Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0567

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
(Dodome JSons=0ene.

Auf dem Pere Lachaise, Viertel Marechaux. Strasse
Masssna, liegt sie begraben, die ehemalige Wäscherin
und Marschaliin von Frankreich, die resolute Frau, die
selbst mit einern Napoleon lertig zu werden wusste, ohne
sich als Weib das geringste zu vergeben. Wenn sich
allc, die sie in ihrer dramatischen Verkörperung durch
Victorien Sardou bewundert, einmal an dem Grabhügel
versammelten, den sie mit ihrem Marschall theilt, es
gäbe die gewaltigste Trauerversammlung, die sich jemals
auf einer Ruhestätte des Todes vereinigt.

Seit wann Marschall Lefebvre, der ehemalige Müller-
geselle, mit seiner Elsässischen Landsmännin Katharine
Hübscher, verheirathet gewesen, ist nicht nachzuweisen,
höchst wahrscheinlich doch schon als Sergeant einige'
Zeit vor der Revolution. Als Stabsofficier oder gar
General, noch dazu im wilden Kriegsgetümmel, würde
er nicht daran gedacht haben, eine Wäscherin oder
Marketenderin zu ehelichen. 1791 war er schon 36
Jahre alt, also doch vermuthlich schon verheirathet
und seine treue Ehehälfte hat ihm dureh allerhand
kleine Nebenverdienste die magere Löhnung auf-
bessern helfen. Jedenfalls ist dies als ganz ehren-
werth zu bezeichnen, die Leutchen liebten sich und
waren glücklich miteinander, bis die mangelhalte Er-
ziehung der „Frau Herzogin“ einen Misston brachte.

Doch Madame Lefebvre war nicht die einzige dieser
Art am napoleonischen Hofe. Die Gemahlin des
Marschall Ney war eine Bäckerstochter mit sehr
ungeschickten Manieren, Andere hatten früher Fische
verkauft, in den Markthallen gesessen etc. Der
gesellschaftliche Ton war infolge dieser vulgären
Bestandtheile der edlen Frauenwelt ein ziemlich un-
genirter und Kasernenausdrücke wie Eoldatenflüche
säuselten häufig in den Tui'erien hin und her.

' Nach seiner Vermählung mit Marie Louise
wollte Napoleon einen besseren, feineren
Ton einführen. Er umgab sich und seine
junge Gemahlin mit Leuten der alten Ari-
stokratie, hielt streng auf Etikette und ver-
langte, dass seire ehemaligen Kriegsgefähr-
ten und ihre „weiblichen Zehkameraden“

Unterricht in feinem Benehmen, Tanzen
u. s. w. nehmen sollten. Wird doch auch erzählt, er
selbst, der Weltbezwinger, der Schlachtengott habe sich
von Talrna majestätische Bewegungen einstudiren und
vom Hofballetmeister und einigen vertrauten Danien in
die geheimnissvollen Künste des deutschen Walzers ein-
weihen lassen. Freilich war der Erfolg cin sehr geringer,
jedenfalls aber hoch komisch. Dass die neubackenen
„Princessen“ und „Duchessen“ viel durch die spöttischen
Blicke und Stichelreden der Damen des alten Regime
zu leiden hatten, ist leicht begreiflich.

Aus dieser Zeit stammen die Kämpfe dcr robusten
Madame Sans-Gene init der Etikette urn ihr Familien-
glück, denn sie liebte ihren Gatten trotz ihrer lang-
jährigen Ehe. Ob es Sardöu in seincm prfoigreichen
Schauspiel so ganz der Wirklichkeit nacherzählt, wie
sie den grössen Corsen durch eine Jugenderinnerung
bezwang und sich ihren Mann erhielt, ist mehr als
zweifelhaft. Jedenfalls gruppiren sich die waliren oder
erdichteten Ereignisse zwanglos um ihre sympathische,
von Gesundheit strotzende Gestalt.

Als dann die Restauration herannahte, mochte
Madame Sans-Gene sich schon ein wenig rnehr an die
Hofetikette gewöhnt haben. War sie doch inzwischen
Pairin. von Frankreich geworden und mochte auch wohl
als Greisin manche Auswüchse ihres lebhaften Tem-
peraments abgelegt haben.

Die Marschallin war geboren zu St. Amarin am
3. Februar 1759 und starb, 76 Jahre alt, am 29. De-
cember 1835. Marschall Lefebvre und sclne Gemahlin
hinterliessen keine Nachkommenschalt, da die ihrer Ehe
entsprossenen 14 Kinder eines nach dem anderen starben.

Radirungen auf Gelatineplatten.

