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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Malkowsky, Georg: Ein Maler der Thierwelt
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0258

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MODF.RNE KUNST.

169

Ruhender Leopard.

Originalzeichnung von
R. Friese.


£in Maler der Thierweli


Von Georg Malkowsky.

ährend auf wissenschaftlichem Gebiet die Trennung der Fächer
immer grössere Ausdehnung annimmt, geht der Zug in der
Kunstwelt mehr in das Allgemeine. Sucht der Schauspieler
die ganze Menschendarstellung zu umfassen, so geht das Streben des
Malers dahin, die bunte Fülle der Erscheinungen wiederzugeben in allen
'lrei Naturreichen. Historien-, Genre-, Thier-, Landschafts-, Stillleben-
Malerei sind Begriffe, die nur aus dem Stofflichen abgeleitet, in der
Aesthetik ebenso unwesentlich sind, wie in der praktischen Kunstübung.
Lid doch wird gerade ein starkes Talent seinen Neigungen folgen und
sich in der Stoffwahl beschränken.

Richard Friese, von dem wir ausser dem grossen Bilde „Auf der
Wahlstatt“ eine Reihe von Thierskizzen veröffentlichen, ist in Gumbinnen
als Sohn eines Regierungs-Secretairs geboren. Schon als Knabe tuschte
l>nd zeichnete er viel, durch seine Bilderbücher angeregt. Nach seinem
Abgange von der Schule war er auf dem Landrathsamte und dem Magi-
strat seiner Vaterstadt- thätig, um sich zum Bureaubeamten auszubilden.
Seine künstlerischen Neigungen veranlassten ihn, im Jahre 1871, im Alter
von 17 Jahren, nach Berlin zu gehen. Hier wollte er sich dem litho-
§raphischen Kunstdruck widmen. Nachdem er sechs Jahre lang auf
'iiesem Gebiete thätig gewesen, bezog er 1877 die
Kunstakademie und studirte vorwiegend bei Eugen
ßracht und FI. von Eckardstein. Nach drei Jahren
rlern Schulzwang entwachsen, schlug er dann seine
^igenen Wege ein und ist heute einer unserer be-
rufensten Thiermaler. In Paris, London und Wien
vielfach ausgezeichnet, ist er seit der ßerliner Jubi-
^äumsausstellung Inhaber der kleinen goldenen
^edaille.

Richard Friese’s künstlerische Individualität
'''urzelt zunächst in seiner ostpreussischen Heimath.

We Natur hat dort einen Zug in’s Grosse. Die sich
^ügelig hindehnende Moor- und Haidelandschaft
trägt den Charakter des Unberührten, Urvorvvelt-
When. Mächtige Buchen- und Eichenwaldungen
'''cchseln mit riesenstämmigen Nadelgehölzen ab, und Auerochsen
Urid Elche erinnern an die Zeit der gefahrvolleren Jagd mit
^urfspeer uncl Jagdmesser. Diese letzten Nachkommen einer
^Örpermächtigeren Fauna sind es denn auch, die zunächst
riese’s Künstlerphantasie beschäftigten. Seine „Auerochsen
l|u Kampfe“ bildeten eine Hauptzierde der Berliner Jubiläums-
Ausstellung und ihnen verdankt er hauptsächlich die ihm dort
§e\vordene Auszeichnung. Mit besonderer Vorliebe hat sich

der Künstler der Schilderung des Elchwildes zugewandt. In
seinern letzten Zufluchtsort, im Revier Ibenhorst (Kreis Gum-
binnen), hat er es aufgesucht und in den verschiedensten Lebens-
äusserungen dargestellt. Es sind vorwiegend dramatische
Scenen, in denen er den Elchhirsch vorführt, im Karnpf mit dem
Nebenbuhler, tiber den Niedergestreckten triumphirend, mit
seinern Rudel im Winter der spärlichen Nahrung nachziehend.
Unter dem sonstigen jagdbaren Wild der Heimath erfreut sich
höchstens noch der Edelhirsch der Beachtung des Künstlers.

Richard Friese’s Begabung weist auf das Heroische im
Thierleben, auf die Bethätigung der Vollkraft in Kampf- und
Beutezügen hin. Wir kennen keinen zweiten Küilstler, der die
animalische Seele des Löwen und des Tigers trotz spät gewon-
nener eigener Anschauung so begriffen und in der Darstellung
erschöpft hätte. Der durch die Poesie verklärte König der Vier-
füssler ist ihm zunächst der Felis Leo, das katzenartige,
blutgierige Raubthier, das sich duckt und schleicht, bis es
mit einem mächtigen Satze seine Beute packt. Seine „eine Ka-
ravane beschleichenden Löwen“ in der Dresdener Galerie sind
grandios in der Wirkung, eine naturalistische Thierepopöe ersten
Ranges: Flach auf dem Bauche, die Pranken an die Weichen geschmiegt,
kriechen Löwe und Löwin das Steingeröll des Abhanges hinab und
spähen in die Wüste hinaus, durch deren Sandflächen eine Karavane lang-
sam dahinzieht. Wehe den Nachzüglern! Was der Löwe in der afrika-
nischen Wüste, das ist der Tiger in den asiatischen Dschungeln. Verleiht
dem Löwen die mächtige Mähne etwas Königliches, so überwiegt in dem
schmiegsamen Leibe des Tigers das Katzenartige. Das Heranschleichen
des Löwen erscheint wie ein durch die Umstände erzwungenes, dem Tiger
ist es eigenthümlich, angeboren, durch den natürlichen Charakter bedingt.
Richard Friese hat Löwen-Portraits gemalt, mag er sie nun als „Mohamed“
oder als „Alter vom Berge“ bezeichnen, ein Tigerbildniss ist beinahe un-
möglich, weil das Individuelle unter dem typisch Katzenartigen verschwindet.

Besondere Anerkennung verdient des Künstlers malerische Auffassung,
die das Wesentliche vom Unwesentlichen zu scheiden weiss. Die Land-
schaften, in denen sich seine animalischen Dramen abspielen, sind wahre
Muster einer freien, frisch zugreifenden, das Charakteristische treffsicher
festhaltenden Anschauung. Mit breiten Strichen, beinahe decorativ hin-
gemalt, wirken sie stets wie die Natur selbst, obwohl sie eigentlich nur die
Quintessenz des Gesehenen geben. Richard Friese legt seine meist in
grossem Format gehaltenen Bilder cartonartig mit der Kohle an, daher
die natürliche Anordnung des Nebensächlichen, das starke Betonen des
Bedeutungsvollen. Auf Grund der Naturskizze ist das Ganze in grossen
Umrissen festgehalten, jede Aengstlichkeit der Detaillirung wird ver-
mieden, das Bild wirkt decorativ und naturwahr zugleich.

Löwen-Portrait.
Originalzeichnung von
R. Friese.

IX. 11. III.
 
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