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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0581

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J)er 'W'ittelsbacher Jrunnen in jMüncheri.

Im Auftrage der Stadt München hat Professor
A. Hildebrand den mächtigen Monumentalbrunnen er-
baut, der, als Abschluss und Krönung des grossen
Wasserleitungswerkes, aus der Allee-Anlage am Maxi-
miliansplatz kräftig und wirkungsvoll heraustritt. Die
interessante Kunstschöpfung erhielt bei ihrer Enthüllung
am 13. Juni den Namen „ Wittelsbacher Brunnen“. Das
bayrische Königshaus kann auf dieses Pathenkind seines
altberühmten Kunstsinnes mit Genugthuung herab-
blicken: es trägt seinen stolzen Namen mit Ehren.

Professor Hildebrand hat bei der Anlage des Brun-
nens die gegebenen räumlichen Bedingungen verständ-
nissvoll berücksichtigt. Die Ausdehnung des Platzes
stellte ihn vor die Aufgabe, dem Werke eine bedeutende
Grösse zu geben. Gleichwohl musste er darauf ver-
zichten, gegen die Häusermassen zu beiden Seiten mit
einer dritten, bescheideneren Höhe anzukämpfen, und
sich mit einer starken Breitenwirkung begnügen. Zu
diesem Zwecke wurde die Baumgruppe in ihrer ge-
sammten, beträchtlichen Breite von 40 Metern in den
Brunnenbau hineingezogen und
der architektonischen Ausge-
staltung dienstbar gemacht Da
die Allee-Anlage sich auf einem
kleinen Terrassenhügel befin-
det, so war damit zugleich eine
mächtige natürliche Basis ge-
geben, von der aus der Brunncn
mit seinen energisch ausladen-
dcn Bassins vorspringt, den
grünen Hintcrgrund und die
hellschimmernden Gruppen
und Ornamente zu einheitlicher
Wirkung zusammenfassend.

Aus der Mitte der Brunnen-
anlage steigt ein Pfeiler empor,
der zwei übereinanderliegende
grosse Schalen trägt. Aus die-
sen rauscht das Wasser zu-
nächst in ein weites, aul
dem Terrassenhügel ruhendes
Bassin herab, das 25 Meter weit
von einem etwa 80 Centimeter
hohen Rande umgeben ist und
sich nach der Seite des Platzes
in der Mitte als ein Halbrund
von etwa 13 Meter Breite vor-
wölbt. Von dort strömt das
Wasser in ein zweites nach
dem Platz zu liegendes Bässin.
das den. Unterbau in seiner
ganzen Breite umfasst. Es ist
Von einem niedrigen Rande um-
geben, so dass der Unterbau
auch aus der Entfernung darüber sichtbar bleibt.

Im oberen Bassin waltet noch das rein Sculpturelle
Vor, um allmählich nach unten hin in das Architektonische
Und die natürlichen Felseinfassungen tiberzugehen.
Rechts und links neben dem Bassin werden durch Sockel
besondere Seitenabtheilungen gebildet, auf denen zwei
Colossalgruppen thronen: die zerstörende und die wohl-
thätige Kraft des Wassers. Die erste ist durch einen
Titanen dargestellt, der auf einem Wasserpferd reitet
Und einen Felsblock schleudert, die zweite durch ein
Weib, das auf einem Wasserstier sitzt und in der Hand
eine Schale mit dem fruchtbringenden Nass erhebt.

Diese Gruppen sind der von dem Pfeiler getragenen
Schale zugewandt, werden aber von dieser noch über-
ragt. Sie bilden zusammen mit dem plastisch verzierten
Unterbau der Schale eine rein künstlerische Krönung
des wirksam zusammengesetzten Ganzen. An den Unter-
bau des oberen Bassins schliessen sich von beiden Seiten
Belsgeschiebe an, die schräg gelagert sind. Diese schräge
Richtung, die auch in den Reliefs auf den Pfeilern zum
Ausdruck kommt, giebt dem gesammten Unterbau sein
Gepräge und vermittelt in ungezwungener Weise den
Uebergang von den kiinstlerisch geformten Brunnen-
Wandungen zu der Felseinfassung. Der Beschauer erhält
den Eindruck, als sei der Brunnen aus dem Gestein her-
ausgehauen, aus seinen felsigen Umgebungen gewisser-
hiaassen hervorgewachsen.