Dem Director der Magdeburger Kunstgewerbe- und
Handwerkerschule, Ferd. Moser, ist ein Verfahren zur
Herstellung von Radirungen mit Flilfe von Gelatine-
platten patentirt worden, das fiir weitere Kreise von
grossem Interesse und für die Kunst der Radirung von
nicht zu unterschätzender Bedeutung sein dürfte. Es
ist bekannt, wie mannigfach die Schwierigkeiten sind,
die der Kupferradirung entgegenstehen, und wie kost-
spielig diese Technik ist. Die neue Technik, Folio-
graphie genannt, ersetzt nun die Kupferplätten durch
Gelatinefolien und erreicht dadurch die Vermeidung

aller technischen und financiellen Schwierigkeiten. Die
Technik ist folgende: Die durch die Radirung irn Aetz-
grunde blossg jlegten Striche werden nicht tief geätzb
sondern mit einer Paste, deren Hauptbestandtheil doppelt-
chromsaures Kali ist, eingerieben und belichtet. Hier-
durch werden die Striche geeignet, die Druckschwärze
anzunehmen, während die durchfeuchtete glatte Fläche
der Gelatinefolie diese abstösst. Der Abdruck solcher
Platte kann auf jeder Stein- oder Lichtdruckpresse, von
Amateuren auch auf einer ausserordentlich einfachen,
dem Erfinder gleichfalls patentirten Miniaturhandpresse
bewirkt werden.

-o@c=-

3)ie franzosen und unsere Kunstgewerbe-Schulen.

ln Paris ist kürzlich der officielle Bericht erschienen,
den die Bijouterie-Fabrikanten Le Turcq und Murat,
welche im Herbste 1893 verschiedene kunstgewerbliche

Lehranstalten im Auf-
trag der Pariser Syndi-
katskammer der Gold-
schmiede und Juwe-
liere besuchten, nun-
mehr ihren Auftrag-
gebern erstattet haben.
Es wird in diesen
Aktenstücken ausge-
führt, dass die Deut-
schen es nach dem
Kriege von 1870 ver-
standen hätten, sich
eine grosse Gold-
waaren - Industrie zu
schaffen, und die Fran-
zosen auf dem Welt-
markte durch bil-
lige und gute Er-
zeugnisse viel-

Das Grab der Madame Sans-G4ne.
Rückseite.

fach aus dem Felde
zu schlagen. IJic Deut-
schen, heisst es in dem
Berichte, verdankten
diegroSsenFortschritte
in dcr Kunstindustrie
zum guten Theile ihren
trefflichen und me-
thodisch arbeitenden
Fachschulen. Diese
Lehrstätten seien nicht
nur kunstgewerbliche
Schulen für theoreti-
schen Unterricht, son-
dcrn sie seien gewerb-
licheErziehüngsanstal-
tcn, welche Künstler
und Gewerbetreibendc
in ihrer Branche vofi-
ständig ausbilden. In
derPforzheimerKunst-
gewerbeschule wird
theilweise nach Gj'ps-
abdrücken, theilweise
gcwerbemuseum, nach

Das Grab der Madame Sans-Gene
Vorderseite.

nach Modellen aus dein Kunst-
älteren und ncueren Juwelen-
und Goldschmiedearbeiten gezeichnet und modellirt.
Mit dcr Schule verbunden ist eine Ciselir- und Gravir-
werkstätte. Die Fabrikanten der Stadt geizcn nicht mi'c
ihrer Unterstützurig der Scliule, und nirgendwo gewäh-
ren sie einen so kräftigen Rückhalt, wie in Pforzheim.
Hingewiesen wird sodann noch auf die erfolgreichen
Studienreisen der Lehrer im Auslande, zuletzt zur Aus-
stellung in Chicago und die daselbst gemachten Ankäufe
von Bijouterievvaaren und Modellen, durch welche das
mit der Schu’e innig verbundene Kunstgewerbemuseum
wesentlich bereichert worden ist. Aus allen diesen Wahr-
nejimungen ziehen die Herren Murat und Le Turcq
den Schluss, dass die Pariser Bijouterie-Industrie ähn-
licher Anstalten und Einrichtungen tedürfe, wenn sie
nicht schliesslich von Deutschland ganz überflügelt
werden solle.

—''A/VW—

Die Rehabilitirung der Borghese.

