Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0323
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Heft 9
DOI article:Der Kunstmarkt
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Der Kunftmarkt
mutig, Sondern auf das direkte Drängen der
Kunsthändler felber bin! Eine zweite folcße
Saigon würde der ßiefige Kunftßandel nicht ohne
Erfchütterung felbftin Seinen geficßerterengirkeln
überStehen können, das Steht wohl feSt und da
eine BeSSerung der GeSamtlage nur durch inter-
nationale Regelung aller ausStebenden Finanz-
Sragen zu erwarten iSt, So fühlt man Sich in den
KunStbändierkreiSen ganz hilflos einer Macht
preisgegeben, gegen die nicht anzukämpfen ift.
Kein (Uunder, daß man der näcbften Saifon
Schon mit einem gelinden GrauSen entgegenSiebt.
Eritt keine Änderung zum Guten in der inter-
nationalen Lage ein, So wird auch die nächste
ÄuktionsSaiSon eine Sehr minderwertige werden.
Niemand, der es irgendwie vermeiden kann,
wird feine Scßäße auf den Markt bringen. Selbft
Ausländer dürften diefes Jahr hier ihre Lektion
davongetragen haben. Da war u. a. der bel-
gifcbe Oberft Ofterreitb, der eine ganz Anzahl
verschiedener Kunftfchäße, Bilder, Spißen ufw.,
versteigern ließ. Er ift dabei Sicher nicht auf
feine Rechnung gekommen. So viele Rück-
käufe im Namen der Verkäufer haben wohl noch
nie während einer Saifon Stattgefunden. Gut
abgefcbloffen haben eigentlich nur die das leßte-
mal besprochene Auktion mittelalterlicher Glas-
malereien, einige Verkäufe erftklaffiger japani-
fcber Fjoizfcßnitte und einige Versteigerungen
altenglifcber und altamerikanifcber kunstgewerb-
licher Erzeugniffe. Und naturgemäß Scheinen
Auktionen diefer Art denn auch an gab! Stark
zuzunehmen, ln der diesmaligen Berichtsperiode
erzielten u. a. febr gutePreife einige alte Schiffs-
modelle, die die Lehne-Auktion auf den Markt
brachte; bis ^ 4000 wurden für folcbe Modelle
bezahlt.
Von befonderem Intereffe war die Auktion
einer Kunftfammlung in den Anderfon Gal-
leries, die einem „NewYorker Gentleman"
gehörte. Fjinter diefer Bezeichnung barg fiel)
ein Seidenfabrikant, der in den letzten Jahren,
als alle Preife auf das Ungeheuerlichste in die
Fjöße gefebraubt wurden, gewaltige Gewinnfte
eingefteckt hatte und ficb nun plößlicß auf das
Kunftfammeln als ein ganz nettes Steckenpferd
befann. Er wollte es gleich en gros anfangen,
und ließ, vorfießtig wie er war, durch Experten
die verfeßiedenften Kunftwerke einkaufen, die
fo nun freilich deren, nicht aber feinen Ge-
fcbmack verrieten und gar nicht zu einer Ein-
heit verfcßmelzen wollten. So ftand Geld, Geld
in großen Bucßftaben über diefer eigentümlichen,
rafcß zusammengewürfelten Sammlung, die pri-
mitive Italiener, italicnifcße Bronzen und Stück-
arbeiten, orientalifcße Keramik, (üandteppieße,
eine große Anzahl zum Eeil vorzüglicher Fjand-
zeießnungen großer Meifter und, vielleicht als
wirkliche Liebhaberei des Eigentümers felber,
farbige Stieße des 18. Jahrhunderts enthielt als
eine richtige „nature morte". Als nun der große
Finanzfturz Ende des vorigen Jahres kam, da
entfcßloß ficb der Fabrikant, der Bargeld brauchte,
feine eben erft erworbenen Scßä^e wieder los-
zufcßlagen, und es bat ißm woßi kaum große
Schmerzen verurfaeßt, ficb von ißnen wieder zu
trennen. Ein gutes Gefcßäft freilich wird er mit
ißnen nicht gemacht haben, denn er hatte fie ja
zu einer geit ßöchfter Preife gekauft, und mußte
fie nun zum ungünftigften geitpunkt abfeßen.
So haben fie ficb gleicßfam an ißm gerächt.
Cßarakteriftifcb an diefem Falle ift nur, daß
diefer „Sammler" ficb woßl bewußt war, daß
er von Kunft nichts verftand und deshalb, im
Gegenfa§ zu Sammlern früherer geiten, die ficb
alles aufßängen ließen, ficb der Ipilfe befter Ex-
perten bediente, etwa wie jeßt vielfach Neu-
reiche fid) durch Innenarchitektur „Stilvolle" Fjaus-
einrießtungen beftellen. Eine eigentliche Samm-
lerfreude kann fo freilich nicht entfteßen, und
eine folcbe Sammlertätigkeit muß in jeder Be-
ziehung fteril bleiben.
