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zu wollen. Ihrem Cemperamente nach neigen
die Maler in Belgien entweder zur wallonifchen
oder zur ßämifchen, mit anderen CHorten ent-
weder zur romanifchen oder zur germanischen
HJefensanlage und dies, nicht der ßufall einer
gemein[am bewohnten StaatsbehauSung iSt das
Entscheidende. Pol de Mont, der jahrzehntelang
der Konservator des Antwerpener MuSeums ge-
wesen iSt und die Kunftverhältniße in Belgien
wie nur einer kennt, überSchreibt darum abpcht-
lich Sein Buch „de SchilderkunSt in Belgie", nicht
„Belgifche SchilderkunSt" und legt obendrein in
den geilen des Vorwortes dar, welche entschei-
dende (Dichtigkeit er dem Raßeeinfchlag zu-
meße. DieSen RaSSeeinSchlag bei den Malern
auSzuhellen, die Seit der belgifchen Staatsgrün-
dung bis zum heutigen Cage tätig waren, iSt
der 3weck des Buches; dieSer 3 weck bestimmt
Seine Methode. Und So wird es denn für Pol
de Mont im Laufe Seiner Abhandlung zur Ge-
wißheit, daß die Maler Belgiens zum über-
wiegenden Ceile der flämischen Volkskultur an-
gehören oder ihr entstammen, und daß ihre
Qervorbringungen unmittelbare Fortwirkungen
und Ergänzungen des altberühmten flämischen
Malergenies bilden.
Es kann nicht behauptet werden, daß dieSer
Nachweis vollkommen überzeugt. Er hätte
SchlüSfiger geführt werden können, wenn der
Autor refolut auf eine Menge Überläuferfiguren
verzichtet oder fie eben als das, was pe ßnd,
eingeordnet hätte. Aber die Begierde, auf der
einen Seite möglichft vollständig zu Sein, auf
der anderen Seite möglichft viele Persönlich-
keiten für die fiämifche Erbbegabung in An-
fprud) zu nehmen, hat ihm ein Schnippchen ge-
fchlagen. Klo nichts zu retten ift, wäre ein
mutiges Preisgeben mehr am Pla^e gewefen als
diefes lobende Bemühen um Figuren wie (Uap-
pers oder Legs oder de Groux. Legs wird von
Pol de Mont als Ausdrucksexponent des Flä-
mifchen meines Erachtens unendlich überfchä§t.
Für Laermans ift de Monts warmes Eintreten
defto zutreffender. Am Schluffe wird James
Enfor ein Sonderkapitel gewidmet. hier dürfte
P. de Mont wieder ftärkftens beizupflichten fein;
Enfor ift nur verftändlich auf Grund feiner flä-
mifchen Blutsunterlagen. Andererfeits weift ihm
de Mont die führende Rolle unter den heutigen
Malern Belgiens zu; auch mit diefer Anpcht
dürfte er im Rechte fein. Enfor ift mehr als
der einfeitige Sonderling, als der er, auch in
deutfehen Publikationen der jüngften 3eit, hin-
geßellt wird.
3ur eigentlichen Moderne hat Pol de Mont
kein Verhältnis. Der Impreffionismus, technifch
der Pointillismus, bildet für ihn die le&te Er-
rungenfehaft. So fehlt in feinem Buche die Be-
handlung der gar nicht mehr fo jungen Maler-
gruppen Gents und Antwerpens, fehlt eine Be-
handlung von Malern wie 0. Permeke, G. de
Smet, L. Spillaert, Jozef und Jean Cantre, Floris
und Oskar Jefpers. Gerade über diefe neuefte
Entfaltung des durch und durch flämifchen Mal-
genies wäre es intereffant gewefen, etwas Nä-
heres zu hören. Denn wiffenfchaftlich ift es
wohl wichtig, eine möglichft lückenlofe Überßcht
über die Malerei in Belgien während des 19. Jahr-
hunderts zu befi§en; in diefer fjinßcht hat Pol
de Mont die übernommene Aufgabe zweckdien-
lich gelöft und fein Klerk bildet das würdige
Ergänzungsftück zu der gleichfalls bei M. Nijhoff
im Fjaag erfchienenen „Gefchidßte der hollän-
dischen Malerei während des 19. Jahrhunderts"
von Marius. (Hie aber diefe holländifche „mo-
derne" Kunftgefchichte ihrem Geifte nach nur
bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts reicht und gegenüber den Cendenzen
der lebten dreißig Jahre Schlagend verfagt, fo
muß auch hmfichtlich der .Malereientwicklung in
Belgien gehofft werden, daß baldigft eine Dar-
stellung der heutigen Situation, eine Monographie
über die nach James Enfor fich entfaltenden,
neueften Calente erfcheinen möge!
