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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 3.1912-1913

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Nr. 132
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Walden, Herwarth: Zeitgeschichten
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Heinrich, Karl Borromäus: Menschen von Gottes Gnaden, [8]: aus den Bekenntnissen des Herrn Lieutnant Miéville, nachmaligen Paters Bonaventura S. J.
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https://doi.org/10.11588/diglit.56300#0186

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sische Zeitung liest. Selbst die Leser des Sturms
sind orientierter. (Sie wissen wenigstens, daß die
Zigarre existiert mit der Devise: Rauch ist alles
ird’sche Leben.) Alle diese schönen Dinge weiß
die B. Z. am Mittag nicht. Aber sie hat sein jüng-
stes Buch gelesen. Es bezeugt, „welch beachtens-
werte Fortschritte in der Beherrschung dieses
schwierigen Gebietes er noch gemacht hat. Den
Untergrund seiner neuen Dichtung bildet der
mittlere Teil des deutsch-französischen Feld-
zuges“. Der Dichter scheute weder Kosten noch
Mühe. Die Kosten: „Per Dichter hat sich den
größten Teil des Sommers hindurch in Frankreich
aufgehalten, um an Ort und Stelle seine Studien zu
machen.“ Da mußte es eine Wirklichkeitsdich-
tung werden. Die Mühe: „Bloem hat sich für diese
Aufgabe einen wahrhaft epischen Stil geschaffen.“
Ja, er hat toll gerungen mit der deutschen Muse,
„er läßt mit tragischer Wortgewalt das Einzel-
persönliche ganz zurücktreten und schildert die
Vorgänge als das Ringenzweier V ö 1 k er-
massen um die Weltherrschaft“. So ein origi-
neller Gedanke ist diesem Kopf entsprungen. Solch
ein Ringen kann man- wahrhaft nicht vergeblich
.nennen. Und die Ausführung! Wie könnte sie bei

Bloem anders sein, als von „bewundernder Meister-
schaft“. Das genügt. Aber der B. Z. am Mittag
genügt es nicht. Mit bewundernswerter Meister-
schaft wird die bewundernswerte Meisterschaft ge-
schildert: „Man sieht geradezu die Kugeln in die
Mauern der Gebäude des Dorffriedhofes einschla-
gen, man glaubt den Lärm ihres Platzens, die Töne
der Signale, die Schreie der Stürzenden zu hören,
der ganze Vorgang ist von unerhörter ergreifender
Anschaulichkeit.“ Besser hat es selbst der Meister
Bloem nicht geschildert als sein kongenialer Kri-
tiker. Man ist ergriffen von solcher uner hörten
Anschaulichkeit. Und kein Geringerer hat
dem Walter Bloem solches Lob gespendet als der
Meister Konrad Alberti-Sittenfeld. Welche rüh-
rende Tragik liegt in diesem neidlosen Lob. Kon-
rad Alberti-Sittenfeld feiert in diesem Jahr, wie
zahlreiche andere Menschen, seinen fünfzigsten
Geburtstag. Sein deutsches Volk hat ihm nicht
gratuliert. So muß er es sich selbst tun. In der
B. Z. am Mittag. Aber er ist jung gebliebe». Denn
wer den Dichter Bloem erkennt, maß sicher ein
alter Knabe sein.
H. W.

Menschen von Gottes
Gnaden
Aus den Bekenntnissen des Herrn Lieutenant Mit»
ville, nachmaligen Paters Bonaventura S. J.
Von Karl Borromäus Heinrich
FortsetxMC
Solchermaßen waren nun doch eine Zeitlang
über die alte Mauer der Ruhe, von der umgeben
Baron Fritz Frangart dahinlebte, die unruhigen
Eidechsen der Heiterkeit geklettert, die der gute
Bajazzo dorthin jagte; und Baron Frangart jagte
sie nicht weg. Aber dem Bajazzo selbst öffneten
sich die Mauern nicht. In dunkeln Nächten stand
er manchmal leise schluchzend davor. Unerhört
verhallte sein Schluchzen, und das Salz seiner
Tränen konnte der Mauer so wenig anhaben, wie
die zartfüBigen Eidechsen seiner Heiterkeit. — Ein
solcher Bajazzo wie Schlagintweit hatte ein schwe-
res Los auf Erden: freilich darf er seine Späße auch
dort aufführen, wo sich andre keine lustige Miene
mehr getrauen, geschweige denn ein Wort. Aber
das ist auch altes. Er muß froh sein, wenn er nicht
mißverstanden wird; wenn ihn die andern nicht
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