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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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JnsertionSgebührea I
zeitelverLell rnit 2'kr.


Samftag, 8. Zuni

-jj- Die nordamerikanifche Crifis.

Die Befürchtunge», welche wir schon vor
mehreren Monatcn (in Nr. 11 uns. BlatteS)
httisichtlich der Berhaltniffe der noroamcrika-
nischen Union aussprachcn, sind inzwischen in
voUem Maaße in ErsüUung gegangen. Der
Sonderbund der Südstaaten untcr der Polen-
flagge ist eine vollendete Thatsache, und stcht
dcm skiavensreien Noroen unter bem alten
Sternenbanner seindlich gegenüber. Dagcgen
habe» aber auch die sog. Mitlclstaaten bie in
ste gesetzten Erwartungeu nicht geläuscht unb
stch, wie es schon ihr eigenes Intereffe er-
heischt, mehr oder wenigcc fest an den Nor-
den angeschloffen.

Welchcn Ausgang nun auch immer der i»
diesem Augenblick wohl schon dcgvnnene offcne
Kamps neymen wird, so viel ist gewiß — bas
wahre Wohl der Union wirb hiedurch in kei-
nem FaUc gefördert werben. Die stolze Hoff-
nung, daß sich ber amerikanische Staalenbunb
dereinst als ein Ganzeö üder den westlichen
Erbtheil vollständig erstrecken werde, eine Hoff-
nung, mit der sich vor nicht zu langer Zeit
die Bürger der Union allcn Ernstes trugcn,
ist vorerst vereitelt, und es ist, im FaUe ber
sclavenhaltendc Süden nicht vbllig besiegt wird,
sygar die Möglichkeit gegeben, daß diesc Son-
derstaaten, um dei sortwährenben inneren Ge?
fahren und bei 'der brohcnven Nachbarschast
bes breimal stärkeren Nordeus sich zu halien,
zu ben ihre Berhaliniffe mehr centralistrenden
mviiarchischkn Formen übergchen. Sobalb es
nun in Nordamerika zwei Neiche, namentlich
pvn vcrschiedcneil Negicrungssormen gäbe, wäre
ein Gegensatz in aUen Sircitsragen auch in
vcr neuen Welt geschaff'en unb selbst europai-
schen AUiauzcn unb Einmischungen bie Thüre
geöffnet. Doch ist dieses, zum Glücke für die
Union, bis setzt eine blvße Möglichkeil, wis
wir wciter unien naher zeigcn weiden.^

Dic Hoffnung aus eine srieblichc AuSglei-
chung dcr Streit,ragen zwischxn den vereinig-
ten, jctzi vcruneinigten Staaten ist zwar täügst
kiitschwundcn «nd ist hieran jchon seir gewaj:-
samer Hinwcgnahme hes Forth Sumier von
dem Sübey nicht mehr zu benken. In oiejcr
von be» Rordstaate» aber srüher gehegten Hoff-
nung, sowie in der Absicht, bie Schrecke» eines
sür Staaten rnit republikanijcher Bersaffung
besonders verderblichen Bürgerkrieges zu ver-
meiden, ist die fast aUzulange, soriwahrende,
ruhige, lavircnbe, zur Bersöhnlichkeit unb Nach-
giedigkeit geneigte Haltung der Unionsregie-
runff mit den Nordstaaten zu erklareu. Mga