F. M. Fjuebner.
Kunftbreviere*
In rafcher Folge erfchienen neue Bände der
bekannten „Kunftbreviere", von denen der vor-
liegende fleißig und gründlich durchgearbeitet und
mit zahlreichen, gut gewählten Abbildungen ver-
fehen iß. Probleme werden nur feiten geftreift.
Die Streitfrage über Cizians Alter, das doch wohl
kaum die neunundneunzig erreichte, über die
Mitarbeit bekannter und unbekannter, nament-
lich deutfeher Schüler in vielen Spätwerken, wird
gar nicht berührt, trefflich aber Giorgiones Eigenart
und auch Gemeinfchaft herausgeftellt. Über alles
FJiftorifche wird das Notwendige mitgeteilt und
das kulturelle Milieu gut herausgearbeitet. Auch
Venedigs ganz befondere Kunft im Gegenfa§
zur florentinifchen iß trefflich charakterißert und
im 3ufammenhang damit Cizians ureigenßer Stil
gut in feiner Entwicklung aufgezeigt. Nur hätte
man noch mehr überCechnik und Kolorit in den
Jugendwerken und in denen der reifen und fpäten
ßeit hören wollen, hätte vielleicht noch ein-
' 1. Cizian. herausgegeben yon Kart KI. Jä))nig.
Mit 62 Abbildungen. — 2. Anton van Dg de. Mit 60 Ab-
biidungen, Briefen, Rechnungen und dem Ceftament des
Künftiers etngeieitet und ausgew8i)M von F?ugo Kei)rer.
Beide bei bugo Schmidt, Vertag, München.
600
zu wollen. Ihrem Cemperamente nach neigen
die Maler in Belgien entweder zur wallonifchen
oder zur ßämifchen, mit anderen CHorten ent-
weder zur romanifchen oder zur germanischen
HJefensanlage und dies, nicht der ßufall einer
gemein[am bewohnten StaatsbehauSung iSt das
Entscheidende. Pol de Mont, der jahrzehntelang
der Konservator des Antwerpener MuSeums ge-
wesen iSt und die Kunftverhältniße in Belgien
wie nur einer kennt, überSchreibt darum abpcht-
lich Sein Buch „de SchilderkunSt in Belgie", nicht
„Belgifche SchilderkunSt" und legt obendrein in
den geilen des Vorwortes dar, welche entschei-
dende (Dichtigkeit er dem Raßeeinfchlag zu-
meße. DieSen RaSSeeinSchlag bei den Malern
auSzuhellen, die Seit der belgifchen Staatsgrün-
dung bis zum heutigen Cage tätig waren, iSt
der 3weck des Buches; dieSer 3 weck bestimmt
Seine Methode. Und So wird es denn für Pol
de Mont im Laufe Seiner Abhandlung zur Ge-
wißheit, daß die Maler Belgiens zum über-
wiegenden Ceile der flämischen Volkskultur an-
gehören oder ihr entstammen, und daß ihre
Qervorbringungen unmittelbare Fortwirkungen
und Ergänzungen des altberühmten flämischen
Malergenies bilden.
Es kann nicht behauptet werden, daß dieSer
Nachweis vollkommen überzeugt. Er hätte
SchlüSfiger geführt werden können, wenn der
Autor refolut auf eine Menge Überläuferfiguren
verzichtet oder fie eben als das, was pe ßnd,
eingeordnet hätte. Aber die Begierde, auf der
einen Seite möglichft vollständig zu Sein, auf
der anderen Seite möglichft viele Persönlich-
keiten für die fiämifche Erbbegabung in An-
fprud) zu nehmen, hat ihm ein Schnippchen ge-
fchlagen. Klo nichts zu retten ift, wäre ein
mutiges Preisgeben mehr am Pla^e gewefen als
diefes lobende Bemühen um Figuren wie (Uap-
pers oder Legs oder de Groux. Legs wird von
Pol de Mont als Ausdrucksexponent des Flä-
mifchen meines Erachtens unendlich überfchä§t.
