kreiste. Er legte den jungen Baron in sein Bett und
bedeckte ihn, Dann verließen sie aut den Fue-
spitzen das Gemach.
Im andern Zimmer aber weinten sie mitein*
ander. Und dann wieder wurden ihre Augen heiß
und trocken; sie konnten nicht mehr weinen. Ihre
Resignjation breitete jsijch schweigsjam über den
Raum, wie die Grabesstille sich über den Friedhof
breitet, wenn gar keine Luft mehr weht und die
Zypressen erstarren. Der Schrei der Sehnsucht
war erstarrt . . . Einem Schatten gleich schritt
Pater Bonaventura den Berg hinunter, durch die
hohe, tiefblaue Nacht, unter dem südlich hellen
Licht ihrer Sterne ....
Unten holte er seinen Kutscher aus der Sehen»
ke; aber er sah, daß dieser schon zu betrunken
war, um >ihn heimzubringen. Indteß waren die
Wirtsleute lieb zu Bonaventura und gaben ihrem
eignen Sohn den Auftrag,, den fremden Herrn nach
Bozen zu bringen. Der Kutscher aber rutschte vom
Stuhl unter den Tisch undi lallte: ,,Ja, ja, so, so,
also .... Adieu . . . 1“.
Der Wagen rollte einsam zurück ....
Die Bestattung
JPater Bonaventura, der die ganze Nacht kein
Auge zugetan und auf den Knieen liegend sein Ge-
lübde der Entsagung und Enthaltung erneuert hat’
te, las schon früh fünf Uhr seine Messe. Kein
Mensch war noch in der uralten Pfarrkirche von
Bozen, und er stand allein vor seinem Schmerz und
seinem Gott.
Gegen zehn Uhr brachte ihn der Wagen nach
Frangart. Der junge Baron war ihm langsam ent-
gegengegangen. Er bestellte ihm Grüße von seiner
Mutter, mit der Nachricht, 'daß sie ihn, infolge
großer Herzbeschwerden njjcht mehr empfangen
könne; daß ein Telegramm des alten Choiseul ge-
kommen sei, in dem er die Baronin bitte, nach
Riom oder Choiseul heimzukommen; er sei etwas
leidend, sonst würde en sie selbst abholen; daß
die Baronin ablehnend geantwortet habe, sie fühle
sich außerstande, eine so weite Reise zu unter*
nehmen, endlich aber, daß die Mutter und er, der
junge Baron beratschlagt hätten, ob er nicht auf
einige Jahre eine Schule etwa das Collegium der
patres in Chamfort, besuchen solle. Bei diesen
Worten lächelte Fritz Frangart sehr höflich, wäh*
rend ihm Bonaventura innig die Hand drückte.
So gingen sie vor der Kirche auf und ab. Die Be-
erdigung war auf elf Uhr festgesetzt,jedoch hatte
man die Zeit nicht öffentlich bekannt gegeben; was
sich aus den auffälligen Umständen des Todes Ba-
ron Frangarts erklärte. Man wollte, zumal die
Grablegung in der einfachsten Form vor sich gehen
sollte, das Zusammenströmen der Leute und die
Bildung loser Gerüchte vermeiden... Es wurden
nur einige Wiener Offiziere erwartet. Diese ka*
men dann auch in schärfster Fahrt genau zur be-
stimmten Zeit an. Baron Fritz Frangart nahm in
aller Ruhe ihre Karten entgegen, stellte sich vor
und machte auch Pater Bonaventura mit den Her-
ren bekannt. Dann übergab er die Karten einer
herbeigeeilten Bedienerin,, damit sie sie seiner Mut-
ter zustelle, welche er nun ein zweites Mal ent-
schuldigte: die Baronin könne wegen ihres Herz-
leidens niemand empfangen; wollten aber die Her-
ren mit ihm vorlieb nehmen, so bäte er sie, nach
der Feierlichkeit eine Viertelstunde ins Schloß zu
kommen. Die Offiziere ihrerseits, welche über die
grazile Schönheit des Knaben nicht minder
erstaunt waren, wie über seine frühe Sicher-
heit und Beherrschung, lehnten dankend ab,
indem sie erklärten, den allernächsten Zug nach
Wien zurücknehmen zu müssen. Alle zusammen
stiegen die Treppe zu dem geöffneten Portal empor;
dem Beispiel des vorangehenden Knaben folgend,
verneigten sie sich tief vor dem Sarg, der nur ei-
nen einzigen, mit blutroten Rosen gewundenen
Kranz trug. Der älteste der Offiziere trat an den
Sarg, verneigte sich wiederholt und legte den mit-
gebrachten Kranz des Regiments wortlos darauf
nieder. Der Geistliche kam eben mit zwei Minis-
tranten und vier Sargträgern aus der Sakristei.
