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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0594

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BEILAGE ZUR „MODERNEN KUNSTG

Durchsichten. Den Marcusplatz und die Seufzerbriicke
haben zwei Meister der monumentalen Decorations-
malerei. Kautsky und Rottonara, als Panoramen in
einen Arcadengang eingestellt, mit brillanter Echtheits-
wirkung hingepinselt. So fehlt denn auch das Wahr-
zeichen der schönen Venezia seiner wienerischen Copie
nicht. von der die Wiener Lebensfreudigkeit rasch Besitz
ergriffen hat. In die kecken Klänge wälscher Volkslieder
und in die schwärmerischen Töne der Mandolinen und
Guitarren dudeln die Grinzinger ihren feschen „Weaner
Tanz“ und über die Wellen der Lagunen schweben
nebst den weichen Weisen der Serenadensänger auch
die bekannten heimischen Gesänge hin, die so wenig in
diesen Rahmen passen. „So fahr’n ma halt nach Nuss-
dorf ’nausl“, in der Gondel gesungen, während der
rudernde Gondoliere sein „funiculi-funicula“ pfeift, das
ist der musikalische Ausdruck für die Besonderheit des
Prater-Venedig, eines Paradieses fiir Strohwittwer, Stroh-
wittwen und alle sommerlichen Waisenkinder.

Heinrich Gliicksmann.

-Ofgc-

2)as Korset im 2)ienste der Wofilthätigkeit.

Wo kommen die alten Corsets hiri? Eine
Frage, die wohl kein Mann und auch nicht jede Frau
beantworten dürfte. Man wirft sie eben fort, in irgend
einen unbenutzten Raum, den Hängeboden, die Rumpel-
kammer. Hat man eine besondere Anlage dazu, in
Kleinigkeiten grossartig und ohne besondere Unkosten
wohlthätig zu sein, so schenkt man sie den Dienst-
mädchen und das Fortwerfen wird dann von diesen
besorgt. Die meisten Damen werden die Fortschaffung
des alten, nutzlosen Krams schwerlich in ein festes System
gebracht haben. Welch eine Errungenschaft, welch ein
Triumphunseres praktischen Jahrhunderts ist es nun, dass
wenigstens hinsichtlich der Unterbringung der alten Cor-
sets ein solches System geschaffen worden ist. Paris, das
seit jeher den Anspruch darauf erhebt, an der Spitze
der Civilisation zu marschiren, ist auch hierin bahn-
brechend vorgegangen und hat — zu seiner Ehre sei
es gesagt — dabei gleichzeitig auch Rücksichten der
Menschenfreundlichkeit Rechnung getragen. Auf dem
Platze des Petits-Peres ist seit einiger Zcit dicht am
Trottoir ein grosser, durch ein Hängeschloss verschlosse-
ner Holzkasten mit einer ziemlich weiten Einwurfs-
öffnung aufgestellt. Auf dem Kasten ist ein Plakat fol-
genden Inhalts angebracht:

Kasten, um die Corsets hineinzuwerfen!

An die Damen.

Werfen Sie Ihre alten Corsets nicht inehr weg! Schicken
Sie dieselben dem Armenunterstützungs-Verein am Platze des
Petits-Peres, der sie mit Dank annehmen und benutzen wird.
Dadurch kann Armen geholfen und der Bettelei ein Ende ge-
macht werden. Aus den alten Corsets nimmt man das Fisch-
bein, womit eine neue Industrie in’s Leben gerufen wird: man
inaeht daraus Bürsten und Besen, die weit dauerhafter sind,
als die aus Pflanzenfasern u. s. w. hergestellten.

Der Wohlthätigkeitssinn der Pariser Damen wird
durch diese löbliche Einrichtung sicherlich mächtig an-
gestachelt werden. Und zweifellos wird dieser humane
Sinn sich nicht blöss in der rationellen Verwendung der
alten Corsets, sondern auch in einem erhöhten Ver-
brauch von neuen kundgeben. Wenn eine Pariser
Mondaine jetzt einen neuen Kürass um ihre schlankeTaille
schnürt, so geschieht es ja nicht. um damit Aufwand
und Luxus zu treiben —r- bewahre! — einzig und allein,
um den Armen wohlzuthun!

—WVW—

Elektriseher Sehnee.

