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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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M; 2.


Donnerstag , 3. Zanuar


L8G1.

Bcstellungen auf die „Leiäel-
berger Leitullg" für vas mir
dem 1. Januar 1861 begonnene 1. Quarlal
werden fortwährend angenommen und bittct
man Bestellnngen in Heidelberg bei der
Untcrzcichncten, außerhalb beidernächsten Post-
anstalt baldigst zu machen, um completer
Eremplarc gewiß zu sein. Die Expedition.

st. Napoleon lll. und der franzöfifche
Klerus

Das Verhältniß des Kaisers Napolcon zum
französischen Klerus ist gewiß sehr intercffant,
wenigstens haben die Geschichten, wie aus
inniger Freundschaft die bitterste Feindschaft
entstanden, immcr ihr Anziehendes gchabt.

Man kann uicht sagen, daß die katholische
Partei in Frankreich gleich anfangs schon bei
der Wahl bouis Napoleons zum Prästventen
bonapariistisch war. Nicht nur, daß die Par-
tei, befonders dcr entschiedenste Theil dersel-
ben, überhaupt ultra-radical sich geberdete;
nicht nur, daß der „Univers", ihr eigentlichcS
unv wahres Organ, in ber Februarrevolution
die „Hand Gottes" sah; daß er emphatisch
ausricf, die Aera dcr Kroncn sci zu Enve, eS
gebe keine Dpnastie mehr: auch der Präsivent
der Republik entging dem gemeinsamcn Schick-
sale allcr Regicrungen nicht; auch er wurde
gelästcrt und mit Koth beworfen. Da sprach
der „Univers" von dem gemeinen Despotis-
mus dcr Plempe; da machte er sich lustig über
die Reise des Prästdenten in ven Osten, da
nannte er die Kaisergelüste unsinnig, denn nir-
gends gebc es in Frankreich Stoff zu einem
Kaiser. Freilich sollte cs bald anders werden.
DeNn kaum hatte dcr Präsident den Staats-
strcich gcmachl und sich bceilt, bas Pantheon
der Kirche zurückzugeben, als die Partei stch
mit lleib und Seele dem aufgehcnden Gestidn
zuwandte; merkte sie dvch glerch, daß sie ihren
Vortheil dabei finden ksnne, und fühlte sie
wohl, daß der Despotismus bcs neuen Re-
giments ihren cigenen Principien näher stehe,
als dic „Freiheit, Glcichheit und Brüderlich-
kcit" der Republik. Dic Partei ward bona-
partistisch, wie man cinen Handschuh umkehrt.
Die Hülfe, die sie dcm Helven des 2. Dccem-
bcrs bei ver Sanctionirung ves Staalsstreiches
und der darauf crfolgten Kaiserwahl leistete,
ist bekannt. Aber wie noch iinmer eine Hand
dic andere gewaschen, so bewies sich auch der
Kaiser nichls wenigcr alS undankbar. AÜer-
dings hütete er sich, etwa cin Concordat mit
Rom cinzugehen. Das neue Unterrichtsgesetz,
in dcm cr dem Klerus freilich die bedeutenv-

