Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Artikel:
Malkowsky, Georg: Laurens Alma-Tadema
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0398

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

309

Alma-Tadema. Bei einem Kunsthändler in Rom.

entgegenkommt. Man hat dem Künstler das Etikette des Marmormalers
angeheftet, weil er die spiegelnde Fläche dieses vornehmen Materials gern
und häufig darstellt. Das ist ein Unrecht. Alma-Tadema ist einer der
feinsinnigsten Coloristen. Er geht jeder Dissonanz der Farbe, jedem aus
der Harmonie herausgellenden Localton ängstlich aus dem Wege. Wenn
er bisweilen an die porzellanige Glätte eines Decadence-Malers, wie Adriaen
van der Werff, erinnert, so liegt das eben an dem Umstande, aus dem
man ihm einen technischen Vorwurf machen möchte, an einer Stoffwahl,
die ihn stets von neuem auf antike Interieurs mit Marmorsäulen, Marmor-
stufen und Marmorwänden hinweist. Ueber dem spiegelnden Treppen-
absatz in der „Audienz bei Agrippa“ liegt ein Tigerfell und unterbricht die
weisse, schimmernde Fläche. Die fein getönten Wollstoffe der Römischen
Toga und des Pallium heben sich mild leuchtend von dem geäderten
edlen Stein ab, und über dem Ganzen ruht ein gleichmässig vertheiltes,
vornehmes Licht, das all’ die harmonischen Farbenverbindungen in sich
aufnimmt und lind umstrahlt. Hat man, wie in der Gesammtausstellung
in der Grosvenor-Galerie in London im Jahre 1883, eine grosse Anzahl
der Werke Alma-Tadema’s vor Augen, so wirkt sein vervielfältigtes Schaffen
erkältend, leise ermüdend. Aber auf solch’ eine Massenschau sind des
Künstlers Gemälde nicht berechnet. Intim in Stoffwahl und Ausführung,
verlangen sie auch intime Hängeräume, wohnliche Salons, in denen man
die Kunst geniesst wie das flüchtige Bouquet eines besonders edlen Weines.

Weise Selbstbescheidung liegt auch in dem von Alma-Tadema bevor-
zugten Format. Unter seinen zahlreichen Werken dürfte sich neben dem
1878 gemalten, die Venus Esquilina in die nackte Wirklichkeit übersetzen-
den „Modell“ kaum ein zweites finden, das an die Lebensgrösse heran-
reicht. Selbst in seinen Bildnissen beschränkt sich der Künstler auf eine
mässige Fläche, auf der er die Portraitähnlichkeit, wie in dem Bilde Ludwig
Barnay’s als Marcus Antonius, meisterhaft concentrirt. Alma-Tadema ist
kein Bildnissmaler allerersten Ranges. Ihm genügt für die Darstellung
des Menschen nicht der Kopf, er bedarf auch hier des Milieus, der Kleidung,
der Pose. Ihm wird das Portrait zum Genrebilde. Alma-Tademas Gemälde
sind jenseits des Canals, im Lande der vorwiegend classischen Bildung,
ausserordentlich gesucht, auf dem Continent bewundert man sein technisches
Können ohne sich für seine Motive in gleichem Maasse zu erwärmen.

" elkenden Blumen. Sie sind nicht die Antike selbst, sondern ein künst-

Ji ’

' cker Extract aus ihrem vielfach zusammengesetzten Wesen.

In Alma-Tadema’s Stoffwahl offenbart sich ein seltenes Feingefühl für
^* e Grenzen seines Könnens. An der grossen Historie, an dem be-
Staubigten, ausdrucksvollen und folgenschweren Ereigniss geht er absichtlich
v°rüber. Er zeigt uns, wie die Griechen und Römer lebten, nicht wie sie
^ndelten. Der Zustand, nicht das Geschehen bildet das immer wieder-
ekrende Motiv seiner Bilder. Man sieht seine Gemälde an, wie man
Ltime, die Zeitsitte schildernde Memoiren liest. Da verflüchtigt sich die
^andlung zu einer Situation, man lernt die historische Persönlichkeit,
’ VeUn eine solche irn Mittelpunkte der Schilderung steht, im Hauskleide
^ ennen. Tarquinius Superbus und Catilina verlieren ihre von Herrsch-
sUcht ünd Ehrgeiz durchfurchten Züge und Antonius und Cleopatra werden
2l1 Pracht liebenden Gastgebern, die das Streben nach der Weltherrschaft
" eer Wein und Liebe vergessen. Wenn die Senatoren Audienz haben
ei dem allmächtigen Agrippa, so schreiten sie in stattlicher Echtheit in
l J|Jrpurgesäumter Toga die Marmorstufen herab. Die Sclaven und Frei-
^assenen verbeugen sich tief vor ihren vornehmen Genossen in der
^üechtschaft. Ganz so hat es in dem Antichambre des Cäsarengünstlings
" Usgesehen, aber man erfährt mehr von der äusseren Hülle, als von dem
'Utteren Kern der Zeit. Der Charakter verbirgt sich hinter dem Costüm.

Am gelungensten sind die Werke des Künstlers, die überhaupt keine
^üzelhandlung schildern, sondern eine typische Scene, wie das „Versteck-
sPiel“, der „Blumenmarkt“, „Auf den Stufen des Capitols“, „Bei einem
^Unsthändler“, „In der Sculpturengalerie“, „Das Fest derPomona“, „Eine
erzliche Begrüssung“ u. s. w. Hier ist das historische Genre mit einem
"Usagbar feinen Nachempfinden gepflegt, das keinen Zweifel an der Echtheit
"Ufkommen lässt. Haben die römischen Jungfrauen und Matronen wirk-
^ ch so ausgesehen? Das ist eine Professorenfrage, die den geniessenden
^ eschauer garnicht interessirt, er empfindet die künstlerische Wahrschein-
lchkeit und kümmert sich nicht mehr um die archäologisch zu reconstruirende
^ahrheit.

Die Technik Alma-Tadema’s zeugt von einem scheinbar mühelosen
^ffinement, das den Wünschen des verwöhntesten Ivunstgeniesslings höflich

Alma-Tadema. Bei einem Bilderliändler in Rom.

IX. 20. III.
 
Annotationen