Er bespritzte die Bahre mit Weihwasser und sprach
die rituellen Worte der Aussegnung. Die Träger
traten an den Sarg, nahmen ihn sorgsam auf die
Schultern und trugen ihn hinaus. Der Geistliche
folgte. Hinter ihm schritt mit über die Brust ge-
kreuzten Armen, starren Blickes, und ohne äuße-
res Anzeichen der Bewegung in seinen scharfge-
schnittenen Zügen, der junge Baron. Alle Augen
hingen an ihm, an seinem edlen, gleichmäßigen
Gang, an der vollkommenen Harmonie seiner kind-
lichen Gestalt. Bald standen sie alle am geöffneten
Familiengrab derer von Frangart, das dicht an die
Kirchenmauer gebaut war.
In diesem Augenblick, eben als der Sarg nie-
dergesetzt wurde, hörte man die Schritte zahlrei-
cher. eilig ankommender Menschen, Es waren die
Bauern aus der Umgebung, schlanke kleine Leute,
mit braungeglühten Gesichtern und kühnen neu-
gierig-teilnehmenden Augen Man hatte die Offi-
ziere fahren gesehen, die Zeit des Begräbnisses
erraten und sich in größteif Eile feiertäglich
angezogen. Es war rührend zu sehen, wie sie als
sie in die Nähe des Grabes gekommen waren, ihre
Schritte dämpften und den vom schnellen Laufen
hochgehenden Atem anhielten. Fast allesamt tru-
gen Büschel von Feldblumen, die sie verlegen in
den arbeitsrauhen Händen emporhoben.
Ihr Kommen hatte eine kurze Unerbrechung
verursacht. Dann aber begann der Geistliche die
vorgeschriebnen lateinische Gebete und führte sie
mit langsamer ausdrucksvoller Betonung zu Ende.
Er nahm den Weih wedel und bespritzte den Sarg,
den die Träger ängstlsich in die Tiefe glei-
ten ließen, nochmals mit dem gesegneten Wasi-
ser. Schließlich ergriff er die Schaufel, stach
kaum ein Klümpchen Erde damit aus und
warf es in das Grab. Mit einer schüch-
ternen besorgten Bewegung reichte er die Schaufel
jetzt dem Knaben,
Fritz Frangart trat einen Schritt vor. In die-
sem Augenblick breitete eben die hohe Sonne ihre
freien dunstvollen Strahlen mit gelassener Heiter*
keit über das offene Grab und über die zierliche,
in schwarzen Samt gekleidete Gestalt des jungen
Barons. Der glänzende Stoff flimmerte. Die Strahl
len übergossen das bronzefarbene schmale Gesicht
und brachen sich an dem seidenweichen Haar und
an den langen langen Wimpern ....
Fritz Frangart stach mit der Schaufel in die
Erde und füllte sie langsam; mit strenger, wie ab-
gemessener Bewegung führte er sie an den Rand
des Grabes, Er ließ sie sinken, und mit lautem un-
heimlichen Poltern schlugen die Erdklumpen auf
dem Sarg auf. Da schien es den Anwesenden, die
ihm atemlos zugesehen hatten, als ob die weichen
vornehmen Linien seines liebenswürdigen schlan-
ken Körpers ein innerliches Zittern durchlief. Eilig
und mit leiser Bewegung wollten Bonaventura und
die Offiziere auf ihn zutreten. Aber schon war er
wieder ruhig geworden. Nur einen Augenblick
senkten und öffneten sich noch die langen langen
Wimpern über den trocknen dunkeln Augen. So
stand er da, mit unbewußtem unvergleichlichem
Stolz, von der heißen verzehrenden Straihlenflut
der Mittagsonne übergossen.
