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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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412

MODERNE KUNST

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Rudolf von Gneist -f-.

ser seinen Ruf begründet; innigere Freude und höhere
Genugthuung werden ihm wohl die Erfolge seines
schönen Söhnchens schaffen, dieser herrliche „Triumph
des Lebens“

„Zehn Tage aus dem Leben eines Ehrenmannes
— mit diesen Worten charakterisirte der jüngstverstor-
bene Staatsrechtslehrer Rudolf von Gneist die zehn
Jahrhunderte englischer Verfassungsgeschichte. Sein
innigster Herzenswunsch, sein Ideal war, auch den
preussisch-deutschen Rechtsstaat zu einem solchen
freien Ehrenmann zu machen, der, nicht unter dem
Drucke einer zwingenden Nothwendigkeit, nicht nach
dem harten Geheiss der Pflicht, sondern aus innerer
Ueberzeugung. mit festem, gleichmässigem Willen einen
Tag seines politischen Lebens folgerichtig an den andern
reiht. Alle theoretische Gesetzmacherei war ihm bis in
den tiefsten Grund der Seele verhasst, nichts bekämpfte
er mit solcher Schärfe, solchem Eifer wie das französische
Regierungssystem mit seiner allmächtigen Centralgewalt,
seiner mechanischen Nivellirung geschichtlicher Gebilde.

Den Parlamentarismus schätzt er nur als Krönung einer
von unten auf ansteigenden „organischen Gliederung“, sein politsches Vorbild war
das langsam und stetig ausreifende Weben und Werden in der Natur. Was sich
nicht in ausgiebigen Zeiträumen regelrecht entwickelt hatte, konnte nach seiner
Anschauung nicht dauernden Bestand haben. Die Ausdrücke, die in seinen Werken
am häufigsten wiederkehren, sind „organisch“. „Organismus“ und „Menschenalter“.
Im Sinne seiner Ueberzeugungen von einer organischen Entfaltung, die schritt-
weise der Freiheit entgegenführt, wirkte der Verstorbene auch als Parlamentarier,
als Mitglied des preussischen' Abgeordnetenhauses und des Reichstages. Anfäng-
lich in den Reihen der Opposition, später, als Bismarck seinen Frieden mit dem
grössten Theil der Linken, den späteren Nationalliberalen, machte, als unernrüd-
lich thätiger Mitarbeiter an der neuen Gesetzgebung und Verwaltungsorganisation.
Seiner Mitwirkung in erster Linie war das Zustandekommen der Reichsjustiz-
gesetze zu danken. Auch was in Preussen in den siebziger Jahren an Selbst-
verwaltungsgesetzen geschaffen worden, ist grösstentheils sein Verdienst. In
seiner Vorliebe für englische Einrichtungen und Zustände erstarrte Gneist in
den letztcn Jahren seines Lebens wohl ein wenig, wie aus seinen Schriften über
den „Rechtsstaat“, über Parlamentarismus und ständische Gliederung hervorgeht.
Aber auch in der Einseitigkeit und Schroffheit einzelner seiner Meinungen ver-
leugnet seine geistige Grösse, seine philosophische Tiefe sich nicht.

Der Gelehrte, der das hohe Alter von 79 Jahren erreicht hat, war geborener
Berliner, studirte in seiner Vaterstadt und habilitirte sich hier im Jahre 1839.
Er gehörte zu den wenigen deutschen Professoren, die nie auf die Wanderschaft
gegangen sind, nie ihren Wohnsitz gevvechselt haben. In den ersten Jahren
seiner Lehrthätigkeit wär er auch als Hilfsrichter beim Obertribunal beschäftigt,
bis die Reaction des Jahres 1850 ihn zum Rücktritt veranlasste. Gneist widmete
sich nun ganz seiner wissenschaftlichen Thätigkeit, rückte aber erst nach

19Jahren, im Jahre 1858,
zurn ordentlichen Pro-
fessor auf. In den sieb-
ziger Jahren wurde er
zum Mitgliede des Ober-
verwaitungsgerichts so-
wie des preussischen
Staatsrathes ernannt.
Kaiser Friednch adelte
den verdienstvollen
Mann, Kaiser Wilhelm
II. erhob ihn zum wirk-
lichengeheimenRathmit
dem Prädicat Excellenz.

Gottfried August
Bürger, dem unglück-
liehen Dichter, der als
Professor an der Uni-
versität in Göttingen
wirkte und vor 10OJahren
dort zur Ruhe gebettet
ward, wurde dort aut
dem Friedhofe vor dem
Weender Thore ein
Denkmal errichtet, wel-
ches am 29. Juni unter
grosser Betheiligung
Das Bürger-Dcnkmal in Göttingen. enthüllt WOrden ist. Die