Einer der erstenMeteorologen derVereinigtenStaaten,
der Armeelieutenant John P. Finley, beschreibt einen ganz
eigenthümlichen Schneesturm, den er bei der Besteigung
des Berges Pike’s Peak erlebt hat. Finley sagt, man hätte
den Sturm mit einem „Schauer von kaltem Feuer“ ver-
gleichen können. Thatsächlich war der Schnee so voller
Elektricität, dass man sich die Sache leichter vorstellen
als sie beschreiben kann. Anfangs entluden die Schnee-
fiocken nur dann ihre kleinen Blitze, wenn sie auf das
Haar eines Maulesels geriethen, auf welchem der Lieute-
nant sass. Aber bald wurden sie dicker und fielen
schneller vom Hirnmel herab. Jede Flocke stiess ihre
Funken aus, sobald sie mit irgend einent festen Gegen-
stand in Berührung kam. mit der Zunahme des Schnee-
sturms wurden die Flocken kleiner, aber jede schien
von geisterhaftem, weissem Licht umgeben zu sein. Die
elektrische Entladung machte ein donnerähnliches Ge-
räusch. Als der Sturm seinen Höhepunkt erreicht hatte,
erschien jede Schneeflocke wie ein Feuertropfen. Aus
den Fingerspitzen des Lieutenants, aus seinen Ohren,
aus seinem Bart und seiner Nase zuckten die Flammen
wenn er den Arm erhob, war es, als ob blitzende
Schtverter durch die Luft gingen. Die Erscheinung ist
pbrigens den Meteorologen nichts Neues, es bestehen
bereits ntehrere Schilderungen darüber; einige Forscher
erklären die Sache durch Phosphorescenz.

Ein japanischer Dichter.

Ende Juni wurde in Paris der japanische Dichter
Motojosi Saizan beerdigt. welcher im Alter von 28 Jahren
im Spital Lariboisiere an der Auszehrung gestorben ist.
Motojosi ist eines der zahlreichen Opfer von Paris ge-
wesen, welche sich von dem Glanze der Weltstadt an-
ziehen lassen und daselbst eine Enttäuschung um die
andere erleben. Er fand zuerst eine bescheidene An-
stellung als Hülfslehrer der japanischen Sprache an der
Ecole des Langues Orientales, als er aber hier mit
seinem vorgesetzten Professor Leon de Rosny in Streit
gerieth und öffentlich behauptete, dass Rosny vom
Japanischen nichts verstehe, verlor er diesen Posten
und musste sich mit öffentlichen Vorträgen und Zeitungs-
artikeln durchhelfen, was bei seiner mangelhaften Kennt-
niss des Französischen nicht leicht war. Im „Temps“
liess er eine interessante japanische Novelle, die „Aben-
teuer der kleinen Hyme“ erscheinen und im Institut
Rudy eine kleine Komödie „Kijomassa in Korea“ auf-
führen. In seinen Vorträgen nahm er besonders den
Akademiker Loti aufs Korn, von dessen japanischen
Schilderungen er zu sagen pflegte: „Monsieur Loti n’a
rien vu au Japon, ou du moins il a ezazere (exagere)“.

Telepbonische Weckeruhr.

Die Amerikaner, die dem Telephon zu seiner der-
zeitigen Verbreitung verholfen haben, sind auch uner-
müdlich in dem Bestreben, ihm immer neue Gebiete in
der Praxis zuzuweisen. Das Telephon als Wecker —
das ist die neueste amerikanische Idee. Man bezahlt
bei einem Postamte ein geringes Monatsabonnement,
wofür man zur festgesetzten Morgenstunde durch Klin-
geln geweckt, angerufen und dringend eingeladen wird,
das Bett zu verlassen. Wohl besorgt auch die bisher
übliche Weckuhr das Geschäft, aber wenn sie zu Ende
geschnarrt und gerasselt hat, wendet der Geweckte sich
oft auf die andere Seite und schläft weiter, als ob
nichts geschehen wäre. Das Telephonamt dagegen hört
nicht auf, zu klingeln, bis man sich gemeldet hat, und
hat man einmal mit nüchternem Magen in’s Telephon
gesprochen, so bleibt man in der Regel schon wach.
So dürfte das telephonische Wecken denn doch das
Richtige sein. Schlaue Abonnenten, die sich den gol-
denen Schlaf, den die Morgenstunde im Munde führt,
nicht stören lassen mögen, sie werden sich dadurch
helfen, dass sie Abends ihren Apparat — ausschalten.

Die Saison.

Hötels, Bäder, Sommerfrisehen.

Bad Nauheim, Hötel Augusta Victoria.

Am Südabhange des Taunus ist Bad Nauheim 1 40 m über
dem Meere reizend gelegen. Das Klima ist sehr günstig, da
im Sommer keirie grossen Temperatur-Schwankungen vor-
kommen. Die Luft ist kräftig. Dies ist ganz besonders in der
Nähe der Gradirvverke und des grossen Sprudels der Fall. Der
50 ha. grosse, prachtvolle Park bietet schöne, schattige Spazier-
gänge und kühlen Aufenthalt selbst bei heissen Sommertagen.
Wer ein Freund für weitere Spaziergänge ist, findet in aller-
nächster Nähe der Stadt einen Hochwald mit mächtigem Eichen-
bestand. An berühmten Sprudeln und Quellen ist Bad Nau-
heim sehr reich. Zur Trinkkur dienen zwei salinische Quellen
und ein alkalischer Säuerling. An Unterhaltung fehlt es in
diesem fashionablen Kurort nicht; so wechseln Concerte, Theater,
Bälle etc. in steter Folge ab. Die Verpflegungsverhältnisse in
Bad Nauheim sind die denkbar günstigsten. Als besonders
hervorragend ist das neuerbaute Hötel Augusta Victoria,
ein Haus ersten Ranges zu erwähnen. Es ist dies das einzige
Hötel, welches dem Sprudel, den Bädern und Salinen gegen-
über liegt. Das Hötel ist herrlich gelegen und mit allem Com-
fort der Neuzeit ausgestattet. Es enthält 150 Zimmer und
Salons, ein Lese-, Billard-, Rauch- und Musikzimmer. Bei