Alle schluchzten laut. Erschüttert gab einer
dem andern den Spaten. Die Offiziere drückten
dem jungen Baron die Hand. Die Bauern küßten
sie ehrfürchtig, nachdem sie mit linkischem schüch-
ternen Arm ihre Blumenbüschel ins Grab geworfen
hatten.
Pater Bonaventura aber weinte unaufhörlich.
Die Tränen, die seine gütigen Augen füllten, glitzer-
ten im Sonnenlicht. Mit bebender Hand segnete
er immer wieder die letzte Stätte seines heimge-
gangenen Freundes und stammelte: „. . . und das
ewige Licht, das ewige Licht leuchte ihm!“ . . .“
Mit heißen Augen sah die Baronin Frangart,
an ein Fenster des Schlosses gelehnt, blaß und
zart, gleich einem Schatten und Hauch aus einer
andern Welt, der Grablegung zu.
Fortsetzung folgt
Rheinhafen
Vier Szenen von Paul Zech
Frühmorg'ens
Hat der mörderische Naohtwind ausgetobt,
reihn sich rundgewölbte Fenster wie Korallen
flußlängsauf. Und schrille Dampferpfiffe fallen
in das Sanktur, das ein Glöcklein zaghaft probt.
Ein paar Kähne schaukeln durch das Schleusentor.
Auf den Quais rangieren die Gemüsewagen.
Händler feilschen herzhaft. Und ein goldbelitzter
Kragen
fuchtelt würdig mit dem dünnen Pfefferrohr.
Unterm Brückenpfeiler wo die Flut sich staut,
läßt der Angler das Geschnür der Rute spielen
und beäugt verzweifelt den halbleeren Tiegel.
In den Speichern knarrn und knirschen alle Riegel
Undi der Kuli spuckt erst bräunlich in die Schwielen
eh’ er sich in den geschwärzten Bauch des Damp-
fers traut.
Mittwochs Nachmittags
Ein behelmter Unteroffizier und dreizehn Mann,
weißverwaschnen Drillich uin robuste Glieder,
schielen lüstern nach dem straffgesteiften Mieder
jener Amme mit dem Kinderzwiegespann.
Wimpel blähn sich schwarzweißrot ums Schiffer-
haus.
Booterwartend steht ein Gent mit Sommerpocken
an der Fähre, und sein Schatz trägt falsche Locken
und im Gürtel einen Groschensveilchensrauß.
Und ein heller Wind der drüben auf dem andern
Ufer die Terrassen kühler Bierlokale
frech behorchte, summt so was von Tanzmusik.
Auf der Flußallee jedoch verdaun im Wandern
zwei beleibte Spießer fette Mittagsmahle
und die äußere Politik.
Regnerischer Abend
Schlanke Dampfer und ein halbentleerterKohlenkahn
schaukeln an den Ankerketten auf und nieder.
Flacher Himmel senkt die schwerbewölkten Lider
tief herab und schwärzt die breite Wasserbahn.
Ein paar Bordlaternen blühn am Quai
wie verwaiste Rosen zwischen Gräbermaie.
Eine Dirne, lauernd unter dem Laternenpfahle,
stößt den Atem aus wie bläulich Dampfgebläh.
Fröstelnd stolpern die Matrosen aus dem Schiff;
einer bläst die Mundharmonika, ein zweiter
bietet sich der Kleinen dar als Heimgeleiter.
Und vom Fährhaus bis zur nächsten Schnapsdestille
schiebt sich hin- und hergerudert eine Zille ....
Doch der Regen überrauscht den Bootsmannspfiff.
