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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0585

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<t£ iti ^an^fottci.

Am 13. Juni herrschte auf Schloss Sanssouci ein
wundersames Leben und Bewegen. Die Geister der
fridericianischen Epoche schienen wiedergekehrt zu sein
und im vollen Prunk ihres glanz- und farbenfrohen Zeit-
alters von dem anmuthigen Rococo-Schlösschen Besitz
ergriff'en zu haben. Vor den Portalen schulterten Schild-
wachen in silberglänzenden Grenadiermützen. roth auf-
geschlagenen Röcken und schlohweissen Gamaschen
ihre schwerfälligen Steinschlossmusketen. Auf dem von
Knobelsdorffs feingerundeter Colonnade umsäumten
Vorfahrtsplatze marschirte ein Zug Grenadiere von der
langen Garde im langsamen. wohlgemessenen Parade-
marsche jener Zeit, die Officiere mit zum Gruss er-
hobenen Hüten und gesenkten Spontons, metallblinkend
und waffenklirrend heran.

In der Vorhalle ging eine Anzahl von Generalen
und höheren Officieren in den gold- und silbergestickten
Uniformen der verschiedenen WafTengattungen ein und
aus. Im historischen Musikzimmer hatte sich inzwischen
eine Gesellschaft von Damen, Cavalieren und Hof-
musikern versammelt, die als ein blitzendes und rau-
schendes Gedränge von juwelengeschmückten Puder-
köpfen, Ordenssternen, Brillant-Agraffen, Atlasroben
und Sammetfracks den eleganten Raum mit den weissen
Boiserieen, den schnörkelumrahmten Spiegeln und den
zierlichen, vergoldeten Rococo-Ornamenten durchwogte.

Und mitten in diesem glänzenden Cercle, in dieser
flüsternden Assemblee aus der Glanzperiode eines
verfeinerten, genussfreudigen Hoflebens ein ernster,
schlichter Greis mit kahler Denkerstirn im nüchternen
schwarzen Frack unseres Jahrhunderts, Meister Adolf
Menzel.

Als er vor Jahren seine grossen Historienbilder aus
der Friedrich-Epoche malte, hatte er während der Ent-
stehung seines berühmten, jetzt in der Nationalgalerie
hängenden „Flöten-Concerts“ beim Hofmarschallamt um
die Erlaubniss nachgesucht, das historische Musikzimmer
in Sanssouci bei Abendbeleuchtung sehen zu dürfen.
Die Erlaubniss war ihm damals versagt worden.

Um nun dem Meister nachträglich eine besonders
glänzende Anerkennung zu Theil werden zu lassen, um
seinem trachtenkundigen Auge eine kleine Freude zu
bereiten, veranstaltete der Kaiser ein Costümfest in
Sanssouci. Er selber empfing Menzel in der Vorhalle
als Generaladjutant Friedrichs des Grossen in Kü-
rassieruniform. Der Gefeierte, obwohl vollständig über-
rascht, hatte sich doch so schnell in die Situation ge-
funden, dass er den vor ihm stehenden glänzenden
Officier ohne Besinnen mit den Worten anreden konnte:

Parademarsch der Fridericianischen Grenadiere bei dem Costümfest in Sanssouci.

Fusstour um die Erde.

Die beiden Touristen Thörner und Kögel, zwei
Deutsch-Amerikaner aus San Francisco, welche bekannt-
lich um 16000 Dollars gewettet haben, die Reise um
die Erde zu Fuss in zwei Jahren zu beenden, weilten
vor Kurzem in der Reichshauptstadt. Die vorgeschriebene
Route führte die Herren von München nach Wien; da
sie jedoch bereits sechs Wochen früherals vorgeschrieben
in der Isarstadt angelangt waren — sie hatten z. B. den
Marsch von Schongau nach München, ca. 80 Kilometer,
in einem Tage zurückgelegt —, so zogen die Touristen
es vor, die überflüssige Zeit zu einer ihnen gestatteten
Bahnfahrt nach Kiel zu den stattfmdenden Festlichkeiten
und von dort nach Berlin zu benützen. Die Wettenden
sprachen u. A. bei Herrn Oberbiirgermeister Zelle, bei
dem neuen Polizeipräsidenten Herrn v. Windheim. Ober-
Regierungsrath Friedheim, Fürsten von Hohenlohe-
Langenburg, bei Excellenz von Köller, Generaladjutanten
v. Werder, bei dem amerikanischen Generalconsul und
anderen Persönlichkeiten vor. Die beiden Weltreisenden
sind junge Leute von schlanker Gestalt, sonnverbrannten
Gesichtern und in malerische Trachten gekleidet. Sie sind
seit dem lO.Juni 1894 unterwegs und gedenken über Wien
nach Russland und von da aus nach Asien zu wandern.

