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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Löwinsohn, Eugen: Die Diva und ihr Haus
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0243

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MODERNE KUNST.

153

llUti die ist ia freilich sehr schön, ein wahres Schmuckkästchen; die hat mir der
aron Hasenauer zum Dank dafür, dass ich seine Tochter unterrichtet habe, so
' vUnderschön hergerichtet. So klein sie ist. haben doch schon zwanzig Personen
?llgleich darauf gewirkt. Und, sehen Sie, da ist ausser dem Theatervorhang
1'°ch ein grüner Vorhang, der rechts und links aus der Wand hervorkommt.
^ er mit der Farbe der iibrigen Wände vollständig iibereinstimmt. Wenn der
* ugezogen ist, dann merkt Niemand mehr etwas von einer Bühne oder von
e'Ueni Theater, und ich hab' einfach ein Zimmer mehr. Der Raum in der Villa
lst eben sehr beschränkt und ich muss mir helfen wie ich kann.“

„Und sind Frau Baronin sehr angestrengt?“

„Aber schrecklich! Ich kann's nicht bewältigen. Im vorigen Sommer bin
lch während des Unterrichts zweimal in Ohnmacht gefallen. Ich muss die Sache
' vieder einschränken.“

„Und dabei werden Sie doch gewiss nicht alle Schülerinnen nehmen, die
s'ch melden.“

„Aber gar keine Idee! Von zweiundsiebenzig. die sich gemeldet haben,
i'abe ich jetzt drei genommen,“ sprudelt es mit äusserster Lebhaftigkeit von den
Sangesfreudigen Lippen. „lch bin nicht so, dass ich Jeder etwa einrede, sie
^önne Sängerin werden, wenn ich auch sofort merke, dass sie keine Spur von
^tirnme besitzt. Und das merke ich auf der Stelle, ob aus einer Stimme 'was
?U machen ist oder nicht. Und warum! Weil ich seit meinem fünfzehnten
Jahre selbst gesungen und immerfort singen gehört habe. Und dann — warum
«oU ich mich auch so plagen! Meine Schülerinnen, die aus dem Gesang einen
^eruf machen wollen, die zahlen ja nichts; ich hab’ ein paar reiche Dilettantinnen,
<üe miissen das Ganze bezahlen. Und ich selbst will ja nichts dabei verdienen,
lch wollte nur was zu thun haben. Aber nun war mir’s schon zu viel. Wenn
,ch gewusst hätte, dass ich mir einen eigenen Theatersaal und Biihne würde
herrichten lassen müssen, wirklich, ich hätte erst garnicht angefangen. Aber
''’enn Sie zu den Mädchen sagen; das hier ist ein Blumenstrauss“ — dabei be-
1’ührt ihre Hand einen in der Nähe stehenden Tisch — „so können sie sich das
Uiclit vorstellen. Und es ist auch garnicht zu verlangcn! Also musste die Btihne
hergerichtet werden, damit die Schülerinnen wirklich Alles, wie es ist, vor sich
sehen können. Und nun komme ich zu nichts Anderem. Neulich hat man hier
v°n der Akademie — Sie wissen, wo frühcr Hellmerberger an der Spitze stand
zu mir gesagt: Sie könnten uns eigentlich den Glanz Ihres Namens hergeben,
Um den Ruf und den Ruhm der Wiener Musikakademie wieder etwas aufzu-
lrischen! Nein! hab' ich gesagt, denn erstens sind bei Euch Geschichten, die

*ch nicht mitmache, und dann-*

„Was sind das für Geschichten, wenn ich fragen darf?“

„Also z. B. ist es dort Vorschrift, dass keine Schülerin zum Examen zu-
Selassen wird, wenn sie nicht in allen Fächern besteht. Das finde ich sehr
Verkehrt und dazu gebe ich mich nicht her. Dem Publikum ist es ganz gleich-
Sültig, ob sich Eine selbst begleitet oder begleiten Iässt. Was geht mich ihr
^lavierspiel an, wenn sie was singen kann! Also ich für meine Person habe

abgelehnt. Aber, hab' ich gesagt, wenn Ihr wollt, will ich Euch meinen Unterlehrer
geben, Herrn PhilipForsten, in pädagogischer Hinsicht ein sehr brauchbarerMensch,
der früher mein Schüler war, der meine Intentionen kennt und in meinem Geiste
unterrichtet. Der ist also jetzt am Conservatorium und, wie ich höre, ist man
sehr zufrieden mit ihm. Passen Sie auf, unter Fuchs wird sich das Conservatorium
überhaupt wieder bedeutend heben. Das ist der rechte Mann, der kann was
und weiss was und ist streng gewissenhaft!“

Hier wurde das Gespräch — sit venia verbo — durch das Eintreten der
Kammerfrau —- hoffentlich ist dies die richtige Titulatur — unterbrochen; ein
neuer Besucher war gekommen.

„Führen Sie den Herrn“, befahl die Baronin, nachdem sie den Namen, den
ich leider vergessen habe, gehört hatte, „in den zweiten Stock.“

Wir befanden uns nämlich im ersten. — Unci dann, als die Thür sich
wieder hinter der Dienerin oder Vertrauten — Genaues weiss ich, wie gesagt,
darüber nicht —- geschlossen hatte, fuhr die Dame des Hauses mit der ihr eigenen
Lebhaftigkeit fort:

„Das ist auch wieder wegen eines neuen Theaters!“

„Ach,“ sagte ich, „das neu projektirte Residenztheater auf der Land-
strasse?“

„Aber nein“, antwortete sie nicht ohne einen Anflug von Indignation. „Aus
dem wird ja nie ’was; das ist ja nur Zauber. Eine Oper soll’s werden“. Eine
Oper! wiederholt sie noch zweimal. „Die macht’s, nur eine Oper reüssirt!“

Ich fand es durchaus nicht sonderbar, dass eine so grosse Gesangskünstlerin
für die Einrichtung von neuen Opernhäusern schwärmt und nur ihnen allein eine
erfreuliche Zukunft in Aussicht stellt, und benützte die Gelegenheit, die nahe-
liegende Frage zu stellen:

„Wie stehen Sie eigentlich, Frau Baronin, der neueren Production gegen-
über?“ „Sie meinen den Italienern? Nun, Leoncavallo — Bajazzi — ä la bon-
heur — das lasse ich mir gefallen, das ist Musik. Aber Mascagni!“ — Und die
kleine, feine Gestalt streicht mit den Händen iiber die Stirn, als wollte sie sagen:
Den begreife ich nicht!

„Mascagni gefällt Ihnen nicht?“ frage ich erstaunt.

„Das ist keine Musik, das ist roh!“

„Das Intermezzo —“

„Ist roh, ich kann mir nicht helfen. Freund Fritz - ja das geht. Aber
Cavalleria —* und sie schüttelt energisch den Kopf.

„Und wie denken Frau Baronin über die anderen Italiener, über den mala
vita-Mann zum Beispiel?“

„Die hab' ich mjr erst gar nicht angehört! Ich bitt' Sie“ — und das Gesicht
der Sprecherin nimmt, während sie die Handflächen an die Schläfen presst, den
Ausdruck tiefsten Abscheu's an — „wozu soll denn all’ der Schmutz? Dazu
geht man doch nicht in’s Theater, um so etwas zu sehen! Dort will man sich
ja erholen und was Schönes sehen. Das Leben ist doch schon traurig genug,
und liefert Schmutz genug.“



IX. 10. III.

Die Einfahrt zur Villa Fernblick in Gmunden.
 
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