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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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N 86


Samstag, ur April

Jnsertiousgebührea für die 3spaltige Petit-
zeile werde»mit 2kr., be;w. 3kr. bereLaer.

Bestellungen anf die Heidel-
berger Zeitung für dieMonateApril,
Mai und Juni werden fortwährend
ber -en answärtigen Postämtern an-
genvmmen, für »Zeidelberg bei der
Expedition (Heugaffe Nr. 2).

j-f PolenS Untergang und LÄieder-
erwachen.

III.

)t'ger, der du als Empörer
Unö verbammst, und wett und brelt
Söldner sammelst unb Zerstörer,
Heischend Unterwürfigkett.

Dcine hctl'geu Herrscherrechte,

Legst du nlcht zuoor sie dar?

Sinb wir wtrktlch dcine Knechte,

W Sind wir deine Sclaven, Zar?

P l a t e n.

Wenii Rußland dcn Polen jeßt die drückend-
sten Feffeln abniinint unb venjelben einzelne
Rejorincii und Erleichteruiigkn, ja selbst einc
gewtffe nativuale Selbststänbigkeit unter seinem
Scepler gcwährt, so wird die Lextere jeren-
falls mit einer große» Einschränkung, inner-
halb der Gränzcn einer bloßen provinzieüen
Autonomte, statifinden unb werbcn selbst djp
Ersterrn ein gewiffcs Maß nicht überschreiten.
Mchr zu dewilligen, hiefür sprechen (vom rus-
stschen Stanbpuncte aus) bie unter Aleranderl.
unb NikolauS von l8l5—(830 gcmachten Er-
sahrungcn unb gewiffe alte, sonst immer sestge-
halieue Trabitionen ber rusfilchen Politik, üder
die fich selbst der milberc Sinn des jeßigen Kai-
sers nicht vöüig hinwegseßcn kann. Alte Erobe-
rungen RußlanbS, sclbst gegcnüber der Türkei,
erfchcinen, jcncn Traditionen zufvlgc, «lS un-
wefcntlich im Verglciche mit ber Erwerbung
Polens. Die Zerstörung PolenS, alö eiucr
poliiischen Macht, geschay, nach dem eigeneu
Zeugniffc russtfcher Staalsmanner (z. B. von
Pozzv bi Borgv anf dcm Wiener Evngreffe)
in vcr Absicht, die Beziehungcn Rußlands mit
bkii übrige» europälscheii Staatcn zu verviel-
sältigen unb ihm einen liinfaffenderenf befferen
nnb dekanntercn Spielraum für seine Kräfte
nnb seme Fähigkeiten zn eröffncn. An Wie-
derhcrstellung eines selbststänbigen Königrcichs
Polen in Form ciner Personalunioii mit Ruß-
lanv ist somit — wenn »icht im äußersten
Drange ber Umstände — nichk wohl zu ben-
ken. Die Aussührung eines solchen Prvblcms
enthält nach der Ansicht der russischen Politik
eine allzu gcwagte Schwächung und Decen-
tralisation des Zarenreiches. Der Titel ei-
neö Königs von Polen nud eines Kaisers aller

Reußen läßt sich dieser Änsicht zufolgc »icht
vereinigcn. Einen Theil von Rußland ats
selbstständiges Glied losreißen, den schwächern
Theil mit einer Versaffung, ben stärkern nn-
bedingt regieren — dieses erscheint dcn russi«
schen Diplomaten als ei» höchst gefährlicher,
mit Rußlands eigenen Jnteressen durchaus un-
verträglicher Contrast. Ohne Polen, sagte
seinerzeit Pozzo di Borgo offe», wäre Ruß-
land wicder eine asiatische Macht, mit Polen
ist es erst rechr in die Reihe der curopäischen
Staaten eingelreten.

Es liegt hierin eine Lehre, welchc nicht nur
die Polen, sondern auch die Deutschen und
die westeuropäischen Völker überhaupt, in um-
gekehrtem Sinne nicht genug beherzigen können.

Ein großer Theck ber Polen hat Alles bie-
ses auch schon längst eingesehen, und es wol-
len daher die Anhänger der democratischen
Partei untxr denselben von einem Compromiffe
mit Rußland ntchts wiffen. Sclbst vie einem
solchen mehr zugeneigte Adels- oder aristocra-
kische Parkei gedenkl daffelbe, mit Aus-
nahme etwa der höheren Magnaten, wohl nur
vorläufig als eine Art von Abfindung anzu-
nehmen, um hieraus sodann weiterc Ansprüchc
zn bauen und eincn Ausgangspuiict sür wei-
lere nationale Bestrebiingen zu haben.

