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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Ewers, Ludwig: Lübeck
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2IÖ

MODERNE KUNST.

Mag das schneller
pulsirende Leben der
modernen Zeiten mit
seinem Grossstadttrubel
und seinem verblassen-
den, ausgleichenden Ein-
fluss auch bis zu diesem
abgeschlossenen kerni-
gen Volksthum gefluthet
sein, es hat ihm wenig
von s'einer Eigenart ge-
raubt. Die Stadt hat
sich in der herrlichen
Umgebung zu anmuthi-
gen Villenvierteln aus-
gedehnt, der Gesichts-
kreis ist ein weiterer,
der Lebenszuschnitt ein
grösserer geworden.

Aber die solide Basis
der alten Tradition ist
gewahrt geblieben, nach
dem selbstlosen Grund-
satz, den Geibel auf
dem im Schifferhaus an-
gebrachten Autogramm in
die beherzigenswerthen
poetischen Worte fasste:

Am guten Alten — in Treuen
haltcn,

Am kräftigen Neuen — sich
stärken und freuen:

Wird Niemand gereuen.

Sieht man doch noch heute Hausfrauen, selbst Familienväter, an-
gesehene Bürger, am Mittwoch und Sonnabend auf den Markt gehen uncl
die Fische für den Mittagstisch einkaufen.

Das alles liest de 1
Betrachter von ihr e11
Zügen ab, wenn ei' (llC
alte Stadt vor sich lie» e11
sieht, umgeben von ihr e11
grünen, zu herrlich e!1
Parkanlagen umgestal te
ten Wällen, umschloss el1
von der Wacknitz lT1,t
ihren anmuthigen Ufc 11
und der Trave mit ihre 111
stattlichen FichtenwaW'
Die ragenden alter 3
grauen Thürme, die G ie"
bel mit den Speicher
luken, das alte Glocke 11'
spiel, das von der Man el1'
kirche herab halbstünd 1»
zum Stundenschlag ein e11
Ghoral anstimmt. AlU 5
Wahrzeichen eines 111
Kämpfen gefestigte 11
energischen VolkslebenSi
einfachen, ehrenhafteD
doch in stolzem Selbst'

vertrauen und energisch el

Strebsamkeit bewährte 11
Bürgerthums, das Kop^
und Herz auf den rechten
Fleck hat, stets weis s>
was es will, mit nord 1'
scher Bedächtigkeit er'
wägt, was es kann und darf und sein Wollen und Thun vereinigt unt el
dem alten Wahrspruch: Was wültu begehren mehl,

Denn die alte lübische Ehr!

--

mnsere

Charlotte Baste.

el leichter ist es für einen Theaterleiter, gute Kräfte zu gewinnen, als sie
zu .erhalten. Charlotte Baste hat den Lockungen der Berliner Bühnen
widerstanden und ist seit einer Reihe von Jahren der ausgesprochene Liebling
des Dresdener Hoftheaters. In St. Petersburg geboren, einer angesehenen Schau-
spielerfamilie entstammend, betrat sie — mit drei Jahren — die Bühne, um als
„Picarde“ von Marie Seebach den ersten Lorbeerkranz zu erringen. Ihre
theatralische Laufbahn: bedeutet einen Triumphzug, ihr Repertoir erstreckt sich
von der Naiven bis zur ersten Salondame, denn sie verftigt tiber eine zum Iierzen
dringende Stimme und verbindet mit ihren seltenen Naturgäben eine'Mannig-
faltigkeit künstlerischer Ausdrucksmittel, welche von sprudelndster Ausgelassenheit.
und geistreicher Satyre bis zur thränenerstickten Wehmuth und rührender Kind-
lichkeit, von jungfräulicher Verschlossenheit bis zum hinreissenden Jubel der
ausbrechenden Empfindung reicht. Daher ist sie im Stande die verschieden-
artigsten Rollen, wie Grille, Bezähmte, Hertha (Tropfen Gift), Lorle. Louise (In
k’esseln), Mandanika, Rita und Cypriehne zu gleich hinreissender Darstellung zu
bringen.

