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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [4]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0150

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MODERNE KUNST.

Ind w ,

I va,H'end er zum Tische zurückrannte, schleuderte seine Hand etwas
(n Schmales. Weisses unter das alte Ledersopha, den abgelegten

Ummikragen.

°der

hat

nBis der Schwindler dazwischen kam!“ schrie er. „Ja, der Schwindler!

Ist er's vielleicht nicht, der Herr Amtsrichter Martius? Hat er uns
auf die perfideste Art und Weise hintergangen? Als reichen Herrn

*1$

ei sich aufgespielt, als mehrfachen Millionär, als Commerzienrathssohn,

Erbe

^ — uc eines Grossindustriellen, eines Nabobs! Und was steckte in
s ilrheit dahinter? — Kaum habe ich ihm meine Tochter zur Frau gegeben,
j,i|[ ,1' ach |t der Papa Nabob Bankerott, und der andere Papa, der dumme,
. niiithige Papa Landmensch soll in die Bresche springen und dem Papa
en wieder auf die Beine helfen! — Haha, pfeifen! Selbst wenn ieh's

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friedigen? Würde er sich, als es nicht völlig. ausreichte, für den Rest der
Schuld verbürgt haben?“

Er war unter ihrem Blick zurückgewichen bis in die dunkle Ecke am
Büchergestell. Und seine Stimme klang nun seltsam dumpf zu ihr herüber.

„Das hat er gethan?“

„Das hat er gethan! Und daher rührt auch das Missverständniss
zwischen Dir und ihm. Als er sich verbürgt hatte, kam er vertrauensvoll
zu Dir und bat Dich um das Geld. Zehntausend Mark waren es. Er
wollte es Dir in Raten von seinem Gehalt zurückzahlen. Es würde ihm
so leichter geworden sein, wie jetzt, wo er noch hohe Procente geben
muss. Du aber hörtest ihn gar nicht an. Du schlugst es ihm rundweg
ab und beleidigtest ihn noch dazu. Er ist Richter, Papa, und Richter . . .“

k°nrit hätte ich's nicht gethan! So dumrn war ich denn doch

» ’ dass ich auf eine so plumpe Speculation hereinfiel! Jawohl, Frau

. sr,chter, eine Speculation war’s von dem Herrn Gemahl, nichts als
Ujo . ,,

ratfinirte, erbärmliche Speculation!“

jj, ^ 1' starrte sie wild an mit dunkelgeröthetem Gesicht und geballten
(‘ii Und seine Augen glühten. Durch Otti’s schlanke Gestalt ging

t,. 'Eucken, dann drehte sie sich wortlos um und tastete nach der Thür-
e- Mit einem Satz war er bei ihr.

”Was soll das heissen, Mädel? Wo willst Du hin?“

[. ^ ie richtete ihre grossen, traurigen Augen voll auf ihn, und ihre
lppetl bebten.

|j ” iu beleidigst ihn und ich — ich bin seine Frau! Ich kenne ihn
l1(i. (' 1 > als Du. Keine Spur von Eigennutz ist in ihm. Als er mich
V0), athet e, geschah’s nicht aus dem hässlichen Gedanken, den Du ihm
a]i . 11 Würde er sonst sein ganzes mütterliches Vermögen, das ihm
Sehörte, geopfert haben, um die Gläubiger seines Vaters zu be-

„Na jä, der Juristentik!“

Er hat es unsicher spöttelnd herausgestossen. Sie hörte nicht auf
ihn. Sie starrte nun geradeaus in’s Leere, als ob sie dort von der ver-
räucherten Wand ihre Worte abläse und aus den verwischten Figuren
der Tapete ihren Muth schöpfte.

„Und dann riefst Du mich zu Euch herein und verlangtest — oh, Papa,
was Du von mir verlangtest! Ich sollte von ihm gehen, nun, da er sein
Vermögen verloren, da er unglücklich war! Konntest Du das von mir
erwarten? — Und da ich es nicht that, da ich bei ihm bleiben wollte, da
verbotest Du uns Dein Haus!“

Sie drückte ihre Hände fest auf ihr Herz, um das Schluchzen zu er-
sticken, das heiss in ihr heraufquoll. Herr von Rocholl lehnte regungslos
am Büchergestell, nur seine Hand tastete mechanisch über den verrosteten
Sporn und die Anleitung zur Verbesserung der Schafzucht. Und eine
kleine Weile herrschte Stille im Zimmer. Dann kam es dumpf grollend
aus der dunklen Ecke.
 
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