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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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396

MODERNE KUNST.

lang blühen. Die Fülle von Farben und Diiften macht die Landschaft zu cinem
Paradiese. Die nebenstehende Abbildung veranschaulicht einen Rosenbusch von
35 Fuss Durchmesser auf dem Landgute des Herrn Rust in Pasadana im süd-
lichen Californien. ,:i.

Eine neue Kunst will Mr. A. Wallace Rimington demnächst in der St. James
Hall in, seiner „ Colour-Musik“ enthüllen. Bis zu dem heutigen Tage, so
äussert er sich, war die Farbe zum grossen Theil in der Natur und gänzlich in
der Kunst ohne Beweglichkeit und ständig mit der Form verbunden. Meine
Erfindung, glaube ich, überträgt auf die Farbe zum ersten Mal die drei grossen
Einflüsse der Zeit, des Rhythmus und unmittelbarer, wechselnder und fast
unbegrenzter Combination. Herr Rimington hofft also mit anderen Worten, das
menschliche Auge für Zeit, Rhythmus und Combination ebenso empfänglich zu
finden wie das menschliche Ohr. Der Mechanismus hierfür ist nach dem des
Klanges construirt, wobei die wissenschaftlich feststehende Analogie zwischen
dem Sonnenspectrum und der Octave als Grundlage genommen ist. Mittels
einer Claviatur werden Farbenmassen auf einen grossen Wandschirm geworfen,
wobei jede Note einen Punkt im Spectrum repräsentirt, wie die Note des Claviers
einen Punkt in der Octave darstellt. Auf diese Weise wird also bereits vor-
handene Ohrmusik in Farbe für das Auge übertragen werden können, schöne
Musik doppelten Genuss, schlechte Musik doppelte Qual erzeugen. Diese Ueber-
setzung, meint Herr Rimington, sei aber nur ein Nothbehelf, und er hoffe
durch besondere Compositionen für die „Augenmusik“ erheblich grössere
emotionelle Eindrücke zu erreichen. — Nun fehlt uns nur noch ein „Riech-
clavier“, dann wäre die Musik so ziemlich mit allen Sinnen in Beziehung gebracht.

Der neue Berliner Polizeipräsident, der nach dem Tode des Herrn
von Richthofen auf diesen Posten berufen wurde, hat eine äusserst schnelle
Carriere gemacht. Herr von Windheim ist
1857 geboren,, war Corpsbruder des Kaisers in
Bonn und kam auch während seiner Dienst-
zeit im 1. Garde-Regiment mit dem damaligen
Prinzen Wilhelm in vielfache Berührung. 1879
wurde er Referendar und 1884 Regierungs-
assessor; 1885 wurde ihm schon die Yertretung
des Königsberger Polizeipräsidenten und dann
1886 das Landrathsamt in Ragnit übertragen.

Nachdem er später in’s Ministerium berufen,
that er sich durch seine Gewandtheit bei der
Behandlung schwieriger Fragen sehr hervor,
wurde im April d. J. Polizeipräsident von Stettin
und hat jetzt den schwierigsten, aber auch ein-
flussreichsten Posten in der Reichshauptstadt
inne, denn die Stellung eines Polizeipräsidenten von Berlin ist der eines Regierungs-
präsidenten gleich.

PoHzeipräsident von Windheim.

Miss Helen Edith Green in London hatte schon von friihester Jugend an

Mittheilungen aus der Geisterwelt empfangen. Vor etwalO Jahren entdekte

sie eines Tages, dass der Geist

Beethovens über sie ge-

kommen sei und den Wunsch

geäussert habe, sich der Me-

diumschaft von Miss Green

zu bedienen, um seine Ge-

danken der Nachwelt mitzu-

theilen. Miss Green, die das

langweilige „Ich und Beetho-

ven“ durch das kürzere „Wir“

ersetzt, äusserte sich über

die Arbeitsmethode wie folgt:

Manches Mal haben wir so

fliessend und leicht zusam-

menarbeiten können, wie nur

denkbar, zu anderen Zeiten

aber blieben wir stecken und

kamen nur schneckenmässig

vorwärts. Und diese Ver-

besserungen und Aenderungen!

Sie. wissen, wie Beethoven

früher in dieser Beziehung

war. Er ist ganz der alte ge-

blieben, er ist wirklich gräss-

lich. So viel ist gewiss, die

erste Conceptiort wird immer

umgestossen. — Auf diese

Weise schrieb das junge _. „ ,r , t-

J ö Die drei Meisterschafts-Radfahrer von Europa.

