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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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Conrad-Ramlo, Maria: Augen: Novellette
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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0493

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MODERNE KUNST.

4°y

„Du hast ein so schönes Gesicht.“ schmeichelte sie, er musste dann lächeln.

„Und das ist so hübsch von Dir, dass Du die Augen immer halb gesenkt
hast, und nicht wie andere Blinde die Augen so furchtbar aufreissest.“

„O, das ist hässlich, Du hast Recht. Das habe ich als Kind einmal ge-
sehen, bei einem blinden Bauern in unserem Dorf, und mich so sehr darüber
entsetzt. dass ich mir dachte. das werde ich gelegentlich jedenfalls bleiben lassen.
— O doch — doch! ich werde es thun, wenn Du mir einmal was Böses anthust,
da werde ich meine Augen aufreissen, weit, schrecklich, damit Du mich fürchtest.“

Er scherzte gern, das wusste sie. — —

Sie lebten nun bei Dresden während der Wintermonate. Agathe sollte
doch auch die Welt kennen lernen und wenigstens in dieser Hinsicht nicht
darunter leiden, dass sie einen Lebensgefährten mit vier Sinnen hatte.

Wenn das schlanke, hochgewachsene Paar mitsammen auf der Strasse ging,
wie gut verstand es da Agathe, ihren Gatten vor jedem Fährniss zu schützen.
Ein Druck ihres Armes, ein leise geflüstertes Wort genügte.

Und er? O, er fühlte nur zu wohl, dass sein Leben mit ihrer Liebe enden
vvürde, enden müsste.

In traulichen Abendstunden wurde meist gelesen und musizirt. Beide hatten
eine gute sympathische Stimme.

Das hinreissende Lied von Schubert, das einzig dasteht in Musik und
Literatur aller Zeiten und Länder hatten sie zuin Liebling erwählt. Und wenn
sie dann anfing: „Du bist die Ruh. der Friede mild“

Da fiel er ihr gern in’s Wort: „Die, nächsten Verse singe ich.

Vanitas.

Die Sehnsucht Du, und was sie stilit, denn Du bist meine Sehnsucht, und
Du stillst sie. Ja?“

Dann ein langer Kuss wie in ihren ersten Flittertagen.

Und er fuhr leise fort, sich selbst begleitend:

„Ich weihe Dir voil I.ust und Schmerz
Zur Wohnung hier mein Aug’ und Herz.

Kchr’ ein bei mir und schliesse Du
S'.ill hinter Dir die Pforte zu.

Treib' andern Schinerz aus dieser Brust,

Voll sei dies Herz von Deiner Lust,

Dies Augenzelt von Deinem Glanz
Allein erhellt, o füll' es ganz.“

Da ging sie still von ihm weg, er sollte ihr heimliches Schluchzen nicht
hören.

„Wirst Du heute nicht zu Sanden gehen? Damit das Bild bald fertig
wird?“

„Nein, Harald, wenn es Dir recht ist, würde ich gerne bei Dir bleiben, allein
habe ich keine Lust hinzugehen.“

„Oflen gesagt, ich komme mir in einem Maleratelier doch ein Bischen
paradox vor.“

„Du bist ja auch nur meinetwegen dort, Lieber. Klavierspielen, während
gemalt wird, willst Du das nicht?“

IX. 2fi. IV.
 
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