So bewahren bie denkwürdigen Worte eines
ältern Polnischen Publicisten, Maiirpcp Moch-
nacki noch immer ihre innere Wahrheit: „Un-
ter milber Fremdherrschaft insurgirt die pol-
nische Nation, weil sie es kann, unter der
Tprannei insurgirt sie, weil sie es muß. Richts
ist im Stand, sie mit dem Ruin des Vater-
lands zu versöhnen, weder Milbc noch Grau-
samkeit." Zu Allem dem kommt schließlich noch,
baß ein selbstständiges Polen sich nicht am
Ziele seiner Wünsche sche» wirb, so lange
nicht auch die altpolnischen, halbruffifizirten
Provinzen Vollhpnien, Podolien, ('itlhauen
und Samogitien dcmsclbcn wieder einverleibt
wären, worauf natürlich Rußland nie unb
unter keiner Bedingung eingehen wird.

Auch die russische Regibrung ist sich ihrer-
seits diescr Lage der Dinge wohl bewußt, wie
das Ansammeln mächtiger Heercsabthkilungcn
in Polen erweist, sowie sonstige Vorkehrungs-
maßregeln, die sie für eventuelle künftige Fällc
trifft.

Daß das Nationalitätsrecht der Polen min-
bestens eben so gut, wie das des minder gcbeugt
und wcnlger zerriffen gcwesenen Jtaliens theo-
retisch anzuerkennen iff, bcbars, ba eine diesen
Anfprüchen scheinbar entgegenffehende Verjäh-
rung im öffentlichen Rechte keine Geltung hat,

da 80—M Jahre Unrccht noch keine Stunde
Recht ausmachen, auch dic Polen in elhno-
graphischer Beziehung einer andern Nation
nicht völlig affimilirt sinb, wohl keines nähe-
ren Nachweises. Wir wollen uus auch, bis
zum Beweise des Gegenkheils, der Hvffnung
hingeben, daß an den Polcn die langc Schule
des Leibens, durch welche sie gegangen sintz,
nicht vhne manche lehrreiche Erfährung vor-
übergegangen ist, und sprechen beingeinSß die
Erwartung aus, daß diejenigen nnter ihneu,
welche die WiederhcrsteUung ihrcs Reiches von
eigener Kraft unb auswärliger Hülfe erwar--
ten, hierin vvrsichtiger zu Wcrke gehen, alS
früher, und sich keine wieberholten Täufchun-
gen, wie vstinals schon, bcreiten mögen. Denn
aüen politischen Verhältniffeii unb der ganzen
geschichllichen Sachlage uach ist es, wenn nicht
für den leidcnschaftlichcu Eiiihusiasten, so doch
sür den denkenden GefchichtSfreund zur unum-
ffößlichen Wahrheit geworben, vaß Polen, bei
seiner geographischen Lage und ber befouvern
Art und Weife der Vermchtiing seiner Naiio-
nalität, deren Wiederherstellung nicht, so-
wie Jtalicn, von zusalligen Ereigniffcn der
Tagespolitik crwarten kann, daß hiezu viel-
mehr ein größerer, weitauSschenvcr Umgestal-
tungsprvceß der politischen und naktonalen
Lage unseres Weltiheils überhaupt gehört, in
deffen ersten Anfängen wir aUcm Anfchcin nach
jetzt schon begriffcn sein mögen.

Eine endliche feste Gestalkung dcr Dingc
läßt sich in solcheu Fällcn von weltgeschicht-
lichcr Tragweite notorisch nicht nach Tagcn
und Jahren, fondern nur nach Jahrzehnten
berechnen.

Ein schlechter Trost abcr für die Polen,
wirb vicllcicht Mancher denken, ist es, sie mit
prackischcr Verwirklichung ihrer theoretisch an-
erkaniiten Rechte so lange aufs Ungewiffe hin-
halten zu wollen! Wir anlworien hieraus,
die Polcn haben an ihren verrotteten inneren
svciälen Verhältniffen, welche vvr Zeiten den
Ruin ihres Vaterlandes herbeiführtcn, und
auf welche die cine Hälfte der großen Schuld
der Lheilung deffelben zurückfällt, so viel zum
Beffern zu wenben, um dic Vorbedingnngen
der Eristenz cines civilisirten selbststänvigen
StaateS zu erfüllen, daß keine, noch so langc
währende Frist hiezu nutzlos verloren sein wird,
wenn sic ernstlich dic Hand an dies nöthigste
aller Werke legen wollen. Untcr der bisheri-
gen despvtischen Rcgierungsform ward ihnen
dieses freUich fast unmöglich gemächt. Bei
den einzutrelenden Reformen, zumal unter ei-
ner nationalen Verwaliuug und einer. wenn

Ein Äbenteuer unler settlern.