In einer Länge von etwa 18 Metern steigt das
Wasser durch Muschelölfnungen der oberen Bassinwand
an dem Unterbau herab und schäumt in das untere
Rassin, das den ganzen Aufbau saumartig umlagert und
gleichsam als weitgedehnter Sockel zum Abschluss bringt.

Für die architektonischen Theile wurde ein harter
^luschelkalk von goldröthlicher Fai be verwendet, der in
einem neuen Bruch von Zwisler und Baumeister bei

Enzenau gewonnen ist, die auch den Bau und die Stein-
metzarbeit ausgeführt haben. Für die Gruppen ist
Untersberger Marmor verwendet.

Die beiden Gruppen machen in ihrer ernsten Wucht
einen imposanten Eindruck. Die Masken, welche die
Sockel der Brunnenschalen zieren, die Fische an den
Pfeilern, die Wasserspeier sind mit grosser Sorgfalt und
Liebe ausgestaltet. Das ganze Werk zeugt in ebenso
hohem Grade von künstlerischer Kraft, wie von fleissiger
Kleinarbeit. Zu loben ist auch die schlichte Vornehmheit
und Einfachheit der ganzen Anlage.

Eine deutsche Enclave im Sahinergehirge.

Vor Jahren kaufte ein deutscher Kunstfreund ein
Stück sabinischen Waldes, allda mancher deutsche Land-
schaftsmaler in den ersten Jahrzehnten unseres Jahr-
hunderts seine Motive geholt; wir erinnern nur an Karl
Reinhard, Koch und Preller, — später schenkte er das
erworbene Gut dem Deutschen Reiche. Der Kiinstler-
verein hat sich zum Hüter der kleinen deutschen Enclave
gemacht und durch Einfriedigung des Waldgebiets

Der neue Wittelsbacher Brunnen in Miinchen.

und Anstellung eines
Waldhüters seine Vor-
mundschaft praktisch an-
getreten. Den Anlass zu
einer besonderen Feier-
lichkeit gab der bekannte
Bildhauer Gerhardt, der
ein Medaillonrelief Kaiser
Wilhelms II. in einen der mächtigsten Felsen des Waldes
hineingemeisselt hatte. Dieses Kaiserbildniss galt es
einzuweihen. Am Denkmal hielten Bildhauer Gerhardt
und der Vorsteher des preussischen historischen Instituts,
Professor Friedensburg kleine Reden, die im Namen des
Reichs vom deutschen Botschafter v. Biilow in Iiebens-
würdiger Kürze beantwortet wurden. In Olevano fand
darauf ein grosses Festessen statt, das von einer Bowle
und einem Concert der Gemeindecapelle begleitet wurde.
Selbstverständlich hatten sich die Spitzen der Behörden
an dem Feste betheiligt, wie denn auch aus den um-
liegenden Ortschaften viel festfreudiges Volk zusammen-
geströmt war.

-*A/VW-

Die Rubinsteiii-Stiftung.

Die internationale Preisbewerbung um die Prämien
der Rubinstein-Stiftung soll in Berlin zwischen dem
20. August und 1. September im Saal Bechstein statt-
finden. Zwei Preise von je 5000 Fr. sind ausgesetzt;
der eine für Compositionen (ein Concertstück für Clavier
und Orchester, eine Sonate für Clavier allein oder für
Clavier und ein oder mehrere Streichinstrumente, und
ferner einige kleine Clavierstücke), der andere für den
besten Vortrag eines Clavierconcerts von A. Rubinstein,
Werken von Bach, Haydn oder Mozart, Beethoven,
Chopin, Schumann und Liszt. Beide Prämien können
aber auch einem und demselben Bewerber zufallen,
wenn er in beiden Eigenschaften als solcher Auszeich-
nung werth erachtet wird. Im Falle der Nichtzuer-
kennung einer oder beider Prämien können dafür zwei
zweite Prämien von geringerem Betrage bestimmt
werden. Die Bewerber (nur männlichen Geschlechts)
müssen sich im Alter von 20—26 Jahren befinden;
Nationalität und Confession sind gleichgiltig. Anmel-

dungen sind schriftlich bis zum 22. August an das Bureau
des Petersburger Conservatoriums, Theaterstrasse 3, zu
richten und zugleich die nöthigen Documente oder deren
amtlich beglaubigte Copien über Personalien und Alter
beizufügen. Die Bestimmungen über die Preisbewerbung
sind auch bei der Concertdirection Hermann Wolff,
Berlin, Am Karlsbad 19, zu haben.