Posten am Portal in Sanssouci.

im Wasser brennenden Feuers überrascht. Es handelt
sich bei dieser Erfindung darurn, durch Wasserdruck
ätherische Oele in lichtes Feuer zu verwandeln, und für
diesen Zweck bot sich in der Riesenfontaine auf der
Terrasse ein besonders geeignetes Werkzeug dar. Es
brachte einen ungemein phantastischen Eindruck hervor,
als inmitten des gigantischen Wasserstrahles urplötzlich
eine lodernde rothe Flammensäule emporstieg, um sich
über die spiegelnde Fläche des Bassins zu verbreiten.

Der Kaiser hat durch dieses grossartige Fest zu
Ehren Menzel's nicht bloss den Altmeister, er hat in
ihm auch die gesammte deutsche Kunst geehrt. Und
der Widerschein des glänzenden Tages fällt auf das
Herrscherhaus zurück. das sich selbst auszeichnet, indem
es den Werken des Genius Verständniss und Anerken-
nung entgegenträgt. E. K.

„Ich glaube nicht zu irren, wenn ich
Se. Excellenz den Herrn Generaladjutan-
ten v. Lentulus vor mir sehe, und er-
suche Ew. Excellenz, Sr. Majestät dem
Kaiser meinen ehrfurchtsvollsten Dank
auszudrücken.“

Der Kaiser antwortete mit einer von
ihm selbst verfassten gereimten An-
sprache, in welcher er den unvergäng-
lichen Werth der Schöpfungen des Mei-
sters in beredter Weise kennzeichnete:

„So geistverwandt, so zeitverständig,
Von höchster Künstlerhand geweiht,
Dass sie urkräftig und lebendig
Noch strahlen werden fernster Zeit.
In Tagen noch, wo flach das Leben
Sich hinschleppt, aller Kühnheit bar,
Wird Menzefs Griffel uns erheben,
Denn Heldengrösse stellt er dar!“

Se. Majestät liess hierauf die an der
Colonnade aufgestellte Schlosswache
einige Evolutionen ausführen und ge-
leitete den Gast in das Musikzimmer zur
Kaiserin, die dort, in hellem Atlasunter-
kleid mit dunkelgrünem, silbergesticktem
Sammtüberkleid, ein kleines, dreieckiges
Hütchen auf dem gepuderten Haar, den
Mittelpunkt ihres glänzenden Hofstaates
bildete. Menzel nahm auf einem Sessel
Platz, der Kaiser stand ihm zur Seite.

Die übrige Gesellschaft war genau nach
dem Menzel’schen Gemälde gruppirt. Den
Flügel umgab ein Quartett von Hof-
musikern in gestickten Röcken und Per-
rücken, vor dem historischen Notenpult
Friedrichs des Grossen stand ein Flöten-
spieler. Es war, nach dem einstimmigen
Urtheil aller Augenzeugen, ein Bild von
so eigenartigem, malerischem Reiz, wie
man es in ähnlicher Vollkommenheit
wohl nur in ganz besonderen Fällen ge-
niessen darf.

Im Laufe des Abends gelangten
Friedrichs des Grossen Flötenconcert, ein
Clavierquartett des Prinzen Louis Ferdi-
nand u. a. m. zum Vortrag.

Das Souper wurde im runden Speise-
saal, dem Schauplatze von Menzel’s
„Tafelrunde“ eingenommen. Dem Künst-
ler war der Ehrenplatz neben der Kaiserin eingeräumt.

Zum Schluss wurde die Gesellschaft vom Kaiser
noch durch die Vorführung der neuen Erfindung des

IX. 23. B.
 
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