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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Dammwald, Georg: Aus dem "Blumigen Reiche der Mitte"
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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [5]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0168

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7 4

MODERNE IvUNST.

ftus dem „Blumigen Keicfie der

Von Georg Dammwald.

[Naclidruck verboten.]

Kein Land der Weit führt einen so poetischen Namen, wie China, mit an-
scheinend so geringem Recht. Mit dem Begriff der Blume verbindet sich
zunächst der Sinneseindruck des Duftes. Wer zum ersten Male eine chine-
sische Stadt betritt, wird sich unwillkürlich diesem vorbereitenden Eindruck
durch energische Isolirung der Geruchsorgane zu entziehen suchen. Was
einem da aus Schlächterläden, Fisch- und Ge-
müseständen, besonders aber aus den Kau-juk-
pu, den hilligen Speisehäusern, in denenHunde-
und Katzenfleisch das Menu beherrschen, bei
Tage entgegenduftet, wird nur durch die
nächtlichen Gerüche übertroffen, die den zum
Abholen auf die Strasse gestellten, nicht näher
zu bezeichnenden Kübeln entströmen.

Dagegen trägt China, sobald die Farben-
pracht als Merkmal der Blume in Frage kommt,
seine Bezeichnung mit Ehren. Die engen, vier
bis fünf Meter breiten Strassen einer chine-
sischen Stadt, im Sommer von Strohmatten
von Dach zu Dach überspannt, leuchten in
einer das europäische Auge blendenden Bunt-
heit. Der Chinese liebt es, sein Haus, seine
Ladeneinrichtung und namentlich auch seine
Firmenschilder und Plakate mit möglichst
leuchtenden Farben zu versehen. Blaue und
rothe Grundfarbe mit auffallend grossen, gol-
denen Inschriften in den wunderlichen chine-
sischen Lettern spielen eine Hauptrolle. Die
Firmenschilder hängen senkrecht, 8—10 Fuss
lang, auf die Strasse hinab. Sie tragen meist
Reclamen, die auf dem Umwege über die
Moral zum Kaufen einladen: „Zehntausend
Vortheile dem Eintretenden“; „Der hülflose
Greis und der unmündige Knabe werden nicht
übervortheilt“ u. s. w. Vor den Läden sind
besondere kleine Stände errichtet, in denen

sem -
dies er

„Bei Demem Ein- und Ausgange möge Dein Gemüth stets heiter
„Zehntausend Verdienste bringen Reichthum zusammen“. Neben
piaktischen Spruchweisheit findet dann auch noch die positive Reli»' 011
ihren Platz. An der Schwelle steht ein dem Gotte des Reichthums g L

weihter Altar, und im Hintergrunde leuchtet der goldgeschnitzte

Ahne n'

altar des Ladeninhabers. Der Verkehr mit dem kauflustigen Publikun 1

durchaus nicht auf der Basis des Grundsatzes

ist

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Zeit ist Geld“ g ereg'

j^ftti u

Sobald man die Schwelle übertreten, wird man von den höflichen ‘

teten 1

herren mit einem Schälchen Thee und Cakes bewirthet. Unter ^ ^
Geplauder werden die Vorräthe gezeigt, und wenn man den Laden ^

Einkauf verlässt, wird man mit derselben

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erschütterlichen Liebenswürdigkeit z ur

geleitet. ,

• a höch'

Die Privathäuser der Chinesen sina

stens zweistöckig. Die Hinter- und die bei

ide' 1
et'

Seitenwände sind meist aus Ziegelsteinen
baut, während die Frönt sich aus lehmb
strichenem Flechtwerk, Brettern oder M utte
zusammensetzt. Auf den unebenen, ungedi e' tl

Boden fällt ein spärliches Licht durch

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schmale, papierverklebte Fensteröffnungeß

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un 1

umspielt den dürftigen, aus Tischchen
Stühlchen bestehenden Hausrath. Als p
stelle dienen zwei Schemel, deren BretteW^
bindung mit Stroh und Matten belegt 1
während ein feines Binsengeflecht die & e
decke ersetzt. Vorn am Eingange liegt
Art „guter Stube“, die zugleich als Empf arl!:,,