sten Concessivnen machte, war die cinzige le-
gislative Aenderung, die cr beliebte. Jn Be-
zug auf andere Dinge, z. B. hinjlchtlich des
Vereinswcsens, drückte er dem Gebahren des
Klcrus gegenübtr den bestehenden Gesctzen nur
ein Auge zu. So ließ sich die ncue Freund-
schaft ganz gut an. Bald.bekannte dcr Uni-
vers — cr, der doch frühcr dic unbcschränk-
teste Freiheit gepredigt hatte, — daß die Kirchc
von sehcr wcniger von den Lehrcn und den
Männern der Gcwalt gelitten, als von den
Lehren, dic man Frciheitslehren nenne, und
von dcn Mäitnern, dic sich selbst Freiheits-
männer hicßen; und gleich det officicllen bo-
napartistischen Partei zog denn auch die kleri-
kalc mit aller Lcidcnschaftlichkeit gcgen dcn
ConstitutionalismuS zu Feldc. Und so
ging es fort. Der Kaiser hosirtt dcm Klerus,
der Klerus hosirtc drm Kaiser. Jeder suchte
den andern zu scinen Zweckcn zu gebrauchen
und auszunützen. Es war die Zeit, wo die
klerikale Partei ganz ungeschickt ihre inncrste
HerzenSfalte bloslcgtc, und ker Univcrs die
Herstellung der Majorate, die Wiedercinfüh-
rung der Jnquisttion, rmd vom Kaiser einc
spccifisch katholische Politkk verlangte. Jn
der Luft des kaiserlichen Dcspotismus schicn
es dcm Klcrns ganz ausgezeichnet zu bchagen,
er gedieh zuschcndS. Und als kurz vor dem
italieNischen Kriege der Kaiser auf seinen Ruf
nach dcr Brctagne die bckannte Wallfahrt zu
dem dortigen Landcsheiligen mochte, die Frau
Kaiserin vor dem Bilde gar in Thränen zer-
floß, da kannte das Entzücken des Univers
und der Partei keine Grenzen mehr. „Wir
habcn ihn, wir haben ihn!" dachte sie. Warum
nicht? War dvch dcr Pfcrdefnß noch so sorg-
sam verhüüt. Und in dicsem Kricge selbst
nahm der französische Klerus für die franco-
italienijchcn Waffen die entschievenste Partei.
Er, dcr doch sonst eine so feine Nase hat,
wenn cs gilt, cinen möglichen Vortheil odcr
Schaden auszuwitkern, sollte er allein von den
so wahrscheinlichen Conscqnenzen jenes Kriegcs
nichts ahnen? Wußte cr nichts von den al-
teu Gelüsten Picmonts? Sah er nicht ein,
daß jencr Kampf die Halbinsel in ihren tief-
sten Tiefen aufregen und so nothwendig der
Vorläufer der Revolution sein würde? Frei-
lich schrieb damals der Minister Billa.ult
an die Bischöfe: „Das Gebiet des Kirchen-
staats ist garantirt." So ging dcr Klerus
in die Fallc. Die Bischöfc verordnetcn Ge-
bete für den Sieg der franzvsischen Waffen,
stellten sogar den Kampf als cinen Kampf für
die Rcligion dar, «nd Oestcrreich — trotz sci-

nes Concvrdats — als den Fcind dcr Kirche
dar! sollte man es auch für möglich halten?
Und doch war es so. Man sxiegelte eben
dem Klerus vor, cs händle sich darum, durch
die Berdrängung dcr Ocstcrrcicher ans Jta-
lien, wic den übrigen Regierungen, so auch
namentlich dem hl. Stuhl dic vcrlorcne Un-
abhängigkeit zurückzugeben. doch dic Ent-
täuschungen sollten stch Schlag auf Schlag
folgen. Schon der Abfall der Romagna licß
den Pferdcfuß so zicmlich hervorschaucn. Und
als der Kaiser, ohue eincn Linger zu rühren,
dem hl. Vater auch noch Umbrien und die
Markcn nchmen licß, ja i«i Geheimen sogar
dazu aufmunterte, »nd als es osfcnkundig ward,
daß der Kaiser den Papst in Rom nur „schützt",
um ihn beffer unter dem DauMen zu haben,
da mußte ver Groll dcr franz0stschen Geist-
lichen gegen den Kaiser mit allcr Macht cnt-
flammen. Dcnn wie oft mochten sie bei sich
sagcn: „haben nicht wir ihn auf den Thron
erhoben? Und wic haben wir in unsern Pre-
digten die Negierung dcs Kaisers glorificirt,
und die Gläubigen zum Gehorsam gegen die-
selbe crmahnt! Und nun macht's er unS so!"
Freilich kann man kaum glänzender dupirt
werden, abcr kann der Kaiscr dcm genarrten
Klerus gegenüber nicht geltend machen, daß
sogar schon die katholische Majestät von Spa-
nien bcantragte, bem Papste die gesammten
Provinzen zu nehmcn unv ihn mit — der
Jnsel Sardinie» zu entschädigen, und Laß
ebenso bie apostolische Majestät von Oestcr-
rcich nicht nur mehr als Ein Mal dcn stärk-
sten Appetit nach den Letztern zeigtc, sondern
auch 1814 dic ganzk zeitliche Herrschaft des
hl. Vaters in Frage stelltc, ja noch bci der
Thronbesteigung Ferdinanbs II in Neapel die-
sem eine Thcilung des päpstlichen Gebictes
vorschlug, so daß Louis Napolcon kühn sagen
kann, weder die katholische,. noch die aposto-
lische Majestät sci in biesem Punkte beffer gc-
wesen, als der Nachfolger der allerchristlichsten
Königc? Ob dies freilich für den Klerus ein
großcr Trost sein würde, möchte sehr m Frage
bleiben.

Noch heftiger müßte natürlich dcr Conflict
dann entbrennen, wenn erst der Kaiser die in
dcr Broschüre „l-o kspe et I'Lwporeur" ent-
wickclten Zdeen ausführen wollie, wornach der
heil. Vater über die französische Kirche nur
die nominelle Herrschaft, eine Art von
Souveränität behielte, während bic fac-
tische Souveränität an den Kaiser und das
französischc Concil ficle. Es liegt auf der
Hanv, daß man solchc Schritte wegen der

I» drr Prairie vrrirrt.

