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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 3.1912-1913

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Nr. 106
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Zech, Paul: Der Dichter
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Seidel, Ernst Curt: Franz von Stuck
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Nachlese
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Notiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.56300#0018

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Der Dichter
Das runde Tal umbuschter Wiesenflächen,
Darin die Weiher blank wie Spiegel ruhn,
Die Kiesel und Getiere in den Bächen,
Duftblaue Hügel, fern wie Avalun,
Die große Stadt mit marmornen Terrassen
Und Schlössern, Kathedralen, Turm an Turm,
Und der Fabriken schrillem Rädersturm,
Und Menschen, die fortzeugend sich umfassen:
Dies alles fing ich ein mit offnen Augen
JJnd trug es wie Geheimnis mit mir fort
Von Jahr zu Jahr, von Ort zu Ort . . .
Nun steigt's, gereift in warmen Blutes Purpur-
laugen,
Empor wie Flut aus einem Brunnenschacht,
Und spiegelt Ding an Ding verhundertfacht.
Paul Zech

Franz von Stuck
’ Franz von Stuck (wer weiß, ob er nicht
noch den Grafentitel erhält) darf sich rühmen,
München als Kunststadt erledigt zu haben. Der
Führer des künstlerischen Deutschland, der „ziel-
bewußte" Dirigent des deutschen Geschmackes
und der deutschen „Estetik" konnte sich das
leisten. Um so schlimmer für diejenigen, die in
seinen Gemälden einen großen Maler und ge-
waltigen Meister sahen. Gewaltig ist er schon,
der Franz von Stuck; er ist Aegypter, Assyrer,
Grieche, Römer, Florentiner, manchmal auch
Neger: alles kann er sein, nur kein Maler. Dürer
war ein deutscher Maler, trotzdem er bei Man-
tegna in die Schule ging. Holbein verleugnete
nicht einmal den Deutschein als Hofmaler Henry
des Achten. Grünewald noch viel weniger. Bis
Franz von Stuck in den deutschen Landen seinen
Triumphzug veranstaltete. Aus dem Müllersohn
ward ein „großer deutscher Maler und Meister".
Man lese Fritz v. Ostini und andere Geister der
süddeutschen Kritik!
Habt ihr sie schon beobachtet, die Welt der
Faunen, Nymphen, Schlangen, der biblischen
Gestalten, mit denen Stuck seine Gemälde be-
völkert? Habt ihr noch nicht ihre lügnerischen
Züge enträtselt? Erlogen sind ihre Gewänder,
erlogen sind ihre Bewegungen; erlogen ist ihre
Umgebung. Nichts von Kunst ist in seiner
Malerei. Falsch und betrügerisch ist sie, wie die
Poesie des Hugo von Hofmannsthal. Kunst?
Klassizismus? Der traurigste, den man je bei
Arnold Böcklin sah! Und Stuck, der ein aus-
gezeichneter Karikaturist der Fliegenden
Blätter war, ist selbst nicht vor einem Plagiat
zurückgewichen. Oder sollte der „Krieg" wirk-
lich seine Phantasie sein? Armer Rethel.
Die „Kreuzigung" ist jedoch die Geburt seines
Gedankens. Dafür garantiert die theatralische
Auffassung des dramatischen Ereignisses, an dem
sich so viele Maler übten. In dem von Stuck
dargestellten Christus findet man alles, was in der
Kunst der Kinematographie nur menschlich mög-
lich ist. Die „Sünde" kann nur „die Kreuzigung"
an Falschheit übertreffen. Symbolismus? Aber
der Symbolismus gewisser Simplizissimuszeichner.
Oberflächliche Zeichnung, oberflächliche Auf-
fassung, und violente, dekorative, koloristische
Ausführung. Und in diesen Farben badete die
Münchener „Scholle" der Herren Erler, Eich-
ler & Co., in der idealen Begeisterung, Böcklin
auf alle Art und Weise auszuziehen.
Stuck ist heute ein berühmter Mann; eine
traurige Arbeit, berühmte Männer von dem