.. . , pi e

salon und als Speisezimmer benutzt wird-

, ,ern

übrigen, durch Vorhänge getrennten Kam n
sind Wohn- und Schlafzimmer. Besond er
Werth wird bei den Vornehmen auf die Ahn c

re\ e$'

lialle in der Hinterfront des Hauses g e
Hier hängen, von Weihrauch umduftet,
Stammtafeln der Familie, und auf schm uC

Tischchen stehen, täglich mit neuen Vorrä

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gefüllt, Theeschälchen und Reisschüss

elch et1'

st

Chinesischer Bazar.

Hinter dem Hause aber dehnt sich m el
ein kleineres oder grösseres Gärtchen, de s
zierliche Anlagen mit ihren beschnitt el1
Waarenproben ausliegen. Betritt man das Kaufhaus selbst, so fallen einem Sträuchern und symmetrischen Teppichbeeten uns rechtzeitig daran

iin

zunächst wieder lange, rothe Papierstreifen in's Auge, die entweder Be- innern, dass wir uns trotz des Protestes unserer Geruchsorgane

grüssungen des Besuchers oder beachtensv/erthe Lebensregeln enthalten: „Blumigen Reiche der Mitte“ befinden.


as fJungeiToos.

Humoristischer Roman von Heinrich Vollrat Schumacher.

[Fortsetzung.]

^n Herrn von Rocholl’s Zimmer erlosch in dieser Nacht die Lampe
nicht.

AIs Frau Amalie und Otti ihn verlassen, hatte er die Thür sorg-
fältig abgeschlossen und ein Stückchen Freimarkenpapier auf das Schlüssel-
loch geklebt. Dann war er zu dem alterthümlichen Schreibsecretär zwischen
den beiden verhängten Fenstern des Zimmers gegangen und hatte dem
Geheimfach desselben ein Buch und ein Stoss Papiere entnommen.

Zehn Minuten später sass er auf dem Ledersopha und sah die Papiere
durch und verglich sie mit den von seiner Hand gemachten Eintragungen
in dem Buehe und rechnete; die ganze Nacht.

Kostbare Papiere waren es, diese Hypothekeninstrumente, Schuld-
anerkenntnisse, Sparkassenbücher, Actien und Depotscheine; und auch ein
wenig seltsame Papiere, obwohl ihr Inhalt nur in dem bekannten, trockenen
Geschäftsstil abgefasst war.

Die Sparkassenbücher lauteten sämmtlich auf den Namen desselben
Inhabers; auf den Depotscheinen bekannten verschiedene Banken, Werth-

[Nachdruck verbote"'

papiere von einem gewissen Herrn zur Verwahrung und jederzem

o-ef

:as e(1

Verfügung erhalten zu haben, und auch auf den Schuldanerkenntni sS

di e

figurirte der Name dieses selben Herrn als der des Gläubigers. U' 1^
Hypothekeninstrumente? _ ^

Gewiss, die ganze Welt wusste es, dass die Güter Rocho

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Fleckch e11

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Templin und Amalienruh mit Hypotheken bis auf das kleinste

Erde belastet waren; sie wusste auch, dass diese Hypotheken von R tCI ^

anwälten und Bankiers der Hauptstadt hergegeben waren. Das aber " US

ctill eI

sie wohl nicht, dass jene Rechtsanwälte und Bankiers dieselben im ^

sofort weitercedirt hatten an einen gewissen Herrn, den Besitzer der Sf

. . . pieP n

kassenbücher, Schuldanerkenntnisse, Actien und Depotscheine, an

von Rocholl auf Rochollshof, Templin und Amalienruh. ^

Auch das Buch, ein dickleibiges Cassabuch, war streng geschäftsiH' 1

geführt. Auf seiner ersten Seite standen in gezierter Schnörkelscln ift

beiden Worte: „Mit Gott!“ und darunter der Vermerk: „Angefang el1 ,

_ , , , . . Gr utl°

Winand von Ilocholl auf Rochollshof am 1. Juli 1876 mit emeni
 
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