—^—

€(in I|reund Kaiser (Hilhelms II.

Ueber Poultney Bigelow, welcher in zwei Welten
als Freund und Schulkamerad unseres Kaisers genannt
wird, ist seither wenig in die Oeffentlichkeit gedrungen.
Poultney Bigelow steht in der Mitte der dreissiger Jahre.
Er ist sozusagen ein europäischer Amerikaner, welcher
den modernen Fortschritt der neuen Welt mit der
massiven Cultur der alten Welt in sich harmonisch ver-
einigt. Er conversirt deutsch und französisch accentfrei
und spricht seine Muttersprache mit der Reinheit und
feinenEleganz derNew-Yorker, der„oberenZehntausend“.
Schon als Knabe kam er nach Berlin mit seinem Vater,
dem Herrn John Bigelow, welcher sein Land als Ge-
sandter dort repräsentirte, und
dann in derselben Function
nach Paris berufen wurde. Herr
John Bigelow, ein hervorragen-
der Staatsmann und Jurist, hat
sich durch die Herausgabe von
Franklin’s Tagebüchern und
der Memoiren des genialen
Vicepräsidenten Tilden ein
unvergängliches literarisches
Denkmal bei der amerikani-
schen Nation gesetzt. Poultney
Bigelow wurde vom Kaiser
Friedrich als Spielkamerad des
einstigen Prinzen Wilhelm hin-
zugezogen; später betrieb er
auf demselben Gymnasium wie
Kaiser Wilhelm II. in Cassel
seine Studien. Er kehrte so-
dann nach Amerika zurück,
studirte Jura und leistete der
Anwaltkanzlei seines Vaters zu
New-York juristischen Beistand.
Kaum zwanzig Jahre alt, machte
er eine mehrjährige Reise um
die Welt, und hierbei er-
warb er sich die ersten journalistischen Sporen, indem
er fesselnde Feuilletons aus allen Theiien der Erde fiir
New-Yorker Blätter verfasste. Zurückgekehrt, vermählte
er sich mit einer Dame aus der New-Yorker Elite, welche
auch vorwiegend in Deutschland ihre Erziehung genossen.
Nun widmete er sich ganz der Journalistik und Literatur;
er kaufte die illustrirte Sports - Monatsschrift „Outing“
und schwang sie zu einem Sportsorgan ersten Ranges
ernpor. Unter Anderem sandte er im Auftrage des
Blattes den bekannten Radfahrer Stevens auf eine Rad-
Tour um die Welt, und diese verwegene Umzirkelung
des Erdballes besiegelte den Erfolg des „Outing“. Ob-
gleich Mr. Poultney Bigelow mit Glücksgütern reichlich
gesegnet, ist er ein eifriger Mitarbeiter aller grossen
englischen und amerikanischen Monatsschriften, und er
erfreut sich eines klangvollen literarischen Namens.
Gegenwärtig weilt er zumeist in England.

Die Bezeiehnungen des Fahrrades.

Velociped ist lateinischen Ursprunges und bedeutet
„Schnellfuss“. Es hat sich bei uns mehr eingebürgert
als das griechische Wort Bicycle = „Zweirad“ und Tri-
cycle = „Dreirad“. Das erste Wort, das der Maschine
in Deutschland ertheilt wurde, hiess „Laufmaschine“.
Der Erfinder dieses Ausdruckes war der Erfinder des
Velocipeds, der badische Forstmeister Frhr. Carl v. Drais,
der mit seiner „Laufmaschine“ schon auf dem Wiener
Congresse 1815 das Staunen des versammelten Europa
erweckte. Die Leute nannten nach ihrem Erfinder die
Maschine „Draisine“. Wir sprechen das deutsche Wort
Draisine französisch aus. Die Franzosen nennen das
Fahrrad „le velo“, aber es kommen auch die Namen
vor: „velocipede“, „velocifere“, „celerifere“, „bicycle“
und besonders „bicyclette“. Ein populärer Name ist
„la becane“, er besagt so viel wie „die Maschine“. In
England hiess die Maschine zuerst: „dandy-horse“, das
Stutzerpferd, oder noch drastischer „hobby - horse“,
Steckenpferd, und „bone - shaker“, Knochenschüttler.
Man nennt das Fahrrad jetzt in England allgemein
„The Cycle“, d. h. das Rad, und bezeichnet die Abarten
durch Vorsilben: Bicycle = Zweirad, Tricycle = Dreirad,


IX. 22. B.
 
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