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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Zobeltitz, Fedor von: Weihnachten bei den Pyramiden: Tagebuchblätter einer Zwanzigjährigen
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0193

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MODERNE KUNST.


kann, aber die heulenden Derwische habe ich nicht lange ansehen können.
Das sind schrecldiche Menschen; ihr Gebrüll und ihre Bewegungen setzen
das ganze Nervensystem in Aufruhr. Komische Art, zu beten! Max wollte
bleiben, bis sie melbüs wurden, d. h. in Extase geriethen, aber ich ant-
wortete, es wäre mir ganz gleich, ob sie melbüs würden oder nicht •—;
ich wollte nach Hause. Unser Führer schlug uns vor, uns auch noch
andere Derwische zu zeigen, z. B. solche, die Glas ässen und Gift tränken
und sich Messer in den Leib bohrten, worauf Max sehr neugierig war,
doch ich blieb fest. Ich finde es unerhört, dass die Polizei Glasnahrung
erlaubt. Das ist doch ungesund. Hier unten ist freilich alles möglich.
Der Engländer an der Table d’höte hat sich vorgestellt. Er heisst Mr.
Kneebs und reist zum Vergnügen. Ein sehr liebenswürdiger und gebildeter
junger Mann. Ich muss mir morgen eine neue Brennscheere kaufen, meine
ist entzwei. Trinkgeld wird hier Bakschisch genannt, und alle Leute nehmen
es, selbst die Obersteuercontrolleure.

Halt in der Wüste.
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Originalzeichnung von Charles Wilda.

9. December. — Das ist eine
sehr komische Sitte, dass man beim
Betreten der grossen Moscheen
die Stiefel ausziehen muss. Man
kann sich dabei zu Tode erkälten,

wenn man dünne Strümpfe anhat. Wir waren gestern mit Mr. t

in der Moschee Saläheddin Jüsuf (welch’ herrlicher Name! warum h elS
mein Mann Max Mayer und nicht auch so schön!) und da war eS
doch höchst unangenehm, dass ich mich entschuhen sollte. Mr. K° e ^
stand nämlich daneben. Meinem Mann schien es schnuppe zu sein, a
Mr. Kneebs benahm sich ritterlicher. Er verschaffte mir ein paar % ^
schuhe, in denen i'ch herumrutschen konnte, was ich denn auch
Mr. Kneebs hat sehr schöne Augen.

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10. December. — Heute Mittag stritt sich Mr. Kneebs mit m el1

Mann um den Werth der Lebensversicherungen herum, was sehr

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weilig war. Nach Tische gingen wir unter die Buden des Chän - ,

des grössten Bazars Kairo's. Max betheiligte sich an einer Auction
erhielt gegen seinen Willen eine alte Pumphose zugeschlagen, die er
theuer bezahlen musste. Mr. Kneebs kaufte dagegen ein prächtiges Seid e „

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tuch, das er mir mit einigen galanten Worten verehrte. Mein Mann
hauptete natürlich, es sei gar keine orientalische Waare, sondern

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komme in Massen aus Chemnitz in Sachsen, was ich der Liebenswui
keit des Mr. Kneebs gegenüber recht komisch fand. Abends trafenB llc
von zu Hause ein. Ich muss mir neue Stiefel kaufen; in den dicksom e ^
Reisestiefeln habe ich so grosse Füsse. Das Essen im Hötel ist recht 0 ^
Abends trinken wir häufig noch ein Glas Pschorrbräu bei Böhr. Mr. K ne
schwärmt für kleine Füsse.
 
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