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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 3.1912-1913

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Nr. 134/135
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Walden, Herwarth: Schöne Kunst
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Zech, Paul: Nachtgewitter im Spätherbst
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Heinrich, Karl Borromäus: Menschen von Gottes Gnaden, [10]: aus den Bekenntnissen des Herrn Lieutenant Miéville, nachmaligen Paters Bonaventura S. J.
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https://doi.org/10.11588/diglit.56300#0199

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Errötend folgt er . . .
„Auf den S.p u r e n Zügels — aber in Gouache
«wandelt Leopold von St ... . nicht ohne Er-
folg V* Oder meint der Münchener Kunstkritiker
F. von Ostini nicht vielmehr: „Aber in Galo-
cbes. —“ ,
Ausverkauf
.Herr Hermann Bahr hat ein Buch her-
ausgegeben, das er schlicht „Inventur“ nennt.
Sofort stürzt Herr Konrad Alberti-Sittenfeld, auch
ein Fünfzigjähriger, in den Laden: „Wenn Hermann
Bahr eine Inventur ankündigt, so darf man ohne
.weiteres annehraen, daß es einen unterhaltsamen
Ausverkauf gibt. Denn dieser grundgescheite Lite-
raturwarenkenner ist viel zu erfahren und gewandt,
um nicht genau zu berechnen, womit er das Publi-
kum fängt und fesselt. So hat er mit geübtem Blick
. auch diesmal auf seinem .Lager Umschau gehalten
und in der Tat einen ganzen Pack Artikel entdeckt,
die zu einem hübschen Bande vereinigt noch einen
ganz ansehnlichen Absatz versprechen i . .“ So
etwas nennt die B. Z. am Mittag Buchkritik. Diese
alten Ladenhüter werden so an die Leser gebracht
und Herrn S. Fischer kosten diese Reklamezettel
nichts. Geschäft bleibt Geschäft. Aber das Pro-
vinzgeschäft geht besser. Deshalb läßt Herr Her-
mann Bahr nicht im Anzeigenteil, sondern unter
Theatemachrichten, die Rubriken haben allerdings
Verwandtschaft miteinander, veröffentlichen: „Das
diesjährige neue Lustspiel Hermann Bahrs Das
Prinzip wird mit Rücksicht auf das Pro-
vinzgeschäft seine Uraufführung nicht am
Lessingtheater, erleben.“ Vielleicht befreit uns
diese Rücksicht auf das Provinzgeschäft auch von
den anderen Theaterkonfektionären.

Zum Lachen
Jetzt erfährt man durch seinen Verleger, warum
Rideamus dichtet. Er will uns über die ernsten
Zeitläufte hinweghelfen und „uns für ein Weilchen
den Aerger des Tages vergessen lassen“. Da ich
annehme, daß die Leser dieser Zeitschrift noch nie
eine Zeile von Rideamus gelesen haben, sich doch
aber eine Vorstellung machen wollen, wie man „die
Dinge dieser Welt in einen Gesichtswinkel rückt,
von dem aus betrachtet, auch das Unangenehme
zum heitren Ereignis wird, drucke ich hier den An-
fang eines Gedichtes Der Taucher ab. Man braucht
nur zu bemerken, daß hier das nichtheitere Ereignis
unangenehm wird, und man wird schleunigst den
Dingen dieser Welt aus dem Gesichtswinkel des
verkennenden Juristen ausrücken:
• Schön Irmgard sitzt an der OstseeStrand,
: Sie hält ihre Mitgift in der Hand
Und Vater und Mutter baden im Meer;.
Da kommt eine mächtige Welle daher
: Und die Welle mußte'wohl kurzsichtig sein
Denn sie schlang die Mutter in sich hinein 1
Und spie sie rückflutend bis hinter den Strick'
Dort hält sich die Gnäd’ge und kann nicht zurück.
Und ein Rufen hebt an und ein wildes Geschrei,
Schon schießen die:Rettungsboote herbei.
Das heißt: sie machen vom Ufer los ’
' Und das dauert ein halbes Stündchen bloß.
Und der Vater sieht die Mutter von’ fern
. /Und er sieht sie von fern zunächst ganz gern.
Doch besinnt er sich bald und rüft: „Meine Herrn!
Meine Herrn,“ rüft der Vater, „komni'n Sie
•■.••'. mal her!
-■■■Meine teure- Gattin fiel mir ins Meer.
•. Und wer mir die Traute kann wieder zeigen '
• Der mag ; sie behalten ! ? Sie sei sein eigen!!“