X’iiotograpiiie von n. Hoyer, Götiingen. Feier gestaltete sich Ztl

schönen und weihevollen. Nachdem der Gesang ver
i, schilderte Professor Roethe in begeisterten Worten die
Verdienste des Dichters, namentlich als Schöpfer der Ballad £
und der Mollylieder. Dann übergab Director Buchholz aus Münchcn
das Denkmal Namens des Denkmals-Comite's der Stadt. Mh
warmen Worten gedachte der Redner der Fiirsorge für das Denk-
mal durch den Oberpräsidenten von Bennigsen und sagte deni
Schöpfer der Biiste, dem Professor Eberlein in Berlin Dank, dei
unter Verzicht auf wohlverdienten Gewinn, statt eines Medaillons
die schöne Büste geschaffen. Bürgermeister Calsow legte, indem
er versprach, dass das Denkmal in Ehren gehalten und geh eS l
werden solle, einen Kranz mit Schleifen in den Göttinger Stadt
farben am Denkmal nieder. Ebenso widmeten die UniversitU
durch Prorector Abt Schulz und die Loge Augusta zum goldenen
Zirkel durch Professor Hejme Kranzspenden, die beide Vertrete'
mit kurzen Ansprachen am Fusse des Denkmals niederlegten.

Unter den 4000 Ladendieben, die im Laufe des ersten
Ilalbjahres 1895 in Paris festgestellt wurden, befanden sich: em e
russische Prinzessin, eine französische Gräfin, eine englische
Herzogin und die Tochter eines regierenden Fiirsten. Als von
Kleptomanie behaftet, wurden dieselben nicht weiter verfolgt, hinterlegten abei
zusammen für die Armen von Paris die respectable Summe von 100000 Francs.

Heinrich Keppler *j*.
l'liotograpliie von Fried. Mi'iller, Miiiiclic 0,

Der verstorbene Oberregisseur des Münchener Residenztheaters, Heinrich
Keppler, war einer der hervorragendsten Darsteller auf dem Gebiet des
modernen Conversationsstückes, besonders
des französischen Sittendramas. Seine
Sporen verdiente er sich in Berlin, wo der
damalige Director des Residenztheaters, der
„kleine Rosenthal“, dessen Specialität das
Entdecken von Talenten war, auf ihn auf-
merksam wurde und ihn in den Hauptrollen
der Stücke von Dumas, Augier und Sardou
als Träger der Entscheidung ins Treffen
schickte. Seiner Darstellung a'.s Bernard
dankten Augier’s „Fourchambault“ vor allem
ihren durchschlagenden Erfolg. In München
hatte Keppler gegen Vorurtheile und Er-
innerungen an beliebte Vorgänger anzu-
kämpfen, eroberte sich aber in kurzer Frist
in ebenso reichem Maasse die Gunst der
Münchener, wie seinerzeit die der Berliner.

In seiner geistvoll belebten Auffassung,
seiner vielseitigen Gestaltungskraft, als
„Bolingbroke“, „Karbriand“,„Hüttenbesitzer“,

„Petrucchio“ erheiterte und ergriff er die
Gemiither des leichtbewegten Publikums der Isarstadt. Bald wurde er mit de r
Regie des Residenztheaters betraut und erhielt im vorigen Jahr den Titel eines
Oberregisseurs. In der Vollkraft seines Könnens — Keppler, eigentlich Kripga nSl
war in Lübeck im Jahre 1851 geboren — wurde er auf einer Sommerreise m
Kufstein von einem jähen Krankheitsanfall hinweggeraff't.

Mr. Pope in London, 43 Addison Road, hatte seit längerer Zeit einen alten
Jagdlnind äls Patienten in seinem Thierspital. Letzte Woche nun lag der Hund
im Sterben und eine Depesche rief seine Herrin an sein Lager. Sie erschid 1
sofort und hielt die Pfote des Sterbenden, bis Alles vorbei war; dann liess si e
von einem der „fashionablen“ Leichenbesorger des Westends das Maass für einen
Sarg ihres LieblingS nehmen und sicherte ilim im Hyde Park-Kirchhof eine letzte
Ruhestätte neben der Hundefärriiliengruft des Herzogs von Cambridge. A 1T1
nächsten Tag erschien vor dem Sterbehause ein Leichenwagen mit einem schönen.
kupferbeschlagenen Sarg aus Eichenholz, auf dem eine silberne Platte den Namen
des Verstorbenen, seinen Geburtstag, Todestag u. s. w. angab. Der Sarg
mit weisser Seide ausgeschlagen und in ihm lag der Ilund für den Rest des
Tages in grossem Staat. Am nächsten Morgen brachte dann ein Leichenv\'ag e11’
dem zwei mit zweifüssigen Freunden des Verstorbenen gefüllte Trauerwag en
folgten, den Sarg nach dem Kirchhofe, wo eine sehr rührende Ceremonie da s
Ganze abschloss.

* *

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Eine interessante Fracht brachte durch Vermittelung des russische 11
Consuls in Kiel das Panzerschiff „Alexander II.“ für das Ministerium des Au s"
wärtigen aus Kiel nach Petersburg mit, nämlich den in 22 Kisten verpackte 11
schriftstellerischen Nachlass des Königs von Siam, betitelt „Eine Jubiläurns
beschreibung“. Dieses Jubiläumswerk ist nicht auf Papier gedruckt, sondc 111
auf zahllosen Täfelchen aus kostbaren Holzarten mit inkrustrirten Buchstabe 11
aus Edelmetall, Elfenbein und Perlmutter hergestellt.
 
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