187
bedeckte ihn, Dann verließen sie aut den Fue-
spitzen das Gemach.
Im andern Zimmer aber weinten sie mitein*
ander. Und dann wieder wurden ihre Augen heiß
und trocken; sie konnten nicht mehr weinen. Ihre
Resignjation breitete jsijch schweigsjam über den
Raum, wie die Grabesstille sich über den Friedhof
breitet, wenn gar keine Luft mehr weht und die
Zypressen erstarren. Der Schrei der Sehnsucht
war erstarrt . . . Einem Schatten gleich schritt
Pater Bonaventura den Berg hinunter, durch die
hohe, tiefblaue Nacht, unter dem südlich hellen
Licht ihrer Sterne ....
Unten holte er seinen Kutscher aus der Sehen»
ke; aber er sah, daß dieser schon zu betrunken
war, um >ihn heimzubringen. Indteß waren die
Wirtsleute lieb zu Bonaventura und gaben ihrem
eignen Sohn den Auftrag,, den fremden Herrn nach
Bozen zu bringen. Der Kutscher aber rutschte vom
Stuhl unter den Tisch undi lallte: ,,Ja, ja, so, so,
also .... Adieu . . . 1“.
Der Wagen rollte einsam zurück ....
Die Bestattung
JPater Bonaventura, der die ganze Nacht kein
Auge zugetan und auf den Knieen liegend sein Ge-
lübde der Entsagung und Enthaltung erneuert hat’
te, las schon früh fünf Uhr seine Messe. Kein
Mensch war noch in der uralten Pfarrkirche von
Bozen, und er stand allein vor seinem Schmerz und
seinem Gott.
Gegen zehn Uhr brachte ihn der Wagen nach
Frangart. Der junge Baron war ihm langsam ent-
gegengegangen. Er bestellte ihm Grüße von seiner
Mutter, mit der Nachricht, 'daß sie ihn, infolge
großer Herzbeschwerden njjcht mehr empfangen
könne; daß ein Telegramm des alten Choiseul ge-
kommen sei, in dem er die Baronin bitte, nach
Riom oder Choiseul heimzukommen; er sei etwas
leidend, sonst würde en sie selbst abholen; daß
die Baronin ablehnend geantwortet habe, sie fühle
sich außerstande, eine so weite Reise zu unter*
nehmen, endlich aber, daß die Mutter und er, der
junge Baron beratschlagt hätten, ob er nicht auf
einige Jahre eine Schule etwa das Collegium der
patres in Chamfort, besuchen solle. Bei diesen
Worten lächelte Fritz Frangart sehr höflich, wäh*
rend ihm Bonaventura innig die Hand drückte.
So gingen sie vor der Kirche auf und ab. Die Be-
erdigung war auf elf Uhr festgesetzt,jedoch hatte
man die Zeit nicht öffentlich bekannt gegeben; was
sich aus den auffälligen Umständen des Todes Ba-
ron Frangarts erklärte. Man wollte, zumal die
Grablegung in der einfachsten Form vor sich gehen
sollte, das Zusammenströmen der Leute und die
Bildung loser Gerüchte vermeiden... Es wurden
nur einige Wiener Offiziere erwartet. Diese ka*
men dann auch in schärfster Fahrt genau zur be-
stimmten Zeit an. Baron Fritz Frangart nahm in
aller Ruhe ihre Karten entgegen, stellte sich vor
und machte auch Pater Bonaventura mit den Her-
ren bekannt. Dann übergab er die Karten einer
herbeigeeilten Bedienerin,, damit sie sie seiner Mut-
ter zustelle, welche er nun ein zweites Mal ent-
schuldigte: die Baronin könne wegen ihres Herz-
leidens niemand empfangen; wollten aber die Her-
ren mit ihm vorlieb nehmen, so bäte er sie, nach
der Feierlichkeit eine Viertelstunde ins Schloß zu
kommen. Die Offiziere ihrerseits, welche über die
grazile Schönheit des Knaben nicht minder
erstaunt waren, wie über seine frühe Sicher-
heit und Beherrschung, lehnten dankend ab,
indem sie erklärten, den allernächsten Zug nach
Wien zurücknehmen zu müssen. Alle zusammen
stiegen die Treppe zu dem geöffneten Portal empor;
dem Beispiel des vorangehenden Knaben folgend,
verneigten sie sich tief vor dem Sarg, der nur ei-
nen einzigen, mit blutroten Rosen gewundenen
Kranz trug. Der älteste der Offiziere trat an den
Sarg, verneigte sich wiederholt und legte den mit-
gebrachten Kranz des Regiments wortlos darauf
nieder. Der Geistliche kam eben mit zwei Minis-
tranten und vier Sargträgern aus der Sakristei.