Witgetheilt von Ed. Fran^e.

(Fortsetzung).

„Nur das »och. Galt der Anschlag an jenem
Abendc, wo man Jemand in der Nähc des Neu-
gebäudes ermordet glaubte, mir?"

„Za", sagte cr nach einer Pausc. — „Jhr hattct
mit Sali gcsprochcn — oben, auf dcr Gallerie bes
Stadthauses — die junge Dame — erinnert Euch
nur. — Um acht Uhr! ricft Zhr, als Jhr vom Ad-
jutantm Ruse schiedet. Sali war Euch gefolgt,
hatte nur Augen für Euch, sah nicht, daß sic beob-
achtet wurde, wußte nicht, daß sie Konrad mit Euch
auf der Gallerie sprechcn sah. — Wir nahmen dic
lautausgesprochene Stunde für ein klug vcrabrc-
dctes Zcichen znm Rcndezvoüs — wollten unö frei-
willig dazu einladen. Euch beobachtend, hatte man
Sali aus dcn Augcn gelrffen — sie war vcrschwun-
den — hatte dann bei einem unserer Verbündcten
die Klcider gcwcchftlt und denWeg nach dem Ncu-
gebaude genommen. - Es blieb atso kein Zweifel.
Wenn Ahr darnals in unftre H-nde gefallcn «Lrt,
hättc Konrad's glühender Rachedurst Euch Bciden

ein schreckltches Loos bereitet. — Wir wurden ver-
rathen — »erfolgt und mußtcn froh sein, zu ent-'
kommcn. Wir oermuthen, anch dies ftt Sali's
Werk; denn einer unftrer Spürhunde hatte ein
weiblichcs Wesen mit dem Wachtposten sprechen,
Euren Namcn ncnnen hören. — Er konnte die Ge-
stalt ntcht erkennen — aber dic Stimme erkannte
cr. Sie hatte uns also belauscht, war uns zuvor-
gckommen. — Die Verfolger nicht auf die rcchte
Fährte zu lciten, mußtcn wir dic ganze Racht im
Freien bivouakiren, dadurch konntc Saltunbemcrkl
zurückgelangcn — und Konrad fand fic am nächsten
Morgcn, schuldlos, als »b nichts vorgcfallen. --
Seit jcnem Tage hat Sali ihr Betragen gegcn Kon-
rad zwar wieder etwas geändert, abcr gelingt es
ihr auch, ihn cinzulullen — er schlaft nicht mehr
und wche ihr, wcnn —"

Er hatte schon eintgemale gcgähnt, als ob er
müde fti, jetzt erstarb das Wort, cr schloß die Augcn.
— Sali hatte also thr Leben auf's Spiel gcsetzt,
um das Meinige zu retten; sollke, durfte tch we-
niger thun, da si« jetzt in Gefahr war? Ncin —
drohte das Damoklesschwert auch jeden Angenblick
inein Haupt zu spalten, ich muKtc die retten, welche

rein und schuldlos inmitten des LasterS stand, fie
demselben cntreißcn. Vtelleicht harrte sie uur der
dargebotenenReitungShand, um entfliehenzukönnen.

Zufällig fiel mem Blick auf den scheinbar Schla-
senden. Zch bemerkte, wie zwischen den halbge-
schloffenen Lidern der Augapscl fest auf mich ge-
hestet war. — Dieftr affcctirte Schlaf war also
nichts als einc Priifung metner Person.

Jetzt, als ob er erwachc, fuhr cr mit der Hand
über die Augen. — „Sappermcnt!" ricf er, „bei-
nahe wärc ich fcst eingeschlafen. — Run, Zhr ftid
cin ehrlicher Mann, das h-itte bet Euch keine Ge-
fahr gebracht." — Er stand anf, recktc sich, stützte
die Hand auf die Stuhllchnc, sah mich cinen Au-
genbsick an und sagte: „Jhr habk indeß Zeit ge-
habt, nachzudenken, ob Jhr das Wagniß unter-
nchmen wollt. — M ist gesahrvoll, wtnn Zhr nicht
Kraft besitzt, Euch zu zügel». — Das Gcld" — rr
zog es hervor — „ist noch Luer; ich nchme nur
was ich verdient. — Es steht bei.Ench zurickzu-
kctcn."

„Ncin!" ricf ich. — „Jch gche mitEnch und »er-
doppelc den Lohn, «eim Jhr mtr G-legenheit gcbt,
sie zu sprechen."
 
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