hat dieses auf einen sriedlichen AuStrag der
Sache gerichtets Benehwen des Prästventen
Lincoln in einem Theile der europäischen Preffe
mituntex aus eine aUzuharte Wotse angcgris-
sen. Es konnte aber die Regicrung sowohk
gus jknen aUgeiueinen, als aus weiteren spe-
cieü in den uvrdamerikanischen Verhältniffeq
bcruhenden Ursachcn nur mit dcr größten Be-
sonnenheit vorschreitcn. Es mußte diesclbe
namentjich erst abwarlen, welche Roüe in dem
leidigen Bürgerkciege bie Mittelstaaten über-
nehmen wüpben; auch mußte man der Haltung
der in hen Norvftaaten zcrstreut lebenden An-
hänger der sogen. bempcratischen Partei des
Sudens verstchert ftin. (Das Verständniß
der amerikqnjjchen Parteibezeichnungen setzen
wip pyraus: Es braucht «jso kÜM erwähnt
zu werden, daß pscse sklsvenhaltende sog. De-
mocratie bes. Südens in der That nichis an-
deres ist, als eine Art vsn gehässiger Geld-
acistociLtte, usd mit ver wahren untz eigent-
lichxn Hemvcralie nach nnftrii, b. h. eurvpai-
lchcn Begriffe» nnr pen Rsmen gemein hai.j
Beides ist zg Gunsten der Regierung und
tzks Ntzrdens ftuSgefaUeü, «sjd es jchreilei
bskser nun, nachtzem dep Süben zuerst die
Feindscligkeiten erpffnet hatte, wie aus aüen
Nschrichten tagiqglich zu eytnehmen ist, mit
q.üer Euergie vorwarts. Währenbdem eine
zahirelche Armee pon Milizen unb Freiwiüigen
IM Norden organisirt wird ü>lb ber aus dem
Siqateichunke auSgetretene Südeq hierin nicht
jürüchbftcht, wendxt der Erstere zuglcich dik
ihm hftr zu Gebvt stehcnden Zwangs-Mitle!
mchr passtver Rstur sn, Ust! ven Letzteren
zqr Nachgichigkeit zu nüthigen. Die UnivnS-
lchjffc hlochren die Hasen bes Südenö imd
kiheben in Ihuniichstex Weift borlselbst bik
Eliigangsjdüc. ES haile bicses gcwiß sehr
prqbste, Rfttkl schpn stwss srüher in Aus-
nbung gMscht wkrden soüen. Denn bei dem
N>chtv?.rhsnbeiiftm dec direcjen Stenern in
sex ftüion wurde der öffentltche Aüfwanb bch-
hkk ftdiglich durch ftlche nnb ahnliche indirerte
ftbgqpen beftrfttky. Der Südeq wird aiso mit
der Zeit, wenn dft freiwiüigen Bkitcäge, von
dkßkl! Kft tagtägüch hvren, nicht mehr so
rcichlich flikßey, genöthlgi ftiy, sine Reihe
druckenber Sieuern einznsühren, um den Krlkg
sprtfttzkü Kü k.onneü- Anch bedars derselbe
sür Abyahms ftiüer Waaren, desonbers ber
PaüMwoste, dffxchaus bes Nordens. Ein Aus
gangsjtzü gus tzieftn letzteren Arftkel, vder
eiuk vqstlge Verhchbsrung ber Aussuhr dessel-
hen tzurch tzft Bloüade wüstze tzaher ben Sü-
dky lst ftinem Lebensnerve treffen,

Daß der ftkessioussüchtlgc Süden aher jetzt
noch durch solche und ähuliche Mittel aüein
wieder zu ftiner Pflicht zurückgeführt, und zu
dcm Wiederanschluffe an die Unioy -ewbgen
werde — hierau ist natürlich unter den jetzi-
gen Verhältlftjftii oicht mehr mtftrnt zu dcn-
ken, bafur ift bie Sache bes Zwiespallcs viel
zy weit gediehen. Ohne vffenen Samps wirb
es, wie bie Dinge cinmal jetzt siegeo, nicht
abgehen, und wirb der Wiederanschluß ber
Südstaaien nnr burch cine entscheidknde Rie-
derlage uud völlige Besiegung derftlben mög-
lich sein. Für den Sieg bes NordenS spricht
die größere Wahrscheinlichkeit, bie in deffen
weit zahlreicherer und theiiweise auch kriege-
rijcher Pevölkerung beruhl. Uederdies liegt
es in der Hanv veS Norbcns, Sklaveuauj-
stänbe im Suven hervorzurusell. Doch hängt,
wie überaü in sotche» Fätten, vicl von dem
Waffengläcke dcs einen obcr anbern Theils ab.