Das finden die gebildeten Berliner und Berliner-
innen' im Westen heiter. Solch ein Buch kostet in
künstlerischem Umschlag nur zwei Mark fünfzig,
in Leinen gebunden aber drei Mark fünfzig. Das
Buch wird auch verlegt, jedoch nur von der schle-
sischen Verlagsanstalt G. m. b. H. in Berlin W.
Sonst liegt es auf dem Ziertisch des Salons jeder
besseren Wohnung.
Noch mehr zum Lachen
Aus einer Einladung deutscher Bühnenschrift-
steller zu einem Ball:
„Sollten Sie verheiratet sein und sich ein Ver-
gnügen davon versprechen, Ihre Gemahlin auf den
Ball mitzubringen, oder sollte von diesem Mitbrin-,
gen die Erlaubnis für Sie den Ball besuchen zu dür-
fen abhängen, oder sollte Ihnen gar die beneidens-
werte Aufgabe obliegen, tanzlustige Töchter zum
Tanz führen zu können, so wenden Sie sich ver-
trauensvoll schriftlich an unseren Schatzmeister.
Da die Polonaise kinematographisch aufgenom-
men und der Film im Kaiser-Friedrich-
Museum deponiert wird, so, daß noch nach vielen
tausend Jahren der Beweis geführt werden kann,
wie man sich in Berlin auch zurzeit des Schreies
nach Gefrierfleisch und der Verholzerei auf dem
Balkan, zu amüsieren verstand, würden Sie sich
einer kultur-historischen Unterschlagung schuldig
machen, wenn Sie nicht mit dabei wären.
Bemerkt sei noch, daß das Amüsement nur durch
wenige Vorträge unterbrochen wird.“
Nein, dieses Künstlervölkchen. Aber die Bürger-
lichen sind auch schon so weit. Man kann das Volk
nicht mehr unterscheiden.
H. W.
A W’1

Nachtgewitter
im Spätherbst
Sturm johlt heran und zerfetzt
Den morschen Novemberwald.
Und die Wolken, schwarzdrohend geballt
und zorngehetzt,
platzen im Wipfelzusammenprall.
Hagelnde Wucht
und blitzknatternder Knall
schäumen wie Brandung von Bucht zu Bucht.
Alle Bäume sind blind
und frieren weiß und weh
wie Menschen aus flockigem Weihnachtsschnee ...
Schon rauschen ferner die Sturmflutscharen
/Und aus Nacht, die klar den Himmel besternt.
weint ein Wind:
daß Sonne und Sommer waren,
vergeßt, verlernt!
Paul Ztebti
Menschen von Gottes
Gnaden
' Aus den Bekenntnissen des Herrn Lieutenant MI6<
ville, nachmaligen Paters Bonaventura S. J.
.Von Karl Borromäus Heinrich
... ... ...... - ... Fortsetzung
.Der Entschluß .,
■ ' Am Vormittag des 24. Dezember 19.. — zwei
Tage also nach dem eben geschilderten Vorfall —

