Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 3.1912-1913
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.56300#0267
DOI Heft:
Nr. 148/149
DOI Artikel:Verwey, Albert: Der Maler
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.56300#0267
Umfang acht rSeiten
Einzelbezug 40 Pfennig
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
DRITTER JAHRGANG
BERLIN FEBRUAR 1913
NUMMER 148/149
Inhalt: Albert Verwey: Der Maler / Paul Zech: Der Agitator / Paul Zech: Die Ahnungslosen / Paul Zech: Der Kohlenbaron / Rudolf Leonhard: Das
schwarze Revier / Artur Babillotte: Die Schwermut des Genießers / Guillaume Apollinaire: Die moderne Malerei / Paul Bommerstein: Die Ueberwindung
der Perspektive und Robert Delaunay / Paul Hatvani: Wagner-Feier / Peter Scher: Das Herz der Else Lasker-Schüler / Hermann Wagner: Die rote Flamme
H. W.:. Deutschsprachiges / Ludwig Meidner: Porträt von Paul Zech / Ludwig Meidner: Das schwarze Revier
Ludwig Meidner: Porträt von Paul Zech
Der Maler
Von Albert Verwey
An Kandinsky
Sieh meine Seele nun: ein wundervoller Morgen.
Der fern in ungeheurem Farbenspiel erglüht.
Nichts Lautes, doch wie in Verhaltung halb ver-
borgen
Das neue Wesen, das zu vollem Lichte sprüht.
O diese Leidenschaften solche Glut zu splittern!
O diese Kraft, die alles Schwankende zerschellt!
Schneidende Linien, die den Abgrund übergittern»
Zirkelnder Rhythmus sausend durch die Luft ge-
schnellt»
Was sind des Himmels und der Erde Heimlich-
keiten:
Verschwistertes aus Düsternis und Aetherblau;
Tiefdunkles Dröhnen wie aus dumpfen Urwelts-
zeiten.
Flimmernder Glanz auf dionysch trunkener Au, ■
In mir nur strömen diese Pole all zusammen,
Knisternder Funke hat ihr’ Lohn zu eins ge-
schweißte
Der klassische Mäander kann mich nicht entflam-
men;
Doch das Gezack der Blitze, wolkenwärts vergreist
Soll ich hier dumpf die abgebrauchten Formen
wahren;
Verwittertes, woran kein Kinderherz mehr glaubt
Wo sich dem Auge neue Farben offenbaren
Und Wunder dreimal glutend über deinem Haupt?
Weltwunder in Bewegung strömend hingegossen,.
Sichtbares Wogen, dessen blutpulsierendes Gefühl
Ein ewig Wechselndes enthüllt hat und erschlos-
sen.
Ergießt sich in uns wie ein nimmerendendes Ge-
wühl.
Quelle des Weltalls, die ihr flutendes Geschehen,
(Sprudel und Schlund, durch Farbenspiel und
Linien gezeucht)
Zusammenschweißt mit unsrem Kommen und Ver-
wehen
Zu einem schimmernden, verflimmernden Geleucht
Dieses ist unsre Seele: Licht sein und ein
Glänzen;
Worin sich alle Kraft und alle Form ergießt
Und keinen Augenblick bei den nervösen Tänzen
Die Zücht vergessen, die den Ring der Schöpfung
schließt.
Aus dem Holländischen von '
Paul Zech und R e e k
Einzelbezug 40 Pfennig
WOCHENSCHRIFT FÜR KULTUR UND DIE KÜNSTE
DRITTER JAHRGANG
BERLIN FEBRUAR 1913
NUMMER 148/149
Inhalt: Albert Verwey: Der Maler / Paul Zech: Der Agitator / Paul Zech: Die Ahnungslosen / Paul Zech: Der Kohlenbaron / Rudolf Leonhard: Das
schwarze Revier / Artur Babillotte: Die Schwermut des Genießers / Guillaume Apollinaire: Die moderne Malerei / Paul Bommerstein: Die Ueberwindung
der Perspektive und Robert Delaunay / Paul Hatvani: Wagner-Feier / Peter Scher: Das Herz der Else Lasker-Schüler / Hermann Wagner: Die rote Flamme
H. W.:. Deutschsprachiges / Ludwig Meidner: Porträt von Paul Zech / Ludwig Meidner: Das schwarze Revier
Ludwig Meidner: Porträt von Paul Zech
Der Maler
Von Albert Verwey
An Kandinsky
Sieh meine Seele nun: ein wundervoller Morgen.
Der fern in ungeheurem Farbenspiel erglüht.
Nichts Lautes, doch wie in Verhaltung halb ver-
borgen
Das neue Wesen, das zu vollem Lichte sprüht.
O diese Leidenschaften solche Glut zu splittern!
O diese Kraft, die alles Schwankende zerschellt!
Schneidende Linien, die den Abgrund übergittern»
Zirkelnder Rhythmus sausend durch die Luft ge-
schnellt»
Was sind des Himmels und der Erde Heimlich-
keiten:
Verschwistertes aus Düsternis und Aetherblau;
Tiefdunkles Dröhnen wie aus dumpfen Urwelts-
zeiten.
Flimmernder Glanz auf dionysch trunkener Au, ■
In mir nur strömen diese Pole all zusammen,
Knisternder Funke hat ihr’ Lohn zu eins ge-
schweißte
Der klassische Mäander kann mich nicht entflam-
men;
Doch das Gezack der Blitze, wolkenwärts vergreist
Soll ich hier dumpf die abgebrauchten Formen
wahren;
Verwittertes, woran kein Kinderherz mehr glaubt
Wo sich dem Auge neue Farben offenbaren
Und Wunder dreimal glutend über deinem Haupt?
Weltwunder in Bewegung strömend hingegossen,.
Sichtbares Wogen, dessen blutpulsierendes Gefühl
Ein ewig Wechselndes enthüllt hat und erschlos-
sen.
Ergießt sich in uns wie ein nimmerendendes Ge-
wühl.
Quelle des Weltalls, die ihr flutendes Geschehen,
(Sprudel und Schlund, durch Farbenspiel und
Linien gezeucht)
Zusammenschweißt mit unsrem Kommen und Ver-
wehen
Zu einem schimmernden, verflimmernden Geleucht
Dieses ist unsre Seele: Licht sein und ein
Glänzen;
Worin sich alle Kraft und alle Form ergießt
Und keinen Augenblick bei den nervösen Tänzen
Die Zücht vergessen, die den Ring der Schöpfung
schließt.
Aus dem Holländischen von '
Paul Zech und R e e k