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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Raeder, Alwill: Johanna Jachmann-Wagner: mit Portrait nach einer Photographie von Hch. Graf, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0176

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82

MODERNE KUNST.

Robert Weihe. Blaumeise und Kohlmeise.

in der Mitte der zwanziger Jahre, eine edle hohe, plastische Erscheinung
lichten germanischen Charakters. Partien wie Donna Anna mochte sie
dem vollen Stimmumfange nach vielleicht nicht frei genug beherrschen;
ihr physisches und geistiges Können deckte sich aber in der Fides bis
zur Vollendung. Dem künstlerisch vornehmen Stile ihres tief empfundenen
Vortrags im Gesange entsprach die plastische Dramatik ihres Spiels, die
Energie ihres Ausdrucks, das Wahre, Ergreifende ihrer leidenschaftlichen
Bewegung. Jede ihrer weiteren Partien bildete eine künstlerische Offen-
barung auf musikalisch-dramatischem Felde: Bellini’s „Romeo“, Gluck’s
„Klytemnestra“ und „Orpheus“, Statira in Spontini’s „Olgaxia“, Sextus in
„Titus“, Eglantina (Euryante), Idamantes (Idomeneus), Elisabeth und Ortrud
in Wagner’s „Tannhäuser“ und „Lohengrin“, Lucrezia Borgia, Tancred in
Rossini’s „Tancred“, die lediglich durch die Darstellung der Künstlerin
damals angreifend wirkte, Acuzena im „Troubadour“, Lachner’s „Catharina
Cornaro, die Königin von Cypern“, Brunhild in Dorn’s „Nibelungen-Oper“,
Lady Macbeth in der Taubert’schen „Shakespeare-Oper“. Die ernste
Kunst, das Tragische und Erhabene war die eigentlich'e Domaine ihres
grossen Könnens. Allerdings gab es auch heitere und sogar heiter-moderne
Schöpfungen, welchen die Opernfreunde ein freundliches Andenken be-
wahren. Dazu gehörte namentlich die „Baronin“ in Lortzing’s „Wildschütz“,
und von der classischen Antike durch die Welt der Romantik und Re-
naissance hindurch bis zur geistvollen Modernität füllte sich das Repertoir
der schaffensfrohen Künstlerin mit lebendigen Gestalten.

Herr von Hülsen hatte bald nach Antritt der General-Intendantur der
Königlichen Schauspiele den etwas engherzigen Contract, welchen sein
Vorgänger der Sängerin bewilligt, in einen 10jährigen mit Pensions-
berechtigung verwandelt, und damit bei dem Hofe das regste Entgegen-
kommen gefunden. Das glänzende Talent sollte der Oper in Berlin so
lange als möglich erhalten bleiben. Andererseits musste im Schauspiel
nach einem jüngeren Ersatze für den Fall gesorgt werden, dass die Kraft
der genialen Crelinger zu erlahmen drohte. Man brauchte nicht lange
zu suchen. Das contractliche Engagements-Dezennium war noch nicht
verflossen, als in Johanna Wagner der Entschluss reifte, das gesangliche
Gebiet aufzugeben und auf den künstlerischen Pfaden der von ihr be-

wunderten Collegin weiter zu wandeln. Johanna Wagner hätte viell el

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noch länger der Oper ihre Kraft geliehen; aber ihr Ehrgeiz liess
zu, dass der Nimbus ihrer Gestaltungen in irgend einem Punkte
blassen sollte.

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riosen Auszeichnungen der grössten dramatischen Sängerin der deuts ^

„Fides“ bildete 1861 im Opernhause den Abschiedsabend untef

Oper nach der Schröder-Devrient, Goethe’s herrliche „Iphigenie
die Antrittsrolle der Schauspielerin am Schillerplatz. Wohl mögen

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Jachmann-Wagner anfänglich manche Gewohnheiten der langjäm »
Sängerin unwillkürlich im Schauspielhause noch entschlüpft sein, ^
Energie, ihr feines und stets auf höchste Ziele gerichtetes ideales E- Ul1^

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gefühl aber klärte und förderte das weitere Schaffen in kürzester Frisb
so zeitigten die nächsten Jahre noch eine lange Reihe goldener Frü c

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Auch hier lagen die nachhaltigsten Wirkungen, welche die höchste
wunderung ihres Genies wachriefen, auf dem Gebiete stilvoller
und königlicher Erhabenheit. Isabella in der „Braut von Messina“, Eh sil „
in „Maria Stuart“, Lady in „Macbeth“, Brunhild in Hebbel’s „NibeluuS c
Königin Mathilde in Michel Baer’s „Struensee“, im Ausgange ihres W> Cv ^
noch die „Phädra“ in dem melodramatischen Bühnengedicht des P 1* 11 j
Georg v/aren weibliche Charaktergebilde vom höchsten künstlerischen

Bisher wurde liier nur die glanzvolle Zeit der Berliner Darstell lll1c’ ,
unserer Künstlerin berührt, deren Werdeprocess natürlich auch LetU'

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Wanderjahre aufweist.

Der Bruder Richard Wagner’s, Albert Wagner, Tenorist ( SP

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Regisseur der königlichen Oper in Berlin) und dessen Gattm, e

Rhein und namentlich in Mannheim seiner Zeit gefeierte Sängerm
Gollmann, waren Johanna’s Eltern. Heimath und GeburtsdaturB

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zeichnen die Biographen jene als „Im Hannöverschen“ und dieses 11111 ^
13. October 1828. Vermuthlich liegt aber das Geburtsjahr noch uiu ^
2 Jahre zurück. Die Eltern hatten in Augsburg Engagement geno ^ ^
und wandten sich 1831 nach Würzburg, wo sie mit kurzer Unterbi eC ^
durch ein Engagement in Amsterdam ziemlich 10 Jahre domicilu tel1
Würzburg verbrachte Johanna ihre Kindheit. ^(e{i

Für Kinderrollen war Johanna die lieblichste Vertreterin. Mit 5 J D
 
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