Lurion. Präsent. Stumpf.


Das diesjährige Internationale Rad-Wettfahren in Halensee am
23. Juni zeichnete sich durch rege Betheiligung auswärtiger Fahrer und lebhaften
Besuch des Publikums aus. Es wurden drei Meisterschaften von Europa aus-
gefochten, deren erste Sieger wir heute den Lesern im Bilde vorführen. Die
Meisterschaft von Europa auf dem Hochrade über 10000 Meter errang P. Präsent-
Hamburg gegen 9 Mitbewerber in 18 Minuten 16 2/s Sekunden. An dem Meister-
schaftsrennen auf dem Niederrade, das in zwei Vorläufe über 2000 Meter und
einen Hauptlauf über 5000 Meter zerfiel, betheiligten sich sieben Fahrer von
theilweise recht bedeutendem Rufe wie Opel, Verheyen,
Heimann, Lurion. Der Letztgenannte, ein Wiener
Kämpe, siegte im Endspurt knapp in 9 Minuten 374/5 Se-
kunden. Einen ebenso interessanten Spurt bot das
dritte Rennen, die Meisterschaft von Europa auf dem
Dreirade über 5000 Meter, aus dem O. Stumpf-Berlin
in 9 Minuten 49 Sekunden gegen vier gefährliche Neben-
buhler als Erster hervorging.

Für fleissige Kinder in den Schulen Mexikos
ist es eine besondere Vergünstigung, dass sie während
des Unterrichts im Schulzimmer eine Cigarre rauchen
dürfen. Da kommt es denn auch wohl dann und wann
vor, dass der Lehrer der ganzen Klasse seine Zu-
friedenheit ausdrücken will und sämmtlichen Zöglingen
das Rauchen gestattet. Der Herr Lehrer behält natür-
lich als echter Mexikaner während der ganzen Unter-
richtsstunde eine seiner Würde angemessene grosse
Cigarre im Munde; vor ihm steht auf dem Katheder
ein Krug Pulque (Agavenwein), dessen alltäglich er-
neuerter Inhalt von den Eltern der Schüler bestritten
wird. Auch in den mexikanischen Gerichtssälen wird
fast stets geraucht und nicht selten kommt es vor, dass
ein schwerer Verbrecher auf der Anklagebank sitzt
und, mit echt spanischer Grandezza seine Cigarre
rauchend, dem Gerichtshofe seine Aussagen macht oder
das Urtheil entgegennimmt.

Medium „Beethovens zehnte Sinfonie in D“, desgleichen eine „Beethoven’sche
Violinsonate in C“. Um beide Werke und noch zu erwartende aufzuführen,
wurde eine „Musikalische Actiengesellschaft Green-Beethoven“ gegründet, die
dieser Tage in einern der ersten Concertsäle Londons, St. James-Hall, die erste
Aufführung veranstaltete. Beide „neuesten“ Werke haben schmählich Fiasko
gemacht; die Sonate, so schreibt ein objectiver Kritiker, ist noch schlechter als
die Sinfonie, wenn man bei der abgrundtiefen Schlechtigkeit der Green’schen
Compositionen überhaupt noch von Abstufungen reden darf.

Herrliche Boden-Speculation! Im Lande des Dollars werden jetzt
Circulare verbreitet, in denen es u. a. wörtlich heisst: „Guthrie, die Häuptstadt
von Oklahoma, ist eine schöne Stadt. Leute, welche eine gesellschaftliche Stellung
einnehmen und sich zeitweilig hier aufzuhalten wünschen, finden gleichgesinnte
Gesellschaft und können sich königlich amüsiren. Ehescheidungen sind mit
Leichtigkeit zu erlangen. Die gesetzlichen Gebühren sind mässig, und die bei
der Klage betheiligten Personen werden nicht weiter incommodirt. Ein Er-
scheinen vor Gericht ist nicht unbedingt nothwendig. Die Verhandlungen werden
in aller Stille geführt und der oder die Angeklagte braucht von den Vorgängen
gar nichts zu wissen. Es ist nicht nothwendig, dass ihnen überhaupt Vor-
ladungen zugestellt werden.“

Ein Rosenbusch in Californien.
 
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