ging Schlagintweit vor dem Hause der Brienner-
straße, wo Baron Frangart wohnte, unentschlossen
auf und nieder. Er sprach so laut mit sich selbst,
daß die Vorübergehenden gar nicht anders konn-
ten, als über ihn lächeln. „Oh weh, oh weh!“ rief
er, „jetzt also wird es Ernst, jetzt muß ich ihn
wirklich anpumpen! Der Geldbeutel hat lang
simuliert, — aber jetzt ist er wirklich krank.
Herrschaft, herrschaft! . . . Natürlich wird er es
mir geben, aber das ist mir wurscht. . . Na, nicht
gerade ganz wurscht, alter Schwimmer Schlagint-
weit! ... Aber peinlich ist es jedenfalls, peinlich!
Sozusagen unangenehm! Gleichsam zuwider! Ge-
wissermaßen abscheulich! ... Ja, ja, warum
habe ich bei ihm den Teufel Habenichts so oft lü-
genhaft an die Wand gemalt! Jetzt kommt er...
Nein, er ist überhaupt schon da! ... Hoffentlich
ist Frangart nicht verreist, der gute Junge hat
solche plötzliche Einfälle — das heißt, er wäre mir
schon beinahe lieber, er wäre verreist. Oh weh,
bh weh! . . .“
Baron Frangart hatte soeben dem Dienstmäd-
chen gesagt, daß sie heute gar niemand vor lassen
solle. In der Tat fühlte er sich nicht ganz wohl;
denn da er es verschmähte, sich mit körperlichen
Ausbrüchen Luft zu machen, wenn etwas Unange-
nehmes geschehen war, griff ihn alles innerlich um
so mehr an; er wußte es, und war auch aus diesem
Grunde nicht minder wie aus andern bestrebt seine
Ruhe zu hüten. Er saß jetzt frierend am geheizten
Kamin.
Schlagintweit war auf der Treppe zweimal um-
gekehrt. Aber dann gab er sich einen Ruck, ging
nochmals hinauf und läutete gleich einem Zug, bis
man ihm öffnete. Das Dienstmädchen wollte spre*
chen, wie ihr geheißen war; indes, schon hatte er
sie beiseite geschoben und polterte, das Klopfen
diesmal vergessend, in das Zimmer, wo er Fran-
gart vermutete. Dieser sah ihn erstaunt und ge-
kränkt an. „Ich muß Sie leider anpumpen!“
platzte Schlagintweit heraus. Frangart seinerseits
mußte nun doch lächeln. „Aber setzen Sie sich
nur, Schlagintweit! Das werden wir ja gleich
haben.“ — „Seien Sie nicht so liebenswürdig, Ba-
ron! Diesmal ist es viel und ich brauche es not-
wendig.“ Frangart lächelte wieder. — „Wieviel
ist es denn?“ — „Sehr viel.“ — „Wieviel denn?“
— „Blödsinnig viel — vierhundert Mark!“ schrie
Schlagintweit heftig und fühlte sich geradezu er
löst, daß er sich’s zu sagen getraut hatte;- er
schnaufte förmlich auf. „Mit Vergnügen, Schla-
gintweit, mit Vergnügen!“ beruhigte ihn der Ba-
ron, erhob sich und trat an den Schrank, um das
Erbetene herauszunehmen. „Und diesmal bekom-
men Sie es nicht so schnell wieder!“ rief Schla-
gintweit noch besorgt. — „Nun, also weniger
schnell!“
„Aber jetzt setzen Sie sich, bitte,“ lud ihn
Baron Frangart nochmals ein. . . „Erstens näm-
lich,“ begann Schlagintweit erklärend, „muß' ith
jetzt einige Bilder in unsere Wohnung hängen'und
einen Läufer für den Fußboden kaufen, damit zes
auch etwas gleichsieht bei uns. Zweitens“"(Baron
Frangart machte eine abwehrende Bewegung, zum
Zeichen, daß er ja keine Erklärungen wünsche) —,
„zweitens nämlich will ich das deshalb, weil ich
drittens, weil ich, ja, weil ich jetzt eine Braut habe,
Herr Baron, und dieser, viertens, wohl auch ein
besseres Geschenk machen muß. . .“ — „Nein?“
machte Frangart sehr gedehnt und unterdrückte
ein etwas spöttisches Lächeln. „Ja, eine Braut
habe ich jetzt,“ wiederholte Schlagintweit mit
größter Bestimmtheit. „Ich gratuliere verbind-
lichst!“ sagte Frangart dagegen.
Und Schlagintweit erzählte, daß seine Braut
eine achtundzwanzigjährige Witwe sei, also ein
paar Jahre älter als er, aber „Was sagt denn das?"!“
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