Rach der Erzählung eines amerikanischen Freiwiüigen.

(Fortsetzung).

Nur allmalig gelang es mir, meinc Vorstellun-
gen zu sammeln und etwas ruhiger über mcine Lage
nachzudenken. Jch durste hoffen, daß meine Reise-
gcfährten mich vermiffen und mich aufsuchen wür-
den, und beschloß, um bis zu diesem glück-
lichen Zcitpunkte sür die Erhaltuug mcincs Lebens
zu sorgen, «icder hinunier zu steigcn und das unter-
deß vcrendete Raubthier zu zerlcgen. Die Fleisch-
stücke, die ich sür mich aufhob, hing ich an den
Zweigen der Siche auf, und kletterte dann wieder
hinauf, um mir in Len obersten Aesten cine sichcre
Ruhestätte sür die Nacht auSzuwählcn. Jch fand
auch einen passcndcn Äabelast, an den ich mich mit
einem Lederriemcn festband, um nicht herunter zu
fallen, und die zottigen Büschel spanischen Moofts,
«elchc überall von der Eiche herunterhingcn, dien-
ten mir zum Kopfkiffen. VergebenS aber versuchtc
ich zu schlafen; dic Uhus machten das unmöglich.
Sie schienen es darauf abgefthen zu haben, mcinen

Schlaf zu störcn; fie hörten nicht auf um die Eiche
herumzufliegen, dabei thren unheimlichen Ruf aus-
zustoßcn und mich mit ihren glühenden Augen an-
zufthen. Unterdcffen kam dcr Mond herauf und
bald schicncn mir scine Strahlen gerade auf dcn
Kopf. Bei ftinem sansten Schimmcr nahm dic
Landschaft ein ganz andcres Ausfthen an, nnd das
plötzlich crlenchtcte Thal stellte sich wic cin brciteS
silbernes Band, eingerahmt vvn zwei hohen, schwar-
zen Bcrgwänden, oar. Dic Coyotcn, oder Prairic-
wölfc, fingen auch an die Landschaft zu bclcben und
sthr cinen düstercn Eharacter zu gcben. Angelockt
von dem AaSgeruch, kamen sie in Schaaren herbei
und stclen übcr den erlegten BLren her.

Ach hatte jctzt alle Ursache, mir Glück zu wün-
schen, daß ich so vorflchtig geweftn war, mir einige
Stücke Fleisch an Orten aufzubcwahre», wo sie nicht
hingelangcn konntcn. Das Geheul dcr Wölfe licß
mich die ganze Nacht nicht schlafcn, und mit wahr-
haft erleichtcrtem Herzen bcgrüßte tch endlich die auf-
gehende Sonnc, dercn Strahlen die Raubthiere ver-
triebcn. Ach sticg jetzt von meinem Baumc heruntcr,
machte Fcuer an und briet mtr ein Bärcnsteak. Von
dcm frugalen Mahle neu gestarkt, verließ ich dann

das Thal, dcffen Besuch mir so verhängnißvoll ge-
weftn war und trat auf die Prairic htnaus. Die
Fläche, die mein Auge überblickte, war unermeß-
lich, abcr nirgcnds konnte mein Auge ein lebendes
Weftn entdecken. Zch bestteg abermats eincn Baum
und ließ nach allen Seiten hin mcine besorgten
Blicke schweifen. Ach, ringsum «ar grenzenloft
Einsamkcit und traurige Wüfte. Ach tz'laubte einen
Augcnblick allein auf der Welt z>i ftin, ich bildete
mir cin, die Sonnc strahle nur für mich und ver-
breite nur zu mcincm Besten ihr Licht und ihre
WLrme. Zwei Tage blieb ich an diesem Orte, um
die Rückkehr meiner Kameradcn zu erwarten; mein
Fleischvorrath war vollstandig aufgezehrt. Der Hnnger
fing an, mich zu pcinigen, und ich überließ mich
wieder der Angst und der Entmuthigung. Aber
das Uebcrmaß meines Unglücks gab mich mir ftlbst
'zurück; ich beschloß, mich meinem Schickfal nicht
widerstandslvs zu unterwerfcn, und fing an, aus
allen meincn Kräften zu schreien, wie um mich ftlbst
zu betruben.

„Nein!" ricfichaüs, „großcr Gott! Jchwillnicht
vor Hunger stcrben, und da dic Coyoten in dieser
schrecklichcn Wüste leben, so werde ich lernrn , mit
 
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