Er bespritzte die Bahre mit Weihwasser und sprach
die rituellen Worte der Aussegnung. Die Träger
traten an den Sarg, nahmen ihn sorgsam auf die
Schultern und trugen ihn hinaus. Der Geistliche
folgte. Hinter ihm schritt mit über die Brust ge-
kreuzten Armen, starren Blickes, und ohne äuße-
res Anzeichen der Bewegung in seinen scharfge-
schnittenen Zügen, der junge Baron. Alle Augen
hingen an ihm, an seinem edlen, gleichmäßigen
Gang, an der vollkommenen Harmonie seiner kind-
lichen Gestalt. Bald standen sie alle am geöffneten
Familiengrab derer von Frangart, das dicht an die
Kirchenmauer gebaut war.
In diesem Augenblick, eben als der Sarg nie-
dergesetzt wurde, hörte man die Schritte zahlrei-
cher. eilig ankommender Menschen, Es waren die
Bauern aus der Umgebung, schlanke kleine Leute,
mit braungeglühten Gesichtern und kühnen neu-
gierig-teilnehmenden Augen Man hatte die Offi-
ziere fahren gesehen, die Zeit des Begräbnisses
erraten und sich in größteif Eile feiertäglich
angezogen. Es war rührend zu sehen, wie sie als
sie in die Nähe des Grabes gekommen waren, ihre
Schritte dämpften und den vom schnellen Laufen
hochgehenden Atem anhielten. Fast allesamt tru-
gen Büschel von Feldblumen, die sie verlegen in
den arbeitsrauhen Händen emporhoben.
Ihr Kommen hatte eine kurze Unerbrechung
verursacht. Dann aber begann der Geistliche die
vorgeschriebnen lateinische Gebete und führte sie
mit langsamer ausdrucksvoller Betonung zu Ende.
Er nahm den Weih wedel und bespritzte den Sarg,
den die Träger ängstlsich in die Tiefe glei-
ten ließen, nochmals mit dem gesegneten Wasi-
ser. Schließlich ergriff er die Schaufel, stach
kaum ein Klümpchen Erde damit aus und
warf es in das Grab. Mit einer schüch-
ternen besorgten Bewegung reichte er die Schaufel
jetzt dem Knaben,
Fritz Frangart trat einen Schritt vor. In die-
sem Augenblick breitete eben die hohe Sonne ihre
freien dunstvollen Strahlen mit gelassener Heiter*
keit über das offene Grab und über die zierliche,
in schwarzen Samt gekleidete Gestalt des jungen
Barons. Der glänzende Stoff flimmerte. Die Strahl
len übergossen das bronzefarbene schmale Gesicht
und brachen sich an dem seidenweichen Haar und
an den langen langen Wimpern ....
Fritz Frangart stach mit der Schaufel in die
Erde und füllte sie langsam; mit strenger, wie ab-
gemessener Bewegung führte er sie an den Rand
des Grabes, Er ließ sie sinken, und mit lautem un-
heimlichen Poltern schlugen die Erdklumpen auf
dem Sarg auf. Da schien es den Anwesenden, die
ihm atemlos zugesehen hatten, als ob die weichen
vornehmen Linien seines liebenswürdigen schlan-
ken Körpers ein innerliches Zittern durchlief. Eilig
und mit leiser Bewegung wollten Bonaventura und
die Offiziere auf ihn zutreten. Aber schon war er
wieder ruhig geworden. Nur einen Augenblick
senkten und öffneten sich noch die langen langen
Wimpern über den trocknen dunkeln Augen. So
stand er da, mit unbewußtem unvergleichlichem
Stolz, von der heißen verzehrenden Straihlenflut
der Mittagsonne übergossen.
