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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 3.1912-1913

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Nr. 109
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Marinetti, Filippo Tommaso: À l'Automobile de course
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Rivière, Jacques: Cézanne, [1]
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Berliner Frühling
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https://doi.org/10.11588/diglit.56300#0040

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Ä 1’Automobile de course
Dteu v-fehfement d'une race d'acter,
Automobile ivre d'espace
qui pietines d'angoisse, le mors aux dents
stridentes?
O formidable monstre japonais, aux yeux de
forge
nourri de flamme et d'huiles minerales,
affame d'horizons et de proies siderales,
je dechalne ton coeur aux teuf-teuf diaboliques,
et tes geantes pneumatiques, pour la danse
que tu menes sur les blanches routes du monde.
Je lache enfin tes brides metalliques et tu
i t'elances,
avec ivresse, dans l'Infini liberalem!...
Au fracas des abois de ta voix....
voilä que le Soleil couchant emboite
ton pas veloce accelerant sa palpitation
sanguinolente au ras de l'horizon...
II galope lä-bas, au fond des bois... regarde!...
N’importe, beau demon, je (suis ä ta merci...
prends-moi!
Sur la terre assourdie malgre tous ses echos,
Sous le ciel aveugle malgre ses astres d'or.
je vais eperonnant ma fievre et mon desir
ä ooups de glaive en pleins naseaux!...
Et d'instant en instant, je redresse ma taille
pour sentir sur mon cou qui tressaille
s'enrouler les bras frais et duvetes du vent.
Ce sont tes bras charmeurs et lointains qui
m'attirent!...
Ce vent, c'est ton haleine engloutissante,
Insondable Infini qui m'absorbes avec joie!...
Ah! Ah!... des moulins noirs, degingandes,
ont tout ä ooup
Fair de courir sur leurs alles de toile baleinee
comme sur des jambes demesurees...
Voilä que les Montagnes s'appretent ä lancer
sur ma fuite des manteaux de fraicheur
sompolente.
Lä! Lä! regardez!... ä ce tournant sinistre!..
Montagnes, ö Betail monstrueux! ö Mam-
mouthsj
qui trottez lourdement, arquant vos dos
immenses,
vous voilä depassees... noyees...
dans l'echeveau des brumes!... Et j’entends
vaguement
le fracas ronronnant que plaquent sur les
routes
vos jambes colossales aux bottes de sept
Heues!...
Montagnes auk frais manteaux d'azur!...
Beaux fleuves respirant au clair de lune!...
Plaines tenebreuses! Je vous depasse au grand
galop
de ce monstre affole... Etoiles, mes Etoiles,
entendenz — vous ses pas, le fracas des abois
et ses poumons d'airain croulant inter-
minablement?
J'accepte la gageure... avec Vous, mes Etoiles!...
Plus vite!... encor plus vite!... et sans repit,
et sans repos!...
Lächez les freins!... Vous ne pouvez?...
Brisez-les donc!...
Que le pouls du moteur oentuple ses elans!
Hurrah! Plus de contact avec la terre
immonde!...
Enfin, je me detache et je vole en souplesse
sur la grisante plenitude
des Astres ruisselant dans le grand lit du ciel.
F. T. Marinetti

Cezanne
Von Jacques Rivifere
Cezanne war nicht der ungeschickte Er-
habene, als den ihn) gewisse Legenden; darzustellen
versuchen. Im Gegenteil; seine Aquarelle) zeigen;
eine so schwindelnde Geschicklichkeit, der viel-
leicht nur die Virtuosität der Japaner gleichkommt:
auf dem weißen Bogen wird das Gerüst einer
Landschaft durch einige Pinselstriche gegeben,
die mit einer Genauigkeit gemalt sind, die leere
Zwischenräume sprechen, und dem Schweigen
eines jeden Bedeutung abgewinnen lassen. —-
Malt Cezanne in Oel, so zuckt seine von dieser
Geschicklichkeit durchdrungene Hand, aber er
beherrscht sich; er ist mißtrauisch; er fürchtet,
sich an die Stelle seiner; Aufrichtigkeit zu setzen ;
er erlegt seinem Pinsel eine getreue Langsam-
keit ^iuf. Der Fleißj beherrscht ihn wie eine)Leiden-
schaft: er beugt sich devot, er schweigt, um
besser zu sehen; er schließt die, von ihm kopierte
Form in den Bann seiner) Aufmerksamkeit; rührt
sie sich dennoch, so) ist ihm nicht eher wohl, bis er
sie schließlich erfaßt hat. In jedem Augenblick
will der Pinselstrich hüpfen, sich seinem
Schwünge hingeben. Aber Cezanne führt ihn
trotzig zurück und zwingt ihn, sich — wenn} auch
wider Willen — zu halten. Wenn man in dieser
Art Malerei ein Zögern zu erkennen glaubt, so
läßt dies nicht auf die Ohnmacht einer ver-
witterten und in der peinlichen Beobachtung der
Umrisse ungeübten Hand schließen, sondern ein-
zig und allein auf die Gewissenhaftigkeit einer
Geduld, die unablässig die Seitensprünge einer
rauschenden Geschicklichkeit zu mildern sucht.
Niemals etwas für den Beschauer. Cezanne
l(adet den Blick nicht auf sich; er gibt kein
Zeichen; er wendet sich an niemanden; er malt
einsam und kümmert sieb wenig darum, daß man,
von seinen Bildern ,Notiz nimmt, die er in Müh-
sal und Anbetung erschaffen hat. Er kümmert
sich nur um Dinge und ist unablässig darauf
bedacht, sie richtig zu sagen. Seine Liebe für sie
ist so heftig, daß er) vor, Ehrfurcht zittert; er ver-
ehrt sie und beseelt von1 brennender Bescheiden-
heit bemüht er sich, sie wiederzugeben. — Daher
diese rührende Strenge: Strenge, die über alles,
was er anfaßt, den Glanz der Liebe breitet. Diese
Bilder haben eine eingeengte Geräumigkeit.
Man fühlt, diese Bilder sind in hüpfender Un-
beweglichkeit und mit einer Seele gemalt worden',
die der Schwung ihrer Begeisterung schüchtern
gemacht hat.
* *
*
In einer Landschaft Cezannes bemerkt man
zuerst die senkrechte Achse; das Bild hat einen
Zug nach unten, jeder Gegenstand ist zu seinem
Platze hinabgestiegen; man hat ihn mit Sorg-
falt dort niedergelegt; er nimmt seinen Platz
ein; mit ganzer Kraft klammert er sich an seine;
Lage. Cezanne hatte das feinste Gefühl für die
Oertlichkeit, er begriff, mit welchem Eifer
die Dinge den ihnen gegebenen Ort zu be-
haupten suchen; und er empfand beim Ueber-
trägen des Platzes eines! jeder* jene Wollust, deren,
Spur man in dem unmerklich voreiligen Be-
rühren des Pinselstrichs, der, bevor er seinen
definitiven Platz ausfüllte, voll Freude ein wenig
umhertastete. Souveränes Sich-behaupten und
hartnäckiges Festhalten am Platze, erkennt man
an den auf dem Tisch liegenden Armen des
Karten spielenden Bauern. — Man weiß, die An-
ordnung kann niemals willkürlich sein. In der
Tat, sie ist nicht erfunden, sondern durch die
getreue Verteilung der einzelnen Teile bewirkt
worden : Ehrfürchtig ist ein Farbstrich neben den
anderen gesetzt worden: und beim letzten bebt
das durch die peinliche Nachgibigkeit gegen-
über jeder Einzelheit hervorgezauberte Antlitz
des Bildes; in ihm finden wir das Leben, wir