Mit lebhaftem Interesse ist in Rom die Ankündigung
der Verlobung des jungen Fürsten Borghese mit einer

Tochter des wegen seines Reichthums bekannten Mar-
chese Ferrari in Genua vernommen worden. Denn diese
Verbindung bedeutet für das Haus Borghese die finan-
zielle Regeneration. Nach dem durch Bauspeculation her-
beigeführten Ruin der Borghese stand auch der herr-
lichen Villa Borghese und dem darin gelegenen Casino
eine Entweihung beyor. Hier sollten die unzähligen
Feste stattfinden, die zum 25jährigen Jubiläum Roms als
Hauptstadt Italiens gefeiert werden sollen, d, h. die vor-
nehme Villa, die schon jetzt aus Speculation zu allerlei
Rennbahnen missbraucht wird, soll für die Dauer einiger
Monate zu einer Art Vogelwiese umgewandelt werden,
und in den stolzen Marmorsälen des Casino, die mit
Meisterwerken der antiken Sculptur geschmückt sind,
begeht man schon jetzt von Zeit zu Zeit die Geschmack-
losigkeit, die Municipalcapelle concertiren zu lassen. Die
junge Marchesina Ferrari bringt nun denr jungen Ftirsten
Borghese unter Anderem den stolzen Palast seiner Väter
in die Ehe mit, und vermuthlich wird die Familie Ferrari
auch den übrigen Besitz des Hauses Borghese von der
darauf ruhenden Zwangsadministration befreien. Die
I'errari gehören wohl zu den reichsten Familien Italiens,
und die Braut ist eine Enkelin der vor mehreren Jahren
verstorbenen Herzogin von Galliera, welche auf eigene
Kosten die neuen Hafenanlagen von Genua errichten
liess, zahlreiche Wohlthätigkeits-Anstalten stiftete und
der Kaiserin Friedrich ein mehrere Millionen betragendes
Legat aussetzte.

Joseph Joachim-Stiftung.

Anlässlich des 50jährigen Künstler-JubiläumS des
Professors Dr. Joseph Joachim, Capellmeisters der König-
lichen Akademie der Künste und Mitglieds des Direc-
toriums der Königlichen Hochschule für Musik, ist eine
Stiftung errichtet worden, deren Zweck ist: unbemittelten
Schülern der in Deutschland vom Staat oder von Stadt-
gemeinden errichteten oder unterstützten musikalischen
Lehranstalten ohne Unterschied des Alters,
des Geschlechts, der Religion und der
Staatsangehörigkeit Prämien in Gestalt von
Streichinstrumenten (Geigen und Celli)
oder in Geld zu gewähren. Bewerbungs-
fähig ist nur derjenige, welcher mindestens
cin halbes Jahr einer der genannten Ari-
stalten angehört hat und, da es sich in
diesem Jahre um Verleihung von Instru-
menten handelt, seine Ausbildung als
Geiger beziehungsweise Cellist erfahren
hat. Bei der Bewerbung sind . folgende
Schriftstiicke einzureichen: 1. ein vom
Bewerber verfasster kurzer Lebenslauf,
2. eine schriftliche Auskunft des Vorstan-
des der vom Bewerber besuchten Anstalt
über Würdigkeit und Bedürftigkeit des
Bewerbers. sowic die Genehmigung dcr-
selben zur Theilnahme an der Bewerbung
auf Grund der zu bezeugenden Thatsache,
dass der Bewerber inindestens ein halbes
Jahr der Anstalt angehört hat. Die Aus-
antwortung der zuerkannten Prämien er-
folgt am 1. October cr. Eine Benachrichti-
gung der nicht berücksichtigten Bewerber,
sowie eine Rücksendung der eingereichten
Sclu iltstiicke findet nicht statt. Geeignete
Bewerber haben ihre Gcsuche mit den in
Vorstehendem geforderten Schriftstücken
bis zum 1. Juni 1895 an das Curatorium, Berlin W.,
Potsdainerstr. 120, einzureichen.

Die Kieler Segel-Woche.

Der Kaiserliche Yachtclub hat nunmehr dic Aus-
schreibung für die „Kieler Woche“ für die diesmal im
Anschluss an die Canaleinweihung stattfindenden grossen
Segelwettfahrten erlassen. Ain 23. Juni findet eine
Binnenwettfahrt auf der Kieler Bucht statt, als höchster
Preis winkt hierbei der Ehrenpocal der Kaiserin. Am
,24. Juni folgt die Seewettfahrt auf der Kieler Föhrde.
Ilierfür hat der Kaiser nicht weniger als sechs Preise
gcstiftet, und zwar drei Wanderpreise, die diesmal die
Kutter „Mücke“, „Commodore“ und „Wilta“ zu ver-
theidigen haben, den Hohenzollern-Geldpreis für eine
neue deutsche Yacht und zwei Ermunterungs-Ehren-
preise. Ausserdem kommen bei dieser Regatta zwei
Ehrenpreise des Fürsten zu Schaumburg-Lippe und der
Ehrenpreis des Ilerrenhausmitgliedes v. Koscielski zum
Austrag. Am 25. Juni findet die Wettfahrt von I'rie-drichs-
ort nach Eckernlörde um den Prinz Heinrich-Pocal und

IX. 18. B. 1.
 
Annotationen