längerem Aufenthalte werden von dem Besitzer, Herrn J. O. Aletter,
der auch zu jeder weiteren Auskunft gern bereit ist, besonders
günstige Arrangements gewährt.

Heiligenblut. Rupertihaus.

Heiligenblut, das höchste Dorf in Kärnten, in nächster Nähe
des Grossglockners, 1404 m ü. d. M. gelegen, hat seinen eigen-
artigen Namen nach einem Fläschchen mit dem Blute Christi,

das in der dortigen, im XV. Jahrhundert erbauten Kirche, noch
heute als Heiligthum aufbewahrt wird. Von diesem Ort aus
geniesst man eine herrliche Aussicht auf den Grossglockner.
Links befinden sich die drei Leiterköpfe, rechts der Romaris-
wandkopf, während im Hintergrunde der weisse Jonnisberg
sichtbar wird. Der Glanzpunkt von Heiligenblut ist die Franz-
Josefs-Höhe. Dieselbe, 2329 m hoch gelegen, mit vollem
Ueberblick des mächtigen Pasterzengletschers, des zweitgrössten
der deutschen Alpen, ist ohne viele Beschwerden zu erreichen
sie ist jedem Besucher Heiligenbluts warm zu empfehlen. Für
die Unterkunft dort ist in bestem Mäasse gesorgt. Einen
bedeutenden Ruf hat sich das ganz neu in Villenstil errichtete
Ruperti-Haus zu sichern verstanden, welches 1300 m hoch
an der schönsten Stelle von Heiligenblut mit freiem Ausblicke
auf den Grossglockner und auf das liebliche grüne Thal der
Möll erbaut ist. Es eignet sich besonders als Ruhestation nach
oder zwischen anstrengenden Bergtouren und hat heute eine
grosse Anzahl meist heizbarer Zimmer, ferner einen geräumigen
Speisesaal mit Veranda und Badeeinrichtung mit Douche-Vor-
richtung. Eine photographische Dunkelkammer steht den Freun-
den der Photographie zur freien Verfügung. Ausführliche
Prospecte werden an die Besucher auf Verlangen gratis und
franco versandt. Bei Anfrage genügt die Briefadresse: Ruperti-
Haus in Heiligenblut.

Todtmoos.

Klimatischer Höhen-, Wald- und Terrain-Kurort,

900 m über dem Meere.

Todtmoos, einer der anerkannt schönsten Punkte im badi-
schen Schwarzwald, ist von der Eisenbahnstation Wehr aus in
kurzer Zeit zu erreichen. Es ist ein Dorf am oberen Ende der

Wehrastrasse, mit hochgelegener Kirche, und wird als Wall-
fahrtsort, aus der Schweiz und dem südlichen Schwarzwald viel
besucht; an Sonntagen sieht man hier gar manche auffallende
Trachten. Ein herrlicher genussreicher Spaziergang ist die
Todtmoos-Au; meist die Au genannt. Die landschaftlichen Reize
werden hier immer imposanter; auf dieser Strecke wird das
Thal von keinem der Schwarzwald-
Thäler an malerischer Abwechse-
lung auch nur annähernd erreicht.
Ueppige Vegetation bedeckt die
steilen fichtengekrönten Bergwände,
von schroffen Felspartieen unter-
brochen; unten tost und schäumt
der Fluss über Granitblöcke in
seinem engen, vielgewundenen Bett.
Eine wohlthuende Ruhe und Ab-
geschlossenheit liegt über der ganzen
Gegend, denjenigen dringend zu
empfehlen, die dem geräuschvollen
Grossstadtleben entfliehen wollen
und einige Wochen in beschaulicher
Ruhe verleben möchten. Besonders
interessant dürfte es für manche
sein, dass hier reiche Gelegenheit
zur Jagd, sowie auch zur Forellen-
fischerei geboten ist. Nach dem
1. Juli werden ennässigte Preise bewilligt. Illustrirte Prospecte,
aus denen alles Nähere hervorgeht, versendet auf Wunsch
gratis und franco der Hötelier Herr J. Wirthle.
 
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