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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 3.1912-1913

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Nr. 150/151
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Für Kandinsky
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Umfang acht Seiten

Einzelbezug 40 Pfennig

DER STURM
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE

BERLIN MÄRZ 1913

NUMMER 150/151

Redaktion und Verlag
Berlin W 9/ Potsdamer Straße 134 a

Ausstellungsräume
Berlin W / Königin Augustastr. 51

Herausgeber und Schriftleiter
HERWARTH WALDEN

DRITTER JAHRGANG

Inhalt: Für Kandinsky / Ein Protest / F. T. Alarinetü: Supplement zum technischen Manifest der futuristischen Literatur / Alfred Döblin : Futuristische
Worttechnik / Offener Brief an F. T. Marinetti / Günther Mürr: Gedichte / Guillaume Apollinaire: Pariser Brief / Andre Rouveyre: Fünf Original-
zeichnungen

Für Kandinsky

Protest
Das „Hamburger Fremdenblatt“
vom 15. Februar 1913 veröffentlicht folgende Kritik:
Kandinsky
Zur Ausstellung bei Louis Bock &
Sohn,. Hamburg
Bei Louis Bock & Sohn hat wieder einmal
einer jener unglückseligen Monomanen ausgestellt,
die sich für die Propheten einer neuen Malkunst
halten. Wir sind schon mehrfach mit guten ästhe-
tischen Gründen gegen die unsinnige Theorie die-
ser Leute und gegen ihre ganze Pfuscherei zu
Felde gezogen, daß wir heute diesen Russen Kan-
dinsky rasch und ohne Aufregung erledigen
können.
Wenn man vor dem greulichen Farbengesudcl
und Liniengestammel im Oberlichtsaal bei Bock
steht, weiß man zunächst nicht, was man mehr
bewundern soll: die überlebensgroße Arroganz,
mit der Herr Kandinsky beansprucht, daß man
seine Pfuscherei ernst nimmt, die unsympathische
Frechheit, mit der die Gesellen vom „Sturm“, die
Protektoren dieser Ausstellung, diese verwilderte
Alalerei als Offenbarungen einer neuen und zu-
kunftsreichen Kunst propagieren, oder den ver-
werflichen Sensationshunger des Kunsthändlers,
der seine Räume für diesen Farben- und Formen-
wahnsinn hergibt. Schließlich aber siegt das Be-
dauern mit der irren, also unverantwortlichen
Malerseele, die, wie ein paar frühere Bilder er-
weisen, vor der Verdüsterung schöne und edle
malerische Formen schaffen konnte: gleichzeitig
empfindet man die Genugtuung, daß diese Sorte
von Kunst endlich an den Punkt gelangt ist, wo
sie sich glatt als den Ismus offenbart, bei dem sie
notwendig landen und stranden mußte, als den
Idiotismus.
Man wird vielleicht finden, daß seien harte und
ungerechte Worte. Ich finde, es sind die einzig
möglichen. Der Versuch einer ernsthaften Kritik
würde in diesem Falle, meine ich, ein bedenkliches
Licht auf den Kritiker werfen. Die bloße Konsta-
tierung der Existenz einer solchen Pseudokunst
ist eigentlich schon zu viel.
Kurt Küchler

Den letzten Teil dieser Kritik lasse ich fort,
weil er wesentlich neue Beschimpfungen nicht
mehr bringt. Herr Kurt Küchler braucht nicht
widerlegt zu werden. Man ist auch weniger em-
pört über die Dreistigkeit eines Possenautors, als
über die Tatsache, daß einem Unwissenden von
einer großen Tageszeitung die Gelegenheit ge-
geben wird, sich an dem hochbedeutenden Künst-
ler Kandinsky so zu vergreifen. Dieser Protest
richtet sich innerlich mehr gegen den Aiißbrauch,
daß solche Leute auf Künstler losgelassen werden.
Dieser Protest soll aber zugleich für Kandinsky
eine Ehrung bedeuten und ihm zeigen, welche
Achtung und Anerkennung seine Kunst bei künst-
lerischen Menschen findet. Ich bewundere ihn
und sein Werk.
H. W.
Dr. Heinz Braune / K. B. Direktion der
Staatlichen Galerien
. . . Immerhin bin ich der Meinung, daß durch
solche Art von „Kritiken“, mehr der Schreiber
gebrandmarkt wird, als der Künstler. Wer mit
Kot wirft, beschmutzt zunächst sicher seine eige-
nen Hände; der andere aber wird gewöhnlich so
wenig getroffen, wie in diesem Fall Kandinsky,
dessen lauteres, ernstes und unerschrockenes Vor-
wärtsstreben dadurch nicht zu irritieren sein
wird.
Aus einem Schreiben an den Herausgeber der Zeitschrift
Richard Dehme!
Sehr geehrter Herr Walden
Wenn ich gegen die Dummheit des Federviehs
•jedesmal „etwas schreiben“ wollte, wäre ich
längst am Schreibkrampf verreckt. Lassen Sie
dieses Kurt Küchlein doch piepsen; für solche
Hühnergehirnchen zerbricht sich Kandinsky wohl
nicht den Kopf.
Besten Gruß
D e h m e 1
Karl Ernst Osthaus
Museum Folkwang i Hagen i/W
Es verlohnt wohl nicht auf die Ausführungen

des Herrn Küchler näher einzugehen. Die Tat-
sache, daß sich Arbeiten von Kandinsky im Folk-
wang-AAuseum befinden, wird Ihnen zur Genüge
sagen, was ich von dem Künstler halte.
Hochachtungsvoll
Museum Folkwang
Hagen i/W
Osthaus
W. Steenhoff Stellvertretender Direktor des
Reichsmuseums zu Amsterdam
Sehr geehrter Herr
Ich ließ Ihnen ein Exemplar meines Essays über
Kandinsky in der Zeitschrift „De Amsterdammer,
Weekblad voor Nederland“ zusenden. In einigen
Tagen erscheint eine zweite Besprechung dieses
sehr bedeutenden modernen Malers in der
Wochenschrift „de Ploeg“, herausgegeben von de
Wereldbibliotheek, Amsterdam. Ich höre, daß
Albert Verwey, einer der ersten holländischen
Autoren in der Wochenschrift „de Beweging“ ein
Gedicht über Kandinsky veröffentlichte. Uebrigens
ist Kandinsky auch hier viel durch die Kritiker
beschimpft worden. Aber was macht das!
Hochachtungsvoll
W. Steenhoff
Swarzensky
Der Direktor des Städelschen Kunst-Institutes /
Frankfurt am Main
Sehr geehrter Herr
Wir leben in einer Zeit, wo jeder alles sagen
kann; so ist also ganz selbstverständlich, daß An-
sichten jeder Art gedruckt werden und ganz
zwecklos, dagegen mit dem gleichen Mittel einer
öffentlichen literarischen Gegenäußerung zu pro-
testieren.
Empörend finde ich nur, daß es möglich ist, das
jemand, der berufsmäßig in einer angesehenen
Zeitung Kritiken schreibt, eine derartige Expekto-
ration als Kritik herausgibt, — daß er die Sache,
die er beurteilen soll in Grund und Boden ver-
donnert und dabei ungeniert eingesteht, daß er
von dem „Versuch einer ernsthaften Kritik“ ab-
sieht, — ohne seine Ansicht als eine rein subjek-
tive Aeußerung zu charakterisieren. Ich kenne die
Persönlichkeit des „Kritikers“ nicht, und weiß des-
halb nicht, ob und inwieweit diese seine rein per-
sönliche Meinung als solche Ihre Entrüstung recht-
 
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