Die ganz aussergewöhnliche Beliebtheit Charlotte Baste’s veranlasste die
Intendanz einen Vertrag unter Bedingungen mit ihr abzuschliessen, wie sie
glänzender noch niemals einem Mitgliede der kgl. Hofbühne vorgelegt worden sind,
durch den die Künstlerirt auf eine lange Reihe von Jahren an Dresden gefessdlt ist.

Wenn der Gedankc des Bildhauers itn Model! Gestalt. gewonnen hat, be-
ginnt der Karnpf mit dem schwerfälligen Material. Da bedarf er der Unterstützung,
des feinsinnigen Eingehens auf-seine Eigenart und der technischen Geschicklich-
keit, die den Thon in Marmor zu übersetzen weiss. Meister Reinhold Begas
in seinem Atelier, umgeben von seinen Schülern, Kräu'ss, Bernewitz ünd Gaul,
wie ihn M. Horte auf seinem Bilde schildert, überwacht die Herstellung'seines
neuesten und reifsten Werkes, des Kaiser Wilhelm-Denkmals für Berlin, das
sich unter den Händen der betreffenden Künstler immer herrlicher aufbaut.

&y'<D

ilder.

Ruhig dastehend, des Erfolges sicher, lässt er sein Auge über ihre Arb elt
hingleiten.

Da hat es der Maler leichter. Sein Material gestattet es ihm, das Leben 111
seiner farbenfreudigen Wirklichkeit unmittelbar zu erfassen. Da entstehen lustig e'
der Wirklichkeit abgelauschte Scenen, wie A. dall'Oca Bianca’s „Auch elJ1
Paris“. Der kleine italienische Vogelhändler ist den drei jungen lachenden Dirn eI)
offenbar interessanter, als seine Waare, und seine Augen leuchten heller, a* s
die der beiden Eulen. die griesgrämig auf ihren Stangen sitzen. Er wird s,e
brauchen, wenn er seine Pariswahl trifft, die der schelmischen Blondine geg e11
über kaum zweifelhaft sein kann. Liegt doch ein unendlicher Reiz in dem Lache 11'
das schöne Frauenlippen umspielt, besonders wenn es ohne Rücksicht auf seiü®
etwaige Wirkung, wie auf T. Andreotti’s Bilde „Heitere Lectüre“, auf ein el1
zufälligen Impuls hin, in natürlicher Anmuth erscheint. Was es Schönes gie^ 1
im Leben, verkörpert sich nun einrnal am reinsten im Weibe und in dess e11
sieghafter Gewalt tiber den Mann. Leise, mit einem Seufzer der ErleichteruHr
drängt es sich von den Lippen des Ehemannes, der auf F. Stahl’s Bilde 1Ill£
seinem jungen Weibe aus der Gesellschaft heimkehrt: „Endlich zu Hause-
Schliesst doch dieses „Endlich zu Hause“ eine ganze Welt friedlichen GlüB' 5
und stiller Lebensfreude in sich, die kein Geselligkeitstrubel ersetzen kann. P 1"
im trauliclien Heini umschliesst er mit der schlanken Gestalt der Gattin seii ie
ganze, von äusserem Tand unabhängige Seligkeit.

„Endlich zu Hause!“ Werden „Die letzten Drei“ auf C. Leipold’s ergreiU 11
der Schilderung aus dem Seeleben es jemals ausrufen dürfen? Steuerlos tre>
das Boot auf den Wogen. Theilnahmslos, verschmachtend sind sie zusan'n 1611

gesunken auf den dünnen Planken, die sie vom Wellentode trennen. In lod eS

• u ai 11

kämpfen krümmt sich ein Greis am Hintertheil des Bootes, während sicn ‘
Spriet ein bärtiger Mann über ein bleiches, ohnmächtiges Weib beugt.

Irgjl

thiirmen sich die Wasserkämme und drohen jeden Augenblick den schwan*
Kahn zu verschlingen. Der Blick der Schiffbrüchigen ist abgewendet von u
Wellenschwall, der jede Aussicht versperrt. Am Ruder flattert ein armsehg
Stofflappen, als Zeichen für vorüberfahrende Schiffe. Werden sie ihn benie 11'
über den sich bäumenden Wogenkämmen?
 
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