindung gebracht, dem sie, jede in ihrer Weise, ihre Verehrung bezeugen.
Der Gegensatz zwischen der wirthschaftlichen und der ideal veranlagten Schwester
ist von hohem malerischem Reiz und hat eine Reihe von Kunstwerken erster
Meister hervorgerufen. R. Eichstaedt hat sich mit seinem Bilde würdig seinen
Vorgängern angereiht. Sein Bild „Christus bei Maria und Martha“ hält sich
in dem Rahmen des religiösen Stils, ohne darum conventionell-langweilig zu
werden. Er weiss zwischen Legende und greifbarer Wirklichkeit die rechte
Mitte zu halten und überzeugt, ohne orthodoxen Glauben zu verlangen.

Meister Zeniseks Bild „Udalrich und Bozena“ erklärt sich von selbst. Es
ist die ewige Mär von dem berückenden Einfluss der Frauenschönheit. Stolz
und selbstbewusst ist der edle Udalrich zur Jagd hinausgeritten. Wird er ebenso
kühn und stark zurückkehren vom edlem Waidwerk? Das schöne Wild, das er
da erjagt, vor dem sein Ross scheut, auf das die Meute losfährt, lässt für seine
ritterliche Mannhaftigkeit fürchten. Sein Auge ruht sinnend auf Bozena’s blonder
Anmuth, als könnte es sich nicht losreissen von so fesselndem Reiz.

Es ist eben ein eigen Ding um Frauenliebe. Dem Einen ist sie eine Augen-
blickslust, dem Andern eine Lebensfrage. Selbst dem heimathlosen Landsknecht
wird der ausschliessliche Besitz des Weibes zum Bedürfniss. Des Segens der
Kirche entschlägt er sich, unter der Fahne, über der Trommel wird sie ihm an-
getraut, die Genossin seines fahrenden Daseins, und sie hält treu zu ihm in
Sturm und Noth, wie sie Wilhelm Diez gemalt, im Tacte dahinschreitend,
„Unter der Fahne getraut“.

Aber der Kriegsknecht kann auch lustig sein ohne das Weib. „Das lustige
Paar“ aus Fridericianischer Zeit, das Robert Warthmüller mit bester Laune
gemalt, ist gar selbstzufrieden auch ohne Anhang. Aus ihnen lacht der ganze
Uebermuth einer Soldatesca, der das Lager die Heimath ist, die sich für den
grossen König schlägt, weil er sie zum Siege führt. Sie fragt nicht viel, um

cfr

was es sich handelt. Der König muss es wissen, sie hält sich an den Fabne 11'
eid, den sie geschworen. „Lustig gelebt und selig gestorben, heisst dem Teuf e^
die Rechnung verdorben“.

Die Schaulust des Menschen ist ein unerschöpfliches Thema. Statt nä (
des Tages Last und Mühe zu ruhen, sucht er immer neue spielende Beschäftigun?
seiner angestrengten Sinne. Das erste Aufleuchten in den Augen des Kind e“
bedeutet Neugier, d. h. das Streben, von der Aussenwelt durch Vermittlung d e^
Sehvermögens etwas zu erfahren. „Da schau!“ ruft das Schwesterchen d eI11
Nesthäkchen zu, und weist die Dorfstrasse hinunter. Das weinerliche Gesi ct,t
verklärt sich, und die Aermchen strecken sich aus, als wollten sie immer ffl e^
von der bunten Aussenwelt erfassen.

„Da schau!“ Die ernsten Orientalen alle wissen, dass es trügerische, brod
lose Künste sind, die solche „Marokkanische Gaukler“ ihnen vormachen, vV,e
Eisenhut sie malt, aber gerade das Fortfallen jeden ZweckbegrifFs bei derartig eI1'
Thun, das Losgelöstsein solcher Tändelei von zielbewusster Anspannung d el
Kräfte, das freie Spiel der Fähigkeiten ergötzt und täuscht bei solchen Sch al1
stellungen fort über den Ernst des Daseins.

Ob die Italiener auf Simon’s Bilde „Der Streit“ es so gar ernst nehm eU
mit ihrer kampflustigen Haltung? Der Künstler möchte es glauben machen, u11

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doch ist die Sache am Ende nicht so schlimm, wie sie aussieht. Die sicher
Eifersucht gezückten Messer werden wieder in die Scheide fahren trotz al
gewaltsamen Geberden, und der frische Trunk steht so nahe, dass es an Geleg c11
heit zur Versöhnung nicht fehlen kann.

Auch der räuberische Anfall des „Teckels auf die Ente“ lässt keinen tödtli eh cl
Ausgang befürchten. E. Wünsche’s Broncegruppe ist ein Brunnenornani ellt’
bei der nicht Blut fliessen soll, sondern harmloses Wasser. Jedenfalls ist

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d eS

Alphabets beibringen will. Ob er’s begreift, oder nicht, er sieht ungeheuer aU
merksam aus, und ein grundgescheutes Gesicht ist auch etwas werth auf der 3'

Teckel ein viel unerzogeneres Geschöpf, als der gelehrige Schüler, dein
M. Ramirez Bilde „Leseunterricht“ eine junge Schöne die Elemente
 
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