Für Laermans ift de Monts warmes Eintreten
defto zutreffender. Am Schluffe wird James
Enfor ein Sonderkapitel gewidmet. hier dürfte
P. de Mont wieder ftärkftens beizupflichten fein;
Enfor ift nur verftändlich auf Grund feiner flä-
mifchen Blutsunterlagen. Andererfeits weift ihm
de Mont die führende Rolle unter den heutigen
Malern Belgiens zu; auch mit diefer Anpcht
dürfte er im Rechte fein. Enfor ift mehr als
der einfeitige Sonderling, als der er, auch in
deutfehen Publikationen der jüngften 3eit, hin-
geßellt wird.
3ur eigentlichen Moderne hat Pol de Mont
kein Verhältnis. Der Impreffionismus, technifch
der Pointillismus, bildet für ihn die le&te Er-
rungenfehaft. So fehlt in feinem Buche die Be-
handlung der gar nicht mehr fo jungen Maler-
gruppen Gents und Antwerpens, fehlt eine Be-
handlung von Malern wie 0. Permeke, G. de
Smet, L. Spillaert, Jozef und Jean Cantre, Floris
und Oskar Jefpers. Gerade über diefe neuefte
Entfaltung des durch und durch flämifchen Mal-
genies wäre es intereffant gewefen, etwas Nä-
heres zu hören. Denn wiffenfchaftlich ift es
wohl wichtig, eine möglichft lückenlofe Überßcht
über die Malerei in Belgien während des 19. Jahr-
hunderts zu befi§en; in diefer fjinßcht hat Pol
de Mont die übernommene Aufgabe zweckdien-
lich gelöft und fein Klerk bildet das würdige
Ergänzungsftück zu der gleichfalls bei M. Nijhoff
im Fjaag erfchienenen „Gefchidßte der hollän-
dischen Malerei während des 19. Jahrhunderts"
von Marius. (Hie aber diefe holländifche „mo-
derne" Kunftgefchichte ihrem Geifte nach nur
bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahr-
hunderts reicht und gegenüber den Cendenzen
der lebten dreißig Jahre Schlagend verfagt, fo
muß auch hmfichtlich der .Malereientwicklung in
Belgien gehofft werden, daß baldigft eine Dar-
stellung der heutigen Situation, eine Monographie
über die nach James Enfor fich entfaltenden,
neueften Calente erfcheinen möge!
F. M. Fjuebner.
Kunftbreviere*
In rafcher Folge erfchienen neue Bände der
bekannten „Kunftbreviere", von denen der vor-
liegende fleißig und gründlich durchgearbeitet und
mit zahlreichen, gut gewählten Abbildungen ver-
fehen iß. Probleme werden nur feiten geftreift.
Die Streitfrage über Cizians Alter, das doch wohl
kaum die neunundneunzig erreichte, über die
Mitarbeit bekannter und unbekannter, nament-
lich deutfeher Schüler in vielen Spätwerken, wird
gar nicht berührt, trefflich aber Giorgiones Eigenart
und auch Gemeinfchaft herausgeftellt. Über alles
FJiftorifche wird das Notwendige mitgeteilt und
das kulturelle Milieu gut herausgearbeitet. Auch
Venedigs ganz befondere Kunft im Gegenfa§
zur florentinifchen iß trefflich charakterißert und
im 3ufammenhang damit Cizians ureigenßer Stil
gut in feiner Entwicklung aufgezeigt. Nur hätte
man noch mehr überCechnik und Kolorit in den
Jugendwerken und in denen der reifen und fpäten
ßeit hören wollen, hätte vielleicht noch ein-
' 1. Cizian. herausgegeben yon Kart KI. Jä))nig.
Mit 62 Abbildungen. — 2. Anton van Dg de. Mit 60 Ab-
biidungen, Briefen, Rechnungen und dem Ceftament des
Künftiers etngeieitet und ausgew8i)M von F?ugo Kei)rer.
Beide bei bugo Schmidt, Vertag, München.
600