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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Malkowsky, Georg: Jean F. Portaels
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28o

MODERNE KUNST.

Militair-Quadrille. Siche Scite 282.

strömender nationaler Begeisterung, die sich in einer den höchsten Zielen
zustrebenden Kunstübung wiederspiegelte und in der wilden Phantastik
eines Anton Wiertz ihren extravagantesten Ausdruck fand. Louis Gallait
und Eduard de Biefve wurden die Vertreter des abgeklärteren National-
. gefühls. „Die letzten Augenblicke des Grafen Egmont“, „Der Compromiss
der Adligen“ gewannen europäischen Ruf und galten eine Zeit lang als
die höchsten Offenbarungen reifer historischer Kunst. Mit der Ausstellung
der „Steinklopfer“ von Courbet im Jahre 1851 setzte dann der Realismus
in Brüssel ein und fand begeisterte Anhänger. Eine neue Künstler-
generation nahm alle diese Anregungen in sich auf, kehrte zum gründ-
iichen Studium der Natur zurück, entdeckte neue Stoffgebiete und verhalf
mit allen technischen Mitteln ausgerüstet, der belgischen Kunst zu der
Achtung gebietenden Stellung, die sie noch heute einnimmt.

All' diese Kämpfe und Wirrungen liess J. F. Portaels im ruhigen
Vollbewusstsein seines Könnens an sich vorüberziehen. Er begnügte sich
damit, in seinem Atelier nicht eine Schule, sondern Künstler zu bilden.
Am 1. Mai 1819 in Vilvoorde geboren, besuchte er die Briisseler Akademie
und wurde ein Lieblingsschüler Franz Navez’, dcssen Tochter er später
heirathete. Nachdem er seine Studien in Paris unter Paul Delaroche fort-
gesetzt, kehrte er 1842 in die Heimath zurück uncl errang dort clen Preis
von Rom, der ihm ennöglichte, fiinf Jahre hindurch in Italien, Afrika und
Asien zu reisen und seine Mappen mit Skizzen aus Marokko, Algier,
Tunis, Aegypten, Judäa, Spanien, Ungarn und Norwegen zu füllen.

Eine Ausstellung seiner Studien und Gemälde, die er 1847 nach seiner
Rückkehr in Gent veranstaltete, erregte allgemeines Aufsehen und ver-
schaffte ihm die Stellung als Director der dortigen Akademie. 1850 siedelte
er nach Brüssel über und folgte seinem Meister Navez in der Leitung
eines freien Meisterateliers. Nach dem Tode seiner Gattin trat er eine
zweite Reise nach Marokko an, wurde 1874 Lehrer an der Akademie der
Schönen Künste in Brüssel und übernahm 1878 dic Direction dieses Institutes.

Die hervorragende Bedeutung Portaels liegt in seinem Atelier.

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es für die vornehmste Aufgabe eines Meisters, zunächst das Metiei
lehren, dann aber jeder Individualität, jedem Temperament und J
Empfindung freien Spielraum zu lassen. =' n' 1 Hcnn ans «einer Sci
die denkbar ver

Isidore Verheyden, Agneessens, Blanc-Garin

So sind denn aus seiner

schiedensten Künstler hervorgegangen: Emile Waü tcl

Hennebicq, van der H e

Lempoels und vieleAndere. Ja,sogar ein bedeutenderBildhauer, vanStapP^,

dessen „Toilette des Faun“ heute das Brüsselcr Museum ziert, fand

Portaels seine erste Anregung. Als das Atelier Portaels im Jahre

im Cercle artistique et litteraire seine erste Gesammtausstellung veranstal tet

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erstaunte man über die Fülle der neu auftauchenden Talente. Eine zW'
Collectiv-Schau im Palais des Beaux Arts anfangs der achtziger Jahre
staltete sich zu einem Triumph für den Meister, der es verstanden,

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Entwickelung so eigenartiger Talente zu fördern, ohne sie an eine beeng eI1

Regel, an künstlerische Zwangsvorstellungen zu fesseln.

Von der romantischen Schule ausgehend, selbst der Empfindung na'
Romantiker, ist Portaels eine durchaus abgeklärte, vornehme Künsu cl
erscheinung. Seine feine, jede exaltirte Bewegung vermeidende Zeichn u
erhält ihren Reiz durch ein wohl abgetöntes Colorit, das Farbenharm 0’ 11
sucht, ohne sie künstelnd zu erzwingen. Als Portraitist dringt Porta e
tief in die Persönlichkeit ein, um sie dann doch in der Ausführung
veredeln. Hat er in der Historie noch imnier einen kleinen Zug in
Theatralische hinein, wie in seiner „Judith“ irn Antwerpener, in sein e
„Ungarischen Frauen“ im Brüsseler Museum, so sind seine orientalisd 1 j
Landschaften und Genrebilder voll lebhaft pulsirenden Lebens, voll kh 115
lerisch verhaltener Gluth. Folgt er dem romantischen Grundzuge se
Empfindens, wie in unserer Allegorie der „Verleumdung“, so bleibt
trotz alles Symbolisirens stets klar und verständlich.

Als Mensch war J. F. Portaels eine liebenswürdige, conciliante, a'
auch gelegentlich selbstbewusste Persönlichkeit, Sein Gehalt als Dire cl

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Ungarisches Manövcr. Siehe Seite 282.
 
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