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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 5.1913

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16. Heft
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Rundschau - Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26374#0621

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SAMMLUNGEN

„Devoti" vonBoItraffio und 1898, kurz vor dem
Tode Bertinis, der Rochus von Borgognone und
das grandio[e BUdnis des Genuefer Seehelden
Andrea Doria in Geftalt des Neptun, von Bronzino.
Bertinis Nachfolger wurde 1898 Corrado Ricci,
der fofort mit der ihm eigenen Energie eine
Neuordnung der Galerie in Angriff nahm, von
der wir nun zu berichten haben.
Bevor Corrado Ricci feine radikale Neuord-
nung begann, waren die Gemälde der Brera in
14 Sälen fehr eng und zum Teil auch fehr un-
günftig aufgehängt. Nach langen Unterhand-
lungen fet)te er es durch, daß ihm noch 14 neue
Säle zugewiefen wurden. Der Sammlung der
Gipsabgüffe und der Schule, die diefe Säle bis
dahin einnahmen, wurden andere Räume zur
Verfügung geftellt. Im Jahre 1903 konnte die
Galerie in ganz neuer Geftalt eröffnet werden.
Ein Saal wurde den Fresken der lombardifchen
Schule beftimmt, fechs den Bildern der Vene-
zianer, einer der Schule von Genua, zwei der
lombardifchen Schule vor Leonardo, im Saal der
Gemälde Luinis wurde nach Angaben des Archi-
tekten Brusconi die Cappella diS.Giufeppe aus
S. Maria della Pace rekonftruiert, einen weiteren
Saal erhielten die lombardifchen Bilder ange-
wiefen, einen die Künftler Bolognas, einen
anderen die der Emilia (Parma, Reggio, Modena),
einen dieMeifter der Bolognefer und Ferrarefer
Richtung, einen die Schulen der Romagna. Der
kleine Saal, in dem das Spofalizio prangte, be-
kam eine koftbare Wandbekleidung von Sammet,
ein Saal konnte den Mittelitalienern eingeräumt
werden, und die unter Corrado Ricci erwor-
benen Fresken Bramantes erhielten darin den
Ehrenplaß, ein weiterer Saal den Marken und
Umbrien, einer den Römern, einer den Südita-
lienern, und fchließlich zwei den nichtitalienifchen
Malern.
Ferner hat Corrado Ricci die Galerie um mehr
als 100 Bilder bereichert, die er teils aus den
Magazinen hervorholte, teils aus Landkirchen
der Lombardei reklamierte. Etwa 60000 Francs
wurden von ihm für Neuerwerbungen verwandt,
zunächft für die Fresken Bramantes, deren fchon
gedacht wurde, dann kaufte er in Fabriano für
den niedrigen Preis von 10000 Francs die Pre-
dellentafeln, die an dem Polyptychon Gentiles
fehlten; ein Altarwerk Niccolo Alunnos, deffen
Teile auseinandergeriffen waren, ließ er nach
dem Entwurf Lodovico Pogliaghis wieder zu-
fammenfe^en, zu dem Bilde des Fantino da
Norcia fand er die Lünette bei den Kapuzinern
an Porta Monforte, und in demfelben Klofter
die Lünette zu einem Bilde Palmezzanos, aus
der Kirche zu Lentate am Severo holte er ein
Bild des Aleotti und vereinigte es mit der Pre-

della, die der Brera von den Erben des Conte
Oggioni überlaffen worden war. Ferner konnte
eine entzückende Predellentafel von Benozzo
erworben, und ein großes Altarwerk von Vin-
cenzo Foppa faft ganz wieder zufammengefet^t
werden, als das Giebelftück mit dem Erlöfer im
Kunfthandel auftauchte und die übrigen Teile
aus dem Magazin hervorgeholt wurden. Bilder
von Doffo Doffi, Cosme Tura, Lazzaro Baftiani,
Butinone, Solario und Boltraffio wurden er-
worben. Andere Bilder, die reftaurierungsbe-
dürftig waren, gewannen unter den Händen
Luigi Cavenaghis, des unbeftritten erften Reftau-
rators Italiens, ihr früheres Ausfehen wieder.
Als Corrado Ricci 1903, unmittelbar nach der
Wiedereröffnung der Galerie, die Arbeiten an
dem wiffenfchaftlichen Katalog eben begonnen
hatte, wurde er nach Florenz berufen, als Direktor
der Königlichen Galerien. Sein Nachfolger an
der Brera wurde Ettore Modigliani, und im
Jahre 1907 konnte Corrado Riccis großes Galerie-
werk mit 263 Abbildungen, und 1908 der von
Francesco Malaguzzi-Valeri verfaßte wiffen-
fchaftliche Katalog der Brera erfcheinen, der für
alle fpäter erfchierienen Arbeiten der Art in
Italien vorbildlich geblieben ift. Ein Jahr früher,
1906, erfchien Malaguzzi-Valeris Führer durch
dieHandzeichnungsfammlung, betitelt: „Idisegni
della R. Accademia diBrera", die erfte zufammen-
faffende Arbeit über diefe Abteilung der Galerie.
Zu den wichtigften Erwerbungen, die wir
Ettore Modigliani verdanken, zählen zwei rei-
zende Bilder Pietro Longhis mit Szenen aus dem
Venezianer Leben des achtzehnten Jahrhunderts,
ein Altarbild des Cotignola aus S. Maria delle
Grazie in Pefaro, ein Madonnenbild des Trecen-
tiften Giovanni da Bologna, der Kopf eines
Greifes von G. B. Piazzetta, eine farbenfrohe
Skizze von Tiepolo, einSelbftbiidnisderSofonisba
Anguiffola und ein Frauenbildnis von N. de
Largilliere, das Modigliani für den befcheidenen
Preis von 5000 Lire erwarb. Ferner wurden
die Schäle der Brera um ein Madonnenbild
des aus Crema ftammenden Vincenzo Civerchio '
und um andere wertvolle Stücke bereichert.
Unter der Leitung Prof. Modiglianis und mit
Beihilfe des Unterrichtsminifteriums find die
vom König Victor Emanuel der Brera überlaf-
fenen Fresken Bernardino Luinis und feiner
Schule aus der Villa Pelucca bei Monza in
würdiger Weife aufgeftellt worden, nachdem
die der Galerie benachbarte Biblioteca Braidenfe
zu diefem Zweck einen großen Saal von etwa
lOOQuadratmetern Bodenfläche hergegeben hatte.

im Cicerone 1911, Heft 4, Seite 140.

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