Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Artikel:
Kirchbach, Wolfgang: Der Wein, [4]: Roman
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0379

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

289

''Väscherin aus der Umgegend von Homburg.

Lichtprobe durchmacht.
Bei Euch scheint eine
schöne Sudelei zu herr-
schen, und wenn gewisse
Sachen noch einmal vor-
kommen, so stehen wir zu-
sammen auf Matthäi am
letzten! Es sind bei Herrn
Desire Müller mehrfache
Klagen der Kunden laut
geworden, dass einzelne
Flaschen kleine Korkreste
enthaltenhaben, inanderen
etwas darin gewesen ist,
was den Wein zum Ab-
stehen und Kahnigwerden
gebracht hat. Herr Müller
hat alles notirt; es kann
an nichts anderem liegen,
als dass Ihr hier schlecht
gearbeitet habt. In einem
Weingeschäft muss man
reinlicher sein, als wie die
Engel im Himmel sind;
denn der Wein ist keine
Strassenpfütze, sondern
das empfindlichste aller
Gotteswesen und zart-
fühlender, als irgend ein
Frauenzimmer. Was hilft
es einen lauteren und
klaren Trank in den Fäs-
sern zu züchten, wenn die
Flasche die schönsten
Tropfen verdirbt? Eine
reine Flasche ist wie ein

fei;

it'l

■bes Gewissen und Ihr Spüler hier, Ihr seid das reine Gewissen der
n2en Handlung. Es ist Euer Glück, dass es nur einige Flaschen gewesen
llU, aber in einem soliden Geschäft darf so etwas überhaupt gar nicht

Olkommen.“

Der Aeltere der beiden Spüler, der mit etwas beleidigter Miene zu-
°rt hatte, erlaubte sich, zu entgegnen:

»Es kann doch auch beim Korken unten im Keller geschehen sein!
sehe hier jede Flasche durch und weiss auch nicht, warum immer

Seh

nl 1

es auf uns kommen soll! Der Ilerr Weinreisende kann sich ja selber
erzeugen wenn der Herr Weinreisende es so genau weiss, woran es

Rpi

legen hat!“

es

ent;

Herr Müller strich sich seinen Bart mit einer überlegenen Miene, hielt
lr|dessen nicht für angebracht, etwas auf den Einwand des Mannes zu
§ egnen. Er wusste, dass seine Heimkehr von der Reise für die übrigen

^gestellten des Geschäfts kein Freudentag war, denn irgend eine kleine
age der Kunden war bei einem so grossen Betriebe ja stets zu berichten
^esen. Herr Spurmann benutzte diesen Tag stets, um dann einen Rund-
°g durch’s. ganze Geschäft zu halten, unter der Zeugenschaft seines
Slen Reisenden eine Musterung zu veranstalten und die nöthigen Er-
Hungen und Abkanzelungen loszulassen, auf dass Jedermann von Neuem
seiner Pflicht bewusst werde.

Aus dem Spülraum traten sie hinaus auf den grossen Aufzug, der
ln die unteren Kellereien hinabliess, wo die Weissweine lagerten. Sie
verr langsam im Hause hinab unter der Führung des Kellermeisters.
s°llten zunächst die noch lagernden Vorräthe beaugenscheinigt werden,
2u sehen, ob man mehrere grosse Aufträge und Bestellungen zu liefern

«r

s>ch


^nk,

'fcs

S

s

^tande sein werde. Der Kellenneister leuchtete voran und es wurde
§rosse Kellerwölbung aufgethan, in welcher die leichteren Weine,
^ rVeslinge, lagerten. Grosse, mächtige Stückfässer, halbe Stücke und
^ Tiere Oxhofte lagerten hier in zwei Reihen bis an die Wölbung des
etr Kellers hinaufgethürmt. Der säuerliche Weindunst des Gewölbes,

untermischt mit einem Zusatz von Blume, kam ihnen entgegen. In ma-
jestätischer Ruhe lagerten die Fässer auf den untergelegten Längsbalken;
mit einem gewissen feierlichen Stolze bauchten sie sich nach beiden
Seiten in der Dunkelheit aus, als fühlten sie, welch’ edlen Saft und
Reichthum sie bewahrten. Da lag ein grosses Stückfass mit zwanzig Jahre
altem Wein; ganz hinten im Grunde der Wölbung aus der Finsterniss
drohte ein Koloss von noch älterer Lese und einige kleine Fässer be-
wahrten Weine, die noch vom Begriinder des Geschäfts herrührten, dem
Vater des Herrn Spurmann. Hinten in einer Nische lagerte sogar noch
ein halbes Oxhoft Elferwein, von der berühmten Ernt^ des Jahres 1811,
mehr als ein Erbstück und Gedenkstück, als zum schmackhaften Trunke
geeignet. An einigen Fässern steckten die Hähne; andere lagen noch in
der Entwicklung, um ihrem Höhepunkte entgegenzuruhen, wo der Wein
seine feinste Blume und sein zartestes inneres Leben entfaltete, ehe er
mit dem Alter wieder zurtickging, schwerer, öliger und blumenloser wurde.
Ein Küper war damit beschäftigt, ein Fass nachzufüllen, in dem der Wein
gezehrt hatte. Von dem einen der Fässer lief ein langer Schlauch durch
den ganzen Keller
in einen hinteren
Raum, in welchem
ein grosses Sammel-
fass stand, ein wohl-
gebautes Ungethüm,
welches die Weine
aus verschiedenen
Fässern aufnahm,
die etwa einen Feh-
ler bekommen woll-
ten und Ansatz zum
Erkranken zeigten.

Durch den Schlauch
rieselte der Wein
aus dem altenFasse
weg, damit er im
Sammelfass gesun-
den und auf ein an-
deres Fass gezogen
werdenkonnte. Denn
in den Spurmann’-

Feuerwerk im Homburger Kurgarten.

JX. 19. II.
 
Annotationen