haben eine durchaus nicht gesuchte Anordnung,
die Striche verbinden sfeh und beleben durch
ihre Ciemeinscliaft die einzelne genaue Darstel-
lung der Elemente.
* *
*
Fortsetzung folgt

Berliner Frühling
Der Albert Traeger ist noch lange nicht tot
Die Früchte jahrelanger Frauenarbeit, in
einer Aster-Ausstellung gezeigt, waren unreif,
aber der Unsinn, mit dem man sie an himmelte
und pries, wird fortblühen. Eine Friedens-
fanfare für die beiden großen Arbeitsgebiete
der Frau, Haus und Beruf, die sich nun ergänzen,
hat Frau Hedi Heyl die Ausstellung genannt,
und es ist auch tatsächlich sehr viel Blech in
ihren Räumen geredet worden.
Tastend hat die Frau jahrelang nach Wegen
aus der Halbheit heraus gesucht und sie sich
durch Fleiß und Sorgfalt gebahnt, und heute
fordert sie für sich und ihr Geschlecht quali-
fizierte Arbeit, sich selbst und andere zu be-
friedigen.
Auf der Suche nach Wiegen aus der Halb-
heit ist ihr der schlechtweg „ganze Kerl" Albert
Traeger ein bramarbasierender, scherwenzelnder
Begleiter gewesen. Freilich war auch dieses
Schwerenöters Ideal nicht jene Frau, die nur
„das Erwachen eigener Kraft ganz hinnimmt",
und darum wohl auch hat der Volkszeitung stän-
diger R. K-r, Lyriker und Satiriker, ganz nach
Bedarf, Worte des Abschieds der Frauen von; dem
Dichterpolitiker einer in den Mund gelegt, die
des Mannes „freudiges Können" höher stellt
als aller Frauen Versuche, andere und sich selber .
zu befriedigen. Sie sagte
Die Frühlingssonne sandte ihre Strahlen
Wie sollte sie nicht.
Mit milder "Wärme auf den Gottesacker,
Da legten sie dich in dein letztes Haus
Und jammerten, du seist nicht mehr.
Ich aber — eine deutsche Frau —,
Ich fühlte keinen Schmerz und keine Trauer.
DugroßerBardebist uns nicht gestorben.
Du, der so oft der Frauen Lob gesungen,
Beim schäumenden Pokal des
Geistes Schwert geschwungen,
Mit allen Frauen lebst du ewig fort!
Dein Leitwort war: Die Frauen sollen leben.
, Und siehe da: da du von hinnen gehst,
Bekränzen lächelnd sie dein Ruhelager:
„Seid still, er schläft und träumt den schönsten
Traum:
Die Frauen tragen ihn zum Himmel,"
Das ist die reizendkitschige, schlichte Phanta-
sie einer fühlenden Frau; die denkende will
. „in allem den Dilettantismus ausschalten, ja
auch im Genuß beschaulichen Lebens möchte
sie von Schöpfungen ernsten Schäftens, wahr-
hafter Kunst umgeben sein."
1 Mit ihr kann Traeger nicht fortleben. Nein,
nein.
Welche Verwirrung
Der Verein Berliner Presse veranstaltete
am Sonntag im „Rheingold" eine seiner rasch
beliebt gewordenen geselligen Veranstaltungen,
die auch diesmal wieder um: 4 Uhr mit einem
gemeinschaftlichen Mittagsmahl begann. Frau
Grete Jolles, eine ungemein sympathische Er-
scheinung, erfreute , . .
Die heiteren Vorträge von Guido Thiel-
scher (ein Wohltätigkeitsfest und ein Himmels-
traum) wurden von den Anwesenden mit un-
unterbrochenen Lachsalven entgegengenom-

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