Hollstein & Puppel, Kunstantiquariat, Berlin W15
Meinekestraße 19 -'
ERSTKLASSIGE KUPFERSTICHE UND
HANDZEICHNUNGEN ALTER MEISTER
KUPFERSTICH-VERSTEIGERUNGEN
Interessenten bitten wir um Angabe ihres Sammelgebiets
293
mutig, Sondern auf das direkte Drängen der
Kunsthändler felber bin! Eine zweite folcße
Saigon würde der ßiefige Kunftßandel nicht ohne
Erfchütterung felbftin Seinen geficßerterengirkeln
überStehen können, das Steht wohl feSt und da
eine BeSSerung der GeSamtlage nur durch inter-
nationale Regelung aller ausStebenden Finanz-
Sragen zu erwarten iSt, So fühlt man Sich in den
KunStbändierkreiSen ganz hilflos einer Macht
preisgegeben, gegen die nicht anzukämpfen ift.
Kein (Uunder, daß man der näcbften Saifon
Schon mit einem gelinden GrauSen entgegenSiebt.
Eritt keine Änderung zum Guten in der inter-
nationalen Lage ein, So wird auch die nächste
ÄuktionsSaiSon eine Sehr minderwertige werden.
Niemand, der es irgendwie vermeiden kann,
wird feine Scßäße auf den Markt bringen. Selbft
Ausländer dürften diefes Jahr hier ihre Lektion
davongetragen haben. Da war u. a. der bel-
gifcbe Oberft Ofterreitb, der eine ganz Anzahl
verschiedener Kunftfchäße, Bilder, Spißen ufw.,
versteigern ließ. Er ift dabei Sicher nicht auf
feine Rechnung gekommen. So viele Rück-
käufe im Namen der Verkäufer haben wohl noch
nie während einer Saifon Stattgefunden. Gut
abgefcbloffen haben eigentlich nur die das leßte-
mal besprochene Auktion mittelalterlicher Glas-
malereien, einige Verkäufe erftklaffiger japani-
fcber Fjoizfcßnitte und einige Versteigerungen
altenglifcber und altamerikanifcber kunstgewerb-
licher Erzeugniffe. Und naturgemäß Scheinen
Auktionen diefer Art denn auch an gab! Stark
zuzunehmen, ln der diesmaligen Berichtsperiode
erzielten u. a. febr gutePreife einige alte Schiffs-
modelle, die die Lehne-Auktion auf den Markt
brachte; bis ^ 4000 wurden für folcbe Modelle
bezahlt.
Von befonderem Intereffe war die Auktion
einer Kunftfammlung in den Anderfon Gal-
leries, die einem „NewYorker Gentleman"
gehörte. Fjinter diefer Bezeichnung barg fiel)
ein Seidenfabrikant, der in den letzten Jahren,
als alle Preife auf das Ungeheuerlichste in die
Fjöße gefebraubt wurden, gewaltige Gewinnfte
eingefteckt hatte und ficb nun plößlicß auf das
Kunftfammeln als ein ganz nettes Steckenpferd
befann. Er wollte es gleich en gros anfangen,
und ließ, vorfießtig wie er war, durch Experten
die verfeßiedenften Kunftwerke einkaufen, die
fo nun freilich deren, nicht aber feinen Ge-
fcbmack verrieten und gar nicht zu einer Ein-
heit verfcßmelzen wollten. So ftand Geld, Geld
in großen Bucßftaben über diefer eigentümlichen,
rafcß zusammengewürfelten Sammlung, die pri-
mitive Italiener, italicnifcße Bronzen und Stück-
arbeiten, orientalifcße Keramik, (üandteppieße,
eine große Anzahl zum Eeil vorzüglicher Fjand-
zeießnungen großer Meifter und, vielleicht als
wirkliche Liebhaberei des Eigentümers felber,
farbige Stieße des 18. Jahrhunderts enthielt als
eine richtige „nature morte". Als nun der große
Finanzfturz Ende des vorigen Jahres kam, da
entfcßloß ficb der Fabrikant, der Bargeld brauchte,
feine eben erft erworbenen Scßä^e wieder los-
zufcßlagen, und es bat ißm woßi kaum große
Schmerzen verurfaeßt, ficb von ißnen wieder zu
trennen. Ein gutes Gefcßäft freilich wird er mit
ißnen nicht gemacht haben, denn er hatte fie ja
zu einer geit ßöchfter Preife gekauft, und mußte
fie nun zum ungünftigften geitpunkt abfeßen.
So haben fie ficb gleicßfam an ißm gerächt.
Cßarakteriftifcb an diefem Falle ift nur, daß
diefer „Sammler" ficb woßl bewußt war, daß
er von Kunft nichts verftand und deshalb, im
Gegenfa§ zu Sammlern früherer geiten, die ficb
alles aufßängen ließen, ficb der Ipilfe befter Ex-
perten bediente, etwa wie jeßt vielfach Neu-
reiche fid) durch Innenarchitektur „Stilvolle" Fjaus-
einrießtungen beftellen. Eine eigentliche Samm-
lerfreude kann fo freilich nicht entfteßen, und
eine folcbe Sammlertätigkeit muß in jeder Be-
ziehung fteril bleiben.
Hollstein & Puppel, Kunstantiquariat, Berlin W15
Meinekestraße 19 -'
ERSTKLASSIGE KUPFERSTICHE UND
HANDZEICHNUNGEN ALTER MEISTER
KUPFERSTICH-VERSTEIGERUNGEN
Interessenten bitten wir um Angabe ihres Sammelgebiets
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