Alle schluchzten laut. Erschüttert gab einer
dem andern den Spaten. Die Offiziere drückten
dem jungen Baron die Hand. Die Bauern küßten
sie ehrfürchtig, nachdem sie mit linkischem schüch-
ternen Arm ihre Blumenbüschel ins Grab geworfen
hatten.
Pater Bonaventura aber weinte unaufhörlich.
Die Tränen, die seine gütigen Augen füllten, glitzer-
ten im Sonnenlicht. Mit bebender Hand segnete
er immer wieder die letzte Stätte seines heimge-
gangenen Freundes und stammelte: „. . . und das
ewige Licht, das ewige Licht leuchte ihm!“ . . .“
Mit heißen Augen sah die Baronin Frangart,
an ein Fenster des Schlosses gelehnt, blaß und
zart, gleich einem Schatten und Hauch aus einer
andern Welt, der Grablegung zu.
Fortsetzung folgt
Rheinhafen
Vier Szenen von Paul Zech
Frühmorg'ens
Hat der mörderische Naohtwind ausgetobt,
reihn sich rundgewölbte Fenster wie Korallen
flußlängsauf. Und schrille Dampferpfiffe fallen
in das Sanktur, das ein Glöcklein zaghaft probt.
Ein paar Kähne schaukeln durch das Schleusentor.
Auf den Quais rangieren die Gemüsewagen.
Händler feilschen herzhaft. Und ein goldbelitzter
Kragen
fuchtelt würdig mit dem dünnen Pfefferrohr.
Unterm Brückenpfeiler wo die Flut sich staut,
läßt der Angler das Geschnür der Rute spielen
und beäugt verzweifelt den halbleeren Tiegel.
In den Speichern knarrn und knirschen alle Riegel
Undi der Kuli spuckt erst bräunlich in die Schwielen
eh’ er sich in den geschwärzten Bauch des Damp-
fers traut.
Mittwochs Nachmittags
Ein behelmter Unteroffizier und dreizehn Mann,
weißverwaschnen Drillich uin robuste Glieder,
schielen lüstern nach dem straffgesteiften Mieder
jener Amme mit dem Kinderzwiegespann.
Wimpel blähn sich schwarzweißrot ums Schiffer-
haus.
Booterwartend steht ein Gent mit Sommerpocken
an der Fähre, und sein Schatz trägt falsche Locken
und im Gürtel einen Groschensveilchensrauß.
Und ein heller Wind der drüben auf dem andern
Ufer die Terrassen kühler Bierlokale
frech behorchte, summt so was von Tanzmusik.
Auf der Flußallee jedoch verdaun im Wandern
zwei beleibte Spießer fette Mittagsmahle
und die äußere Politik.
Regnerischer Abend
Schlanke Dampfer und ein halbentleerterKohlenkahn
schaukeln an den Ankerketten auf und nieder.
Flacher Himmel senkt die schwerbewölkten Lider
tief herab und schwärzt die breite Wasserbahn.
Ein paar Bordlaternen blühn am Quai
wie verwaiste Rosen zwischen Gräbermaie.
Eine Dirne, lauernd unter dem Laternenpfahle,
stößt den Atem aus wie bläulich Dampfgebläh.
Fröstelnd stolpern die Matrosen aus dem Schiff;
einer bläst die Mundharmonika, ein zweiter
bietet sich der Kleinen dar als Heimgeleiter.
Und vom Fährhaus bis zur nächsten Schnapsdestille
schiebt sich hin- und hergerudert eine Zille ....
Doch der Regen überrauscht den Bootsmannspfiff.
187