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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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240

MODERNE KUNST.

den immer noch die Pfeife
dem Achtzigjährigen ge-
. währt. Als der greise
.Schloezer einer der Ge-
treüesten, zum letzten Be-
suche in Varzin weilte, da
liess er es sich nicht nehmen,
dem verehrten Meister den
Fidibus anzuzünden und dar-
zureichen. Der Cigarre hat
Fürst Bismarck entsagen
müssen, doch auf das Rau-
chen wollte er nicht ver-
zichten. Aber wie die Pfeife,
so hat auch die Cigarre
historische Bedeutsamkeit
erlangt. Wer kennt nicht die
Geschichte von der Cigarre,
die sich der junge Gesandte
in Frankfurt bei seinem Be-
suche beim Grafen
Thun, dem Ge-
sandten Oester-
reichs, gemüthsruhig
anzündete, als dieser
es versäumte, ihm
Stuhl und Cigarre
zu bieten? Am
22. März 1852 wurde
diese Episode in der
preussischen Kam-
'f' mer besprochen.

Wcr kennt nicht die
köstliche Art, wie
Bismarck, dem Beispiel des Präsi-
dialgesandten folgend, in den Sitzun-
gen seinen Tabak in Brand setzte
zum Entsetzen der Kleinstaaten,
deren Vertreter nun auch, ob
Raucher oder nicht, zum Glimm-

Pinnow, des Fürsten Pfeife stopfend.

stengel gnffen? Wer kennt mcht
die köstliche Erzählung Bismarck’s von den beiden Cigarren, die er auf dem
Schlachtfeld von Königgrätz noch besass, wie er die Tasche dem General von
Moltke bot und wie dieser „mit sicherem Feldherrnblick" die Havanna herauszog.
dem Spender aber die Pfälzer zurückliess!


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Im Frühjahr 1838 hat Otto von Bismarck als
Einjährig-Freiwilliger bei den Gardejägern in Potsdam
gedient, doch trat er nach dem ersten halben Jahre
zu dem in Greifswald stehenden Pommerschen Jäger-
bataillon über. Von jener Zeit oder doch von einem
der folgenden Jahre der Reserveübungen zeugt der
altväterische, ho’ne Helm. Aus seiner Dienstzeit in

Otto von Bismarck hatte schon frühzeitig Gelegcnheit, die ursprüngliche
Kraft und Klarheit seines Urtheils zu bekunden. Bekannt abcr und besondcrs
charakteristisch ist die originelle Art, in der er als
junger Referendar ein von ihm gcfordcrtes Gutachtcn
abfasste. Es handelte sich hierbei um die Abfindung
von Besitzern, deren Grundstücke wegen „projectirter,
öffentlicher Verbesserungsarbeiten“ dem Enteignungs-
verfahren unterworfen werden sollten. Der Herr
Referendar v. Bismarck in Potsdam bezeichnete es
in seinem Gutachten mit allem Nachdruck als eine
Ungerechtigkeit, wenn Eigenthümer durch ein solches
Zwangsverfahren zum Verluste ihres Eigenthums
genöthigt würden und schrieb wörtlich: „Wie soll
man diesem Schalksnarren von Zeitgeist, der heute
als langweiliger Philister mit Brille, Scbreibärmeln
und Pantoffeln daherschleicht, morgen als Junker-
dampf mit Höllenlärm über die Fluren braust, einen
Freipass geben durch alle Gefilde, dass er alle
Spuren lieber Erinnerungen unter seine Füsse trete?

— Nein, Sie können es mir gar nicht mit Geld
bezahlen, wenn Sie den Park meines Vaters in einen
Karpfenteich oder das Grab meiner seligen Tante in
einen Aalsumpf verwandeln.“

Fürst Bismarck
und Oberförster Lange-

Des Fürsten
Landwehrhelm und fj
stickte CürassierstiH e ’

Mächtige Buchenwaldungen umgeben das Schloss
Friedrichsruh, den Altensitz des greisen Helden. Er liebt
sie, die Bäume, das Rauschen der Blätter, das Flüstern
der Zweige; das Leben und Streben der Natur in ihrer
ganzen träumerischen Poesie versteht und empfindet seine
Künstlerseele. Wie einst seine Briefe aus Norwegen,
aus Südfrankreich und den Pyrenäen köstliche Zeichen
gemüthstiefen Eingehens und feinsinniger Beobachtung waren, so hat auch d e(
Kampfeslärm, der sein Leben erftillte, ihm nicht die Freude an dem Leben d er
Blume.n und Blüthen, die Liebe vor Allem zum Walde geraubt. Es hat i' 1"
tief traurig gestimmt, als vor wenigen Monaten der Sturm so manchen der aU e"
Bäume im Sachsenwalde niederbracn und als er mit seinem getreuen Obe r’
förster Lange die Stätte des Windbruchs betrat, da beklagte er mela n'
cholisch das Scheiden vertrauter Gefährten. Der gewaltige Mann, hausend 1
stolzer Einsamkeit irn uralten Walde, während in herrlicher Klarheit der Sonn en
untergang des Lebens sich naht — ein Bild von urgewaltiger, ergreifend eI"
Poesie, ein Bild, das uns mahnt an das Zauberdunkel der Siegfriedszeit.

Greifswald liegt noch das Zeugniss eines Studien-
und Waffengenossen vor: „Die vom Scheitel bis zur
Sohle vornehme Erscheinung war gleichsam von einem
unsichtbaren Kreise, einer schwer zu beschreibenden
geistigen Atmosphäre umgeben,
welche alle Elemente, die Herr
von Bismarck nicht selbst heran-
zog, oder denen er sich nicht
selbst freiwillig hingab, ohne einen
erkennbaren Zwang von sich fern
hielt und alles, was mit niedriger
Denkart oder hohler Selbstüber-
schätzung auch nur einen ent-
fernten Grad von Verwandt-
schaft verrieth, mit unverhohlenem
Widerwillen und mit Verachtung
von sich wies.“ Der Einjährige von Einst hat es auch
in seiner militärischen Laufbahn weit genug gebracht:
Heut’ ist er preussischer Generaloberst mit dem Rang
des Feldmarschalls!
 
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