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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Trojan, Johannes: Eine Bismarck-Gemeinde
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0319

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228

MODERNE KUNST.

iiber schlechte Zeiten zu
klagen haben, sich auszu-
bilden pflegt. Wie geni
habe ich manches Mal
dies Gesicht des Küsters
Schneider gesehen, wenn
er dieTaufkanne und das
Becken in mein Haus dem
Herrn Pfarrer nachtrug;
denn es war früher oft
Taufe bei mir oder „Kin-
delbier“, wie sie in Meck-
lenburg sagen. Dass es
damit ein Ende genommen
hat, ist mir lieb, weil ich
kein fremdesKüstergesicht
mehr in meinern Hanse
sehen mag, unser guter
Schneider aber todt ist.

Scheibler, wie anders
als der Küster Schneider
berührst Du mich! Und
darf ich Dich immer noch
einfach „Scheibler“ und
„Du“ nennen, nachdent
Du so hoch auf der Hüh-
nerleiter der Ehren und
Würden emporgeklettert
bist! Du bist Doctor und
Professor, Du wurdest Ge-
heimer Regierungsrath,
nachdem Du das Pulver,
allerdings nur das rauch-
lose, erfunden hattest.
Nun, alles das sei Dir ver-
ziehen, da Du trotz alledem
Dir ein ehrliches und bie-
deres Herz erhalten hast.
Mögest Du es behalten,
auch wenn Du noch weiter
steigst und Dir etwa auch

Eine Bismarck-Huldigung in Friedrichsruh.
Originalzeichnung von K. Storch

noch das Prädikat „Excellenz“ beigelegt vvird. Wir werden

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doch Deiner wirklichen Verdienste wegen immerhin achten, "' ie _
auch der Künstler gethan hat, als er Dich auf sein Bild vcrs etZ ,
Allerdings legte er dabei einen besonderen Werth auf Dei 11 _ ,
auffällig ehrwürdiges Aussehen. O, wie oft triigt der Sch 6' 1
Bei Dir auch, Mimiker Schulz, der Du ein so treuer StarnnG'

bei Hausmann wie ein treues Mitglied unserer Bismarckgein el1' .

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warst, trog der Schein, aber er trog uns auf angenehme Weise. .
Du uns auch vermachtest init Deiner Kunst, wir behielten

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immer als den Menschen, dein jede Verstellung fern war. Dn ^
bist Du gestorben und bliebst uns erhalten in bestem Angeden _
Aucli das zarte Geschlecht musste natürlich auf We 1' 11

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Bismarckbild vertreten sein, und was Iag näher, als dass ei'

eigenes Töchterchen Eva darauf brachte. Von sich selbst n" 1’^

er doch absehen aus Bescheidenheit, dass er aber ein ,

seiner Familie, ein so anmuthiges und freundliches noch daZ u’ ,

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seine.r statt zur Begrüssung des Altreichskanzlers an OD
Stelle geschickt hat, ist ihnt wohl nicht zu verdenken.

Und nun ist noch ein Mann da. über den ich auch ü 1“ t
sagen kann, da er mir zu nahe steht. Er ist im Profil abg et?l' j)t
und sieht mir, wie ich bekennen muss, auffällig ähnlich. Iv „
Wunder! Drei Mal hat er bei Fritz Werner irn Atelier Mode* ^
standen und sich „auffassen“ lassen. Nun, er bekam z\var II1 ,
Geld dafiir, wie ein richtiges Modell es beansprucht, aber )t
ein gutes. Glas Wein und wurde freundlich behandelt.
schon Schlimmeres in dieser Beziehung durchgemacht.

Wir. die wir die Studien und Portraitskizzen zu dem W el .)V
schen Bismarckbilde darstellen, bilden keinen eigentlichen ^ <" 1 ;

Ein so hoher Festtag aber, wie es der erste April dieses 0

ist, führt uns unfehlbar wieder zusammen, und zwar

immer schon der „Bismarckcult“ getrieben worden ist, bei - .j,
rich Haussmann. Da wird am ersten April 1895, das vvei 5

ganz bestimmt, von denen, die das Bismarckbild vereinig 1 ^
weit sie noch am Leben sind — ein begeistertes Hoch deni Gi 1"
des Deutschen Reiches dargebracht werden.
 
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