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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.32112#0597

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2)ie Königin Carola-Brücke in 2)resden.

Dresden ist die Stadt der heiteren Rococo-Schön-
heit, der zierlichen, gefälligen Eleganz. Schade, dass
der Rauch der zahlreichen Fabriken die leichten, luftigen
Formen der Frauenkirche, des Zwingers, des Hoftheaters
und der übrigen prächtigen Rococo- und Renaissance-
bauten mit der Zeit stark geschwärzt und ihnen dadurch
ein zli ihrem sonstigen Charakter nicht recht stimmen-
des diisteres Ansehen gegeben hat! Elb-Florenz müsste
sich in hellen, freundlichen Häuserzügen ausbreiten wie
sein Vorbild am Arno. Diese frauenhaft liebliche Städte-
Physiognomie sollte nicht ernst blicken, sondern lachen,
vor Freude strahlen. Das Aeussere der Monumental-
bauten aus der Zeit fürstlicher Prunkliebe, höfischen
Kunstsinnes müsste völlig dem blendend ausgestatteten
Innern entsprechen. Dort „glänzt der Saal, es schimmert

erwiesen. Der freie Weitblick wird nicht beeinträchtigt,
während die Rundschau von der Brücke selbst ganz
neue, bisher unbekannte reizvolle Gruppirungen des
Häusermeeres und seiner idyllischenUmgebungen ergiebt.

König Albert verlieh Herrn Klette bei der Eröffnung
der Brücke als Zeichen seiner Anerkennung das Ritter-
kreuz I. Klasse des Albrechts-Ordens. Dass wir es mit
einer hervorragenden bautechnischen Leistung zu thun
haben, stellt schon die Schwierigkeit der Stromverhält-
nisse bei Dresden ausser Frage. Sämmtliche Funda-
mente, die Pfeiler und theilweise auch die Wölbungen
sind aus Cementbeton gestampft und nur äusserlich mit
Sandstein verblendet. Im Ganzen sind nicht weniger
als 33000 Cubikmeter Mauerwerk und Beton ver-
braucht worden. Die Stromöffnungen bestehen aus
Eisen. Die Spannung der Mittelöffnung beträgt 55, die
der Seitenöfifnungen 52 Meter. Das Gesammtgewicht
der verwendeten Eisentheile stellt sich auf 1 800000 Kilo-

hingestellt, den Kärrnern aller Länder und Ordnungen
rechtschaffen zu thun geben. Zu diesen Auserlesenen
gehört der prachtliebende, grossartige König der Töne:
Georg Friedrich Händel. Wir wissen es, welche stolzen,
für die Ewigkeit geschaffenen Ton-Bauten wir ihm danken.
Wir wissen heut auch, dass nicht alle dieser prunken-
den „Königsschlösser“ — wie Rubinstein sie nennt •—
die werthverändernde Umprägung durch die Zeit mit
ihren wechselnden Geschmacksrichtungen, Anschauungen
und Erscheinungen unbeeinträchtigt überdauert haben.
Daneben wissen wir von anderen Bauten, deren Vor-
handensein bisher nur die Archive dem gelehrten Wissen
einzelner Forscher mitgetheilt haben. In ihnen verspricht
man sich weitere herrliche Denkmäler einer vergangenen
Epoche, sofern sie nür erst die Forscherarbeit unserer
wissenschaftlichen Schatzgräber vom Staube der Archive,
votn Schutt der überlieferten Solisten-Verschlimmbesse-
rungen, von den Trünnnern zusammengebrochener

das Gemach“, und Kostbarkeiten, von Generationen
reicher und glanzfroher Herrscher angehäuft, bewältigen
den staunenden Blick.

Neuerdings ist die innere Stadt Dresdens in einer
durchgreifenden Umgestaltung begrififen, die mit der
grossartig angelegten Ringstrasse zum Abschluss ge-
langen wird. Wie Neu-Wien ebenbürtig, ja überstrah-
lend an die Seite der alten herrlichen Kaiserstadt an
der Donau getreten ist, so soll die moderne Schönheit
Neu-Dresden sich in ähnlicher Prachtfülle neben die
reich geschmückte Rococoprinzessin, die Zeugin des
Zeitalters Augusts des Starken, stellen.

