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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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238

MODERNE KUNST.



Mit Originalzeichnungen von Ewajd Thiel und Karl Storch.

Manch toller Streich des jungen Otto

ist U nS

de"

Fürst Bismarcks Kindermädclien.

überliefert; das Kindermädchen, das über
Kleinen die Obhut führte, mag oft genug sC
an ihrer Verantwortung getragen haben. Denn 1110.
immer wollte der Knabe stillsitzen und 'hr
kindlichem Stolz in seiner unbeholfenen Ausspr al"
vordeklamiren;

„Hanna, ihr Bienen, brummt der Bär,

Gneich gebt mir euren Honig her M —

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nicht imrner konnte der Vater voll Stolz von
Söhnchen rühmen: „Minchen, sieh doch den J un°
wie er dasitzt und mit den Beenekens bammen

der kleine Junker trieb es oft recht arg. In Ga'
Feld und Forst tummelte er sich fröhlich urn
jeder Baum wurde crklommen. jedes Vogelnest

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gesucht. Auch der Teich beim Schlosse weis & ^

mancher Fährniss zu erzählen, und jammernd 1,1

die treue Wärterin die Hände, als eines schö 11

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Abends der Kleine. triefend und mit Schlanu 11

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deckt, heimkehrte, um von einem unfreivn 11»
Bade zu erzählen. Otto von Bismarck hat stets
Dankbarkeit der Hüterin seiner Kindheit g e<^ a^e,
wie er denn immer herzlichen Antheil an deü

diensteten seines Hauses nahm. Köstlich ist es.
er von der guten Trine Neumann, die währeiid
Gymnasialzeit in Berlin den Haushalt führte,
richtet: Wenn wir ausgingen, ermahnte Trine
regelmässig „Blievt hüt nich so lang ut, dat
Kauken nich afbacken“ und regelmässig, wenU

Des Fürsten Geburtszimmer.

fismarck’s Ge-
burtszimmer!
Ein schlichter Raum
in einem schlichten
Bau — dort hat am
I. April 1815 Jun-
ker Otto Eduard Leo-
pold von Bismarck,
den die Mitwelt als
den eisernen Kanzler
feiert, den die Ge-
schichte als den
grössten Deutschen
nennen wird, das
Licht der Welt er-
blickt. Das Schloss
Schönhausen, in das
im Hochsommer 1806
Herr Ferdinand von
Bismarck seine junge
Gattin Luise Wilhel-
mine, desKöniglichen
Kabinetsraths Menke
schöne und kluge
Tochter, heimgeführt, trug aussen und innen den traditionellen Charakter
märkischer Einfachheit. Hohe Lindenbäume beschatteten einen schweren, vier-
eckigen Bau mit einem Erdgeschoss und zwei Stockwerken, niedrig waren die
Zimmer. bescheiden die Ausstattung, beschränkt der Comfort. Nach dem Hofe
zu, der an die Kirchhofsmauer grenzt, liegt das Zimmer, in dem Jung Otto ge-
boren ward. Schon zwei Söhne hatte die junge Freifiau ihrem Gatten geschenkt.
Als dreijähriger Knabe war Alexander Friedrich Ferdinand, der älteste, gestorben
und noch heute kündet aut dem gusscisernen Kreuz, das sich über einem kleinen
Grabhügel im Parke erhebt, die rührende Inschrift: „Er war die Freude und
die Hoffnung seiner Eltern, die er nur durch seinen Tod betrübte“ den Schmerz
des Verlustes. Bernhard, der Zweite, war der Jugendgefährte des künftigen
Kanzlers. Klein-Otto war ein kräftiges, gesundes Kind, echt märkische Art, und
mit lautem Geschrei verkündete er dem beglückten Vater schon bei seinem Er-
scheinen, dass er gewillt sei, nicht als Duckmäuser durch’s Leben zu pilgern.
Vierundzwanzig Jahre später, am 1. November 1839, als noch der „wilde Junker“
die Tollheiten der Sturmperiode vollführte, schied die Mutter aus dem Kreise der
Ihrigen, sie die vielleicht von Allem zuerst die Art und Bedeutung des Lieblings-
sohnes scharfsinnig erkannte.

nach Hause kamen, hörten wir die gute Trine sC
wie einen Rohrsperling schimpfen: „Na töwt, J ü ”1
ut Jug ward in’n Lewen nix Vernünftigs; min Kauken sind all wedder afb aC
Trine Neumann hat sich hier nicht als Prophetin bewährt!

Ein Blatt im Fremdenbuche des Schlosses zu Schönhausen kündet

wie nach langen Jahren, in den heissen Augusttagen des Jahres 1892 der

der dort als Knabe gespielt und als Jüngljng die ersten Kämpfe durcht 0 ^
zuriickkehrte zur trauten Jugendstätte. Welche Fülle gewaltiger Erinnerü”"^
mochte in dem greisen Manne auftauchen, welch schier unendliche Kett e
Ereignissen -an seinem Geiste vorüberziehen, als er der lieblichen SchW< e®^i
tochter, der Gräfin Margarethe Hoyos, in ihrem neuen Heim den Gruss en ^
Nach Schönhausen hatte er selbst einst die jugendliche Gattin geführt, ' liel.|,ei 1
er nach dem ausgelassenen Treiben von Kniephof die ersten Jahre stl^llt
Familienglücks genossen, hier wurden ihm die Kinder geboren; aber d eI ,i
seines Königs hatte ihn fortgerissen aus der idyllischen Einsamkeit des väterU
Schlosses, und

als er wieder-
kehrte, da trug
er sich als
Fremder in das
Fremdenbuch!

Krältig und
fest, trotz aller
Kämpfe und
aller Bitterniss,
ist die Hand-
schrift des
Mannes von
77 Jahren, ne-
ben derschüch-
tern und be-
scheiden wie
stets die greise
Lebensgefähr-
tin den Namen
eintrug. Nur
die Feder
schien wider-
spenstig, als sie
als Wohnsitz
„Friedrichs-
ruh“, nicht den



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■fv


Aus der Fremdenliste in Friedrichsruh.
 
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