Piedestal ihres Ruhmes herunterwerfen zu müssen.
Man muß es tun in der Pflicht, die Jugend vor
Gefahren zu warnen, vor traurige Konsequenzen
zu schützen. Man muß 'die deutsche Kritik
daran erinnern, daß man ihre Dummheit nicht
für Gold ankauft, und daß man Herrn Franz
von Stuck mit all seinen Palästen und Gemälden
weder für einen bedeutenden Maler hält, noch
überhaupt für einen Maler.
Curt Seidel / Turin
Nachlese
Einer wie alle
„Das Schillertheater Charlottenburg griff
gestern auf Paul Lindaus altehrwürdiges Schau-
spiel „Gräfin Lea" zurück, ein Stück, mit dem
der Verfasser vor Jahren in Berlin große
Triumphe gefeiert hat. Es verleugnet, nament-
lich in der Sprache, sein Alter nicht."
Die Stücke kommen und gehen. Gute und
schlechte. Manches Gute wird nach wenigen
Aufführungen abgesetzt, viele schlechte werden
nach Jahren wieder hervorgeholt. Aber allen
diesen Wandlungen trotzt der Kritiker. Er bleibt.
Und er bleibt auch immer der gleiche. Er ist
gegen alle Gefahren seines Berufs mit einem
bleiernen Bestand von Klischees gewappnet. Mit
dem Rüstzeug lang bewährter Phrasen geht er
den größten Schwierigkeiten seines Amtes an den
^Leib. Da es ihm an Geist fehlt, verläßt er pich
auf seinen Geschmäck, und dieser wieder ist
von allen guten Geistern verlassen. Bitte, keine
Widerrede! Da ist der Kollege B-d. von der
Volkszeitung. Er ist galant und jovial gegen die
simple Lindausche „Gräfin Lea", die selbst gar
nicht den Mut hat, ihr Alter zu verleugnen, aber
für Strindbergs „Königin Christine" hat er
nur eine ablehnende Geste. Verabschiedet sie
gleich so:
Wurde auch in den ersten drei Akten
unser Interesse durch manche dramatische
Feinheit geweckt — der letzte Akt mit seiner
unklaren Handlung und seiner geschwollenen
Sprache ließ kein Gefühl des Bedauerns auf-
kommen, daß für dieses Werk Strindbergs
nur eine einmalige Aufführung vorgesehen ist.
Hingegen wünscht er von der Regie des
Schiller-Theaters, daß bei Wiederholungen
der „Gräfin Lea"
den auf der linken Seite des Zuschauerraums
Sitzenden der Anblick des Verteidigers Dr.
v. Deckers nicht durch das Podium, auf dem
der Gerichtshof Platz genommen hat, ent-
zogen wird.
Man wird mit B-d. in Bälde gründlicher
abrechnen.
Alle wie einer
Nur über den Wert ernster Musikwerke sind
sich unsere Musikkritiker nicht einig. Was der
eine zum Beispiel in einer Verdischen Oper als
schwankenden Stil feststellt, bewundert der
andere als ein Schwelgen in meisterlichem
Können, was jener als ungenießbar ablehnt, ver-
setzt diesen in einen Rausch des Entzückens.
Aber, wie gesagt, nur über den Wert ern-
ster Musikwerke. — Nach der Erstaufführung
einer Oper von Richard Strauß oder einer
Operette von Fall sehen sich ihre Referate zum
Verwechseln ähnlich.
„Falls Musik ist von Anfang bis Ende ent-
zückend,"
verkündet Johannes Doebber.
„Es tut ordentlich wohl, nach den Fehl-
schlägen der letzten Zeit dem kultivierten Stil

Leo Falls (zu folgen. Ein paar Melodien
machen's eben 'nicht; es gehört der gereifte
( und gebildete Musiker zu einer vollendeten
Operettenmusik, der seine Mittel künstlerisch
verarbeiten kann, wie es hier geschehen ist."
Im Jahre Eintausendneunhundertundzwölf
n. Chr. Amen!
Und der Hauptmann a. D. Lusztig findet
halt das Ganze „blitzblank" poliert.
„Prächtig instrumentiert, witzig, wo Witz
angebracht ist, sorgfältig gemacht, wo es
auf Eindringlichkeit der Tonsprache ankommt,
— im ganzen ein hübsches, fesselndes Stück
Musik. Nicht alles durchaus originell in dem
Sinne, daß Fall etwa eine neue Note an-
schlagen würde, aber mit so viel Geschick
ersonnen, so wirksam hingestellt, daß man an
ihm seine rechte Freude haben kann.
Das Publikum war sehr animiert und ver-
langte vieles da capo von den Schlagern, die
Schlag auf Schlag einander folgten, und bald
wird man sie wohl überall hören."
O ja. „Und der Himmel hängt voller
Geigen."
Hier ernten die Kunstfälscher echten Bei-
fall, in einem gemeinsamen Sündenfall ver-
schachern die Musikschmöcke das Paradies des
käuflichen Erfolges — hilf Himmel! — Schlag
auf Schlag!
J. A.

Beachtenswerte
Bücher
Ausführliche Besprechung vorbehalten
Rücksendung findet in keinem Falle statt
JOSE JUNOY
Arte y Artistas
Primera Serie
Mit zahlreichen Reproduktionen nach Gemälden
von Joaquin Sunyer / Enrique Casanovas / Joaquin
Mir / F. J. Nogues / Pablo Picasso
Barcelona / Libreria de „L'Aveng“
HENRI GHEON
Le Pain
Tragedie populaire
Paris / Editions de la Nouvelle
Revue Frangaise / Marcel Riviere et Cie

Notiz
In dem Beitrag von Siurlai (Nummer 103)
muß es heißen:
Sarywzew — wie ihm — eignet ein Mangel
an Privatleben.
Er auch mag lieber Ehrenmann als Präsident
sein.

Verantwortlich für die Schriftleitung
HERWARTH WALDEN / BERLIN-HALENSEE

Gemälde-Ausstellung
Zeitschrift Der Sturm
Tiergartenstraße 34 a

Futuristen
Geöffnet täglich von 10 bis 5 Uhr
Eine Mark

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