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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Malkowsky, Georg: Jean F. Portaels
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G., R.: Das Erfurter Reiterfest
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0371

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MODERNE KUNST.

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^kademie, das etwa 10 000 Frcs. betrug, verwendete er meist aut
°^khätige Zwecke. Eine besondere Vorliebe hatte er für arbeitsunfähig


«t

di,


° rdene Modelle, von denen er zu sagen pflegte: „Als sie jung und
ötl Waren, halfen sie mir viel Geld verdienen, von dem ich ihnen jetzt,
^ sie alt und unglücklich sind, soviel als möglich zurückerstatte“. Seinem
^stlerbewusstsein verlieh er einmal dem verstorbenen Prinzen von
' ar|ien gegenüber originellen Ausdruck. Bei einer Billardpartie hatte
e Hand auf die Bande gelegt. Der Prinz, der eben am Stosse war,
k' 'hm in barschem Tone zu: „Hand weg, oder ich zerbreche Ihnen die
. ^Ser.“ Portaels erwiderte ruhig: „Sie sind sehr mächtig, Königliche
eth aber das Recht, einem Künstler wie mir die Finger zu zerbrechen,
^ en Sie nicht.“

. k*er verstorbene Director der Brüsseler Akademie war der Tj rpus
q s Gentleman. und als solcher vielleicht besser zu einer leitenden

sten ’

l^. Ung berufen, als ein grosser individuellen Zielen zustrebender Künstler.
e e>nem seltenen Feingefühl für Zeichnung und Farbengebung verband
j tlrte eminente Empfänglichkeit für die starke Eigenart Anderer. Er hatte


S>'ossen Vorzug, im Künstler nur das Können, d. h. die Kraft, sich

^ Tend zu bethätigen ohne äussere Rücksichten, zu schätzen und zu
^ e>stützen. Er versuchte es niemals, seinen Schülern etwas aufzuzwingen,
n>cht aus ihrem eigenen Innern keimkräftig auftrieb. Künstler und
r- Cr> verbanden sich in ihm zu einem liebenswtirdigen, harmonischen
^en.


*^p|nter den Sportarten und -Unarten findet bei dem grossen Publikum
I der Reitsport unstreitig die meiste Sympathie, bei uns sowohl, wie
bei unseren englischen und französischen Nachbarn. Aber wir Deutsche
stehen der Sache doch mit etwas anderen Augen gegenüber, als Jene.
Während dort mehr das Pferd in den Vordergrund tritt, in Bezug auf
Racereinheit, Zucht u. s. w., ist es bei uns Pferd und Reiter als Ganzes,
sozusagen als Bild, welches das Interesse fesselt. Es liegt etwas Ritter-
liches, etwas das an die gute alte Zeit erinnert, in der der Mann durch
sich selbst noch etwas galt in dem Sport, wenigstens für unser deutsches
Empfinden. Uns liegt der Schnelligkeitsrecord, der tadellose Bau des
Pferdes weniger am Herzen, als der repräsentative Eindruck des Reiter-
bildes. Beweis dafiir ist das Verhalten der Zuschauer beim Anblick einer
Cavallerietruppe, besonders der stattlichen Kürassiere. Daher erfreuen
sich auch bei uns die sogenannten Reiterfeste einer ausserordentlichen
Beliebtheit. So ein Reiterfest ist meistens ein Costümfest, das uns auf
Momente in die Zeiten des grössten Glanzes der Reitkunst zurückversetzt.
Was die Reitkunst als solche anbetriftt, so haben die Jahrhunderte im
Grunde genommen wenig Veränderungen hervorgebracht. Mit Ausnahme
der durch neue, zeitgemässe Zäumung des Pferdes, Kleidung und Be-
waffhung des Reiters bedingten Modificationen reiten wir noch heute die-
selben Pirouetten, Courbetten und Galoppaden, wie unsere Vorfahren.
Der Reitsport war von jeher naturgemäss eine Sache der Vornehmen —
nicht ohne Einfluss ist dieser aristokratische Anstrich auch heute noch für
seine Werthschätzung bei dem Publikum — und daher hat er an den
Fürstenhöfen und zwar oft gerade an recht kleinen, an. denen die Zeit
durch Regierungssorgen nicht unnöthig absorbirt wurde, zu hoher Blüthe
gebracht. Schon im 17. Jahrhundert traten an die Stelle der früheren Turniere
Reiterfeste, in denen man mit Lanze, Degen oder Säbel, in bestimmten
Hguren reitend, nach Köpfen, Ringen und ganzen Figuren —Faquinos —
stach und hieb. Man nannte diese Reiterspiele Karoussels und sie übten
stets eine grosse Anziehungskraft aus. Ivurze Zeit später stiegen auch
die Damen in die Manege herab und vereinigten sich mit ihren Cavalieren
zu kunstvollen Figuren-Quadrillen. Zuerst war es Italien, das diese Art
der Reitkunst pflegte und bei festlichen Gelegenheiten anwendete, dann
Frankreich und Deutschland.

Mit Vergnügen denkt die Sportswelt an das grosse Jubiläums-Reitfest
des Garde - Dragoner - Regiments, das im vorigen Jahre vor dem Kaiser
stattfand, und es ist eine Freude, bei dem vom Erfurter Reiterverein in
den letzten Märztagen dieses Jahres veranstalteten Reiterfeste constatiren
zu können, dass auch in unserer ntichternen Zeit in Privatkreisen nicht
nur der Sinn für dergleichen noch sehr lebendig ist, sondern dass auch
noch glänzende Leistungen erzielt werden. Der Erfurter Reiterverein hac
schon vor mehreren Jahren etwas Aehnliches arrangirt, und daher dürfte
man recht Ungewöhnliches erwarten. Und das umsomehr, als die dort
garnisonirenden Herren vom 71. Infanterie-Regiment und Feld-Artillerie-
Regiment No. 19, bekannt als gute Reiter, ihre Mitwirkung in den Dienst
der guten Sache — zum Besten der Armen und Nothieidenden Erfurts —
gestellt hatten. Schon der äussere Eindruck der Bahn war ein gross-
artiger. Ueberall Drapirungen vonFahnen in den deutschen, preussischen,
sächsischen und thüringischen Farben. Wappen der Bundesstaaten wechseln
mit dem Erfurter Rade und dazwischen Blumen und Laub schier in Ueber-
fülle, vermengt mit elektrischen Glühkörpern. Eine feenhafte Ausstattung,
die den Spendern — Blumen-Schmidt, Chrestensen, Benary und Töbel-
mann — alle Ehre macht. Gleich glanzvoll waren die Costüme und Reit-
zeuge. Es war eine übergrosse Bescheidenheit, als nach den Fanfaren
von sechs reichgekleideten mittelalterlichen Bläsern der Reichsherold ein-
trat und mit sonorer Stimme den Prolog verlas, der die Nachsicht der
Zuschauenden erbat. Unnöthige Besorgniss. Die Leistungen, die nun
folgten, konnten sich sehen lassen. Das Programm war sehr geschickt
zusammengestellt und Iiess bis zum letzten Augenblick das Interesse an
den farbenprächtigen Bildern nicht erschlaffen. Zuerst sahen wir eine

IX.

18. IV.
 
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