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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 13.1921

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Heft 13/14
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Ėttinger, Pavel D.: Museen, Sammlungen und Denkmalspflege in Sowjetrußland
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https://doi.org/10.11588/diglit.27278#0420

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Mufeen, Sammlungen und Denkmalspflege


in

AM 2 Von PA GL PPP/NGPP-AfosAon

Moskau, im Juni 1921.


iner Anregung des Herausgebers des „Cicerone" folgend, wird in den nachfolgenden 3silen

derVerfuch gemacht, in gedrängter, rein tatfäctdicher Form einen Überblick über das Kunft-

-*—^ ieben in Rußland und fpezieii in Moskau während der lebten 3'fs Revolutionsjahre zu geben,
wobei das moderne Kunftfchaffen vorderhand ganz beifeite gelajfen wird.
NachKonftituierung der Sowjetregierung Ende 1917 wurden fämtliche Kunftangelegenheiten Ruß-
lands im Kommiffariat, das heißt imMinifterium der Volksaufklärung, konzentriert, an deffen Spitze
Anatol Lunatfcharfky ftand und noch jeßt fteht, und in weld)em für Literatur, Gheater, Mufik,
bildende Kunft, fowieMufeumswefen undDenkmalspßege fpezielle Departements gefchaffen wurden.
Als folches fungiert feitdem in Moskau das „Hauptamt fürMufeumsangelegenßeiten und zumSchu^
der Kunft-, Altertums- und Naturdenkmäler"— abgekürzt „Glawmusej" genannt —, welches zum
Geil aus der noch zu 3eiten Kerenfkys exiftierenden analogen Kommiffion rekonftruiert wurde, und
deffen Kompetenz fämtliche hauptftädtifchen und provinziellen Mufeen, öffentliche Sammlungen
fowie Kunftdenkmäler unterliegen. Die offizielle Oberleitung diefes weitverzweigten Inftituts mit
feinen vielen Unterabteilungen liegt in Händen von Frau Natalie Großkg, der Gemahlin von Lew
Crot^ky, und einer ganzen Reihe namhafter ruffifcher Kunftfchriftfteller, Künftler und Forfcher, fo
J. Grabar, P. Muratow, G. Grapesnikow, N. Mafchkow^ew, A. Efros und viele andere find hier
in intenfiver Kleife tätig. Diefer „Glawmusej" zerfällt natürlich wieder in einzelne Abteilungen,
welche in erfter Reihe den Intereffen der Mufeen, fowohl der Hauptftadt als auch in der Provinz,
dem Denkmalfchu^, der wiffenfchaftlichen Regiftrierung von Kunftdenkmälern, der Aufdeckung und
Reftaurierung altruffifcher religiöfer Malereien ufw. gewidmet find und deren Cätigkeit ich im
folgenden gefondert beleuchten möchte.
Klas die Moskauer öffentlichen Mufeen betrifft — und das gleiche gilt auch für Petersburg —
fo fei vor allem konftatiert, daß fie fämtlich mehr oder weniger in früherer Kleife funktionieren,
in nichts Einbuße gelitten haben, im Gegenteil durch viele neue 3uwendungen und Ankäufe in
mancher Richtung fogar anfehnlich bereichert wurden. Alfo das Rumjan^ow- und Hiftorifche
Mufeum, das der Moskauer Univerfität angegliederte ^Mufeum Alexander HL fowie die
Gretjakow-Galerie haben im großen und ganzen ihren früheren Charakter und vorwiegend
auch das ehemalige wiffenfchaftliche Perfonal bewahrt. Gro§ der ftarken Heizungsnot und fo un-
endlich vieler fonftigen Miferen ift das Leben hier nie ganz zum Stillftand gekommen, wenn auch
der öffentliche Befuch zeitweife faft ganz aufhörte. Davon zeugen u. a. eine Reihe fpezieller
Ausheilungen, die zu verfchiedenen 3eiten bald hier, bald dort arrangiert wurden. Erwähnt feien
z. B. die Somow- und KIrubel-Anstellungen in der Cretjakow-Galerie und die in letzterer noch
jet^t geöffnete Ausftellung von Neuerwerbungen, über welche ich fpäter einen genaueren Bericht
folgen laffe. Die Rumjanhow-Galerie zeigte unlängft in einer Sonderausftellung das ganze Schaffen
des talentvollen Graphikers KL Massjutin und bereitet jeßt eine Schau von Klerken alter Meifter
vor, ebenfo wie das Hiftorifche Mufeum für den Herbft eine große Ausftellung ruffifcher Volkskunft
verfpricht. Von größtem Intereffe war im vorigen Herbft eine Ausftellung von Gemälden und
3eichnungen franzöfifcher Romantiker und Meifter der Barbizonfchule, zufammengeftellt von der
Abteilung für 3entralmufeen des „Glawmusej". Neuerdings ift in letzterem ein breit ausgedachter
Plan zu grundlegenden Neuordnungen der Moskauer Mufeen ausgearbeitet worden, aber vorder-
hand ift alles noch beim alten.
Von der feinerzeit projektierten Nationalifierung fämtlicher in Privatbefiß befindlichen Kunftwerke
ift bald abgefehen worden und nur die großen Moskauer Privatfammlungen find nationalifiert
worden, wobei jedwede Ausfuhr von Kunftwerken ftreng verboten wurde. Kleinere Sammlungen
wurden ihren Befi^ern beiaffen, doch mußten die erfteren obligatorifch im „Glawmusej" regiftriert
werden, wie überhaupt jeder künftlerifche Privatbefiß. In der Praxis wurde diefes Gefeß jedoch
nicht allzu rigoros befolgt, was auch fchwer durchzuführen wäre.

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