Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Artikel:
Schumacher, Heinrich Vollrat: Das Hungerloos, [10]: humoristischer Roman
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0254

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
164

MODERNE KUNST.

Sie stiess den Ton pfeifend heraus und hieb mit der Hand durch die Luft.

„Um Gotteswillen“, schrie Mia entsetzt, „Du willst ihn docli nicht
wirklich . . . mit dem Rohrstock . .?“

Leo wandte sich nicht. Sie erwjederte auch nichts. Sie tastete nur
heftig an ihrem Kleide herum.

„Zum Henker“, rief sie endlich zornig, „ich finde die Tasche wieder
nicht! Hol’ mir das Taschentuch heraus! Ich muss was in der Hand
haben, sonst —“ Und dann, als Mia es heraus geholt hatte, warf sie sich
plötzlich wieder in den Plüschsessel, bedeckte mit dem Taschentuch ihr
Gesicht und brach in ein furchtbares Gelächter aus.

Mia eilte erschreckt zu ihr hin und kniete vor ihr nieder.

„Oh Gott, Leo, was ist Dir? Du bist so . . Du lachst so . .

Leo liess lachend das Taschentuch fallen, und Mia sah, dass ihr helle
Thränen über die Wangen rannen.

„So wird’s sein!“ murmelte sie fast erstickend. „Er wird da knien,
wo Du kniest, und wird um Liebe winseln, wie Du winselst, und ich . .
ich werde lachen . . lachen . . lachen . . .“

Sie hörte plötzlich auf und fuhr in die Höhe.

Mit einem Schlage war ihr Gesicht wieder so finster, wie vorhin. Sie
lief zum Fenster, aber sie konnte den Wagen niclit mehr sehen, der eben
vorübergefahren war und nun an der Treppe hielt. Gleich darauf tönte
Herrn von Rocholl’s Stimme herein. Er stellte Frau Amalie Herrn Anton
Wichers vor.

„Sie sind's!“ stiess Mia heraus und wollte aus dem Zimmer eilen.
Leo hielt sie zurück.

„Warte noch! Beinahe hätte ich die Hauptsache vergessen! Bring'
mir schnell ein paar Birnen, von denen, die ich neulich gepflückt liabe!“

Mia sah erstaunt auf.

„Birnen?“

„Ja, ja; auf dem neuen, silbernen Präsentirteller! Die alten Völker
trugen den Königen, ihren Besiegern, Brot und Salz entgegen. Herr

jrjne

Anton Wichers ist ein moderner König, ein König des •Mammons.
saftige Birne wird ihm lieber sein; es ist auch vornehmer!“

Ihre Augen blitzten dabei und ihre Lippen zuckten. Eine Minute sp un
sass sie steif aufrecht im Plüschsessel, drehte der Corridorthür majestäti
den Rticken und hielt den Präsentirteller mit den drei Birnen in der Ha n<^
Bis die Stimme ihres Vaters hinter ihr laut wurde.

„Ah, Leo! Das ist schön, dass Du hier bist! Da kann ich Sie g‘ e* L
mit ihr bekannt machen, verehrter Freund. Herr Anton Wichers —• I,ie,n
Tochter Leonore!“

Leo war aufgestanden und liatte eine tiefe Verbeugung gemacht 11,1
ziichtig gesenkten Augen. Nun erhob sie dieselben ein wenig, biszu^ 1"
Monocle in der Hand des vor ihr Stehenden und gleichzeitig hob sie a uC
den Präsentirteller mit den drei Birnen. Und ein spitzes, boshaftes Läch c'"
spielte um ihre Lippen.

„Eine gefällig? Sie kennen die Sorte ja wohl schon. Sehr sat 11?'
nicht wahr?“

Das Monocle verschwand nach oben und eine Stimme sprach, c 1,,L
Stimme —

„Reizend! So ländlich, so sans gene! Sie glauben nicht, verehi'h 1
Herr Baron, wie das erquickt nach dem ewig Hautgout!“

Leo fuhr zurück und ihre Augen schnellten zu seinem Gesicht emp cl'
Er starrte sie siegerisch durch das Monocle an und seine Rechte g 1' 1
nach einer Birne; in die leere Luft.

Denn die drei Birnen lagen nun unten auf dem neuen SmyrnateppHl 1
und der neue silberne Präsentirteller lag daneben, und das Fräulein v° rl
Rocholl rannte durch den Corridor draussen und lachte . . . lachte . • •

Seltsamerweise klang's gar nicht mehr so, wie vorhin, so nach de nl
spanischen Rohrstock.

Nachdem Herr von Rocholl den Gast in das Fremdenzimmer gefüh 1' 1-
hatte, ging er, die Mittagstafel zu revidiren und den Rheinwein zum Lach s

Corps-Kneipe der Heidelberger Westphalen.
 
Annotationen