In den Plan dieses umfassenden Umbaues eines
ganzen Stadtviertels fügt sich die neue Königin Carola-
Brücke, die vierte grosse Ueberbrückung der Elbe, in
harmonischer Weise ein. Das Bauwerk verbindet das
Terrassenufer zwischen Augustus- und Albert-Brücke
mit dem Carola-PIatz neben dem neuen Gebäude des
Finanzministeriums.

Stadtbaurath Klette, der Ei'bauer der Brücke, hatte
zuerst gegen nicht geringe Bedenken und Einwürfe an-
zukämpfen. Man fürchtete, dass das mächtige Bauwerk
die wundervolle Aussicht von der Briihl'schen Terrasse
auf die Stadt und die villen- und schlössergekrönten
Loschwitzer Berge theilweise verlegen würde. Diese
Besorgnisse haben sich glücklicherweise als unbegründet

Die Königin Carola-Brücke in Dresden.

gramm. Die Brüclce Iiat eine Länge von 500, eine Breite
von 16 Meter. Das imposaute Werk erforderte eine
Bauzeit von drei jahren — von August 1892 bis zum
6. Juli 1895 —t und einen Kostenaufwand von drei Mil-
lionen Mark.

Stadtbaurath Klette, dem Stadtbaumeister Press-
prich und Architekt Pasdirek zur Seite standen, hat
seine Aufgabe, die Briicke dcm Typus, der Individualität
der nächsten Umgebung anzupassen, geistvoll gelöst.
Ungeachtet der Grösse der Verhältnisse nehrnen sich
sowohl der mit Bildhauerarbeiten reich geschmückte
und architektonisch äusserst glücklich gestaltete steinerne
Unterbau wie namentlich der elegante eiserne Uebei'-
bau sehr gefällig und formenschön aus, und die Zier-
lichkeit der eisernen Candelaber in der Mitte schmiegt
sich als congeniale Schöpfung neuester Technik den
sanften Steinsymphonien der Zopfperiode an. Die Brücke
schwingt sich über den Strom gleich einem.schönen Ge-
danken der Vorzeit, verwirklicht durch die Thatkratt der
Gegenwart. Eberhard Kraus.

IDuJikalifdje ^Cuögttahungim.

„Wenn die Könige bauen, haben die Kärrner zu
thun” und unter diesen Königen haben wir Bauherren,
welche noch, Jahrhunderte nachdem sie ihre Bauten

Kunstanschauungen gereinigt und aus all diesem Wuste
herausgearbeitet haben möchte.

Solch einer Schatzgräberei, welche eine, ftir den
Laien unerkennbar grosse Summe an Arbeit, wissen-
schaftlichem Spür- und Scharf-Sinn, wie an persönlicher
Hingebung zur Voraussetzung hat, begegneten wir in
den diesjährigen Mainzer „Händel-Aufführungen": „De-
borah“ und „Ilerakles“.

Zu deren Neugestaltung, nacli der textlichen wie
musikalischen Seite, haben glänzendes Förschergeschick
und unermessliche Forscherarbeit sicli zusammengethan
und ein überiaschend giinstiges Resultat gewonnen.
Interessant ist die Entstehung der Deborah, die ein
Stiick Geschichte bildet: Cultur- und Musik-Geschichte
zu gleicher Zeit, obendi'ein verquickt mit einem Stück
politischer Landesgeschichte von unrühmlicher Qualität,
deren Gegenstand die Entrüstung des ganzen Landes,
daneben alle Vernunft und Billigkeit gegen sich hatte.

Es war die, von dem allmächtigen Minister Walpole,
dem Freunde Händels, bei dem Parlamente eingebrachte,
Accisen - Vorlage. Unglücklicher Weise erschien sie
an demselben Tage in Westminster, an dem die erste
Ankündigung des Oratoriums in Heymarket’s herauskam.
Hätte bei der aufgeregten politischen Verstimmung eine
gewöhnliche Anzeige blos keinen Eindruck gemacht, so
brachte der ungewöhnliche Umstand, dass Händel für

IX. 26. B.
 
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