Mltumer ist auch, desonbers iu Europa,
bie Meinung verbreiiet, daß es zu keinem aü-
zu ernsten unb lange baukinben Kriege zwi-
Ichen dcn beiveu strcilenden Theile« loinmen,
und baß nach einigen versuchswkiftn Kämpsen
(etwa ähntich wie im Svyberbmtbskrlege der
Schweiz von 1847) wieber eine sriedliche Enl-
scheioung getroffen werde. Trvtz der grvßen
Klust bes Zwiespaltes und der zwischen dea
deiben Parteien herrjcheiiden Erbilterung wäre
jeldst bieseö jo uuinöglich mcht, dä die Er-
fahrung bei früheren Vorgäugen schon sattsam
gezeigt hat, daß bei ber eigenthümlichen Auiage
ves VolkS-Characiers ber Nardamerikancr zn
vielen öffeiulicheu Dingen in der Regel ein
großer, nfti vielem Lärinen und Aufftheu ver-
bundener Anlftus genommkil wird, wahryybdem
das schließliche Resuliai hinier den Erwar-
lungen zuruckdftibt. Würde jedoch diese lctz-
tere Vermuthung slch bestäligcii, dann köunte
ebe» nur von einem halben unb sauien Frie-
den bie Rede ftin, und würde sich eiu eriiener-
les sestes Aneinailberschließen dec Süd, und
Rorbstaaten und eine bleibende Zurücksührnug
der Ersteren zu ihrer Pflicht vorerst kanm
verwirklichen.

Deutschtand.

KarlSruhe, 6. Zunt. Seine Königltche Hoheit der
Großherzog haben unterm 3. d. M. gu.ädigst zu be-
schließeu geruht, daß dte Bcsorgung sämmtttcher, dte Rhetn-
schistsahrt betreffendeu Angetegcnhetten aus dem Geschäftqf
treis des MtntsteriumS des großh. HauscS und der aus-
wärtigen Angelegenheiten ausgeschieden unb demjentgen deS
HandelsministeriumS übertragen wcrbe. (K. Z.)

D. Äartsruhe, ti. Zuni. Der ftilherige
Prastbent ber Oberrcchnnngökammer, Staats-

Lu spät.

Eine dänische Crimmlilgeschicht«.

(Fortsetzung).

Zndeffeu glng eS nicht wohl an, die Sentenz eiues
Heiden zam Tertc einer christljchcn Predigt zu wäh-
lea; doch wolltc es mich bedünken, daß derselke
Gebanke mit ungefähr den nämlichen Wortcn fich
auch irgcndwo in der heiligcn Schrift bcfindey
müffe. Jch suchtc und suchte, konntc aber die Stclle
nicht anffinden. Es war sp<H und tch^ von an-
dercr Arbcit sehr ermüdei; so ging ich denn zu
Bette und schlicf dald darauf etn."

„Als ich am folgenden Morgen crwachte, auf-
stand und mich an ineinen Schreibiisch hinsetzte, er-
blickte ich zu mciner großen Verwunderung eln Blatt
Papicr vor mir auf meincm Tischc, worauf mit
großen Bnchstaben geschriebcn stand: „Darnm
sollst du Nlcmand rühinen vor sernem
Endc, Sirach 11, 29." Allcin nicht blos dicses,
sondern kine ganzcLeichenpredigt, die, obgleich kurz,
doch eben so fleißig, wie irgenb eine andere, aus-
gearbeitet war, iag vor mir. Zm Zimmer war

ksiy Wkysch gewcsen; d-nn weil das Schloß ab-
genutzl war, hqttc ich mnen eincn Riegcl vor die
Thüre gcschoben, tzaqiit ein zufijUigcr Wjnd, wenn
eiy stzlchfr drayßen stch erhöbe,.sie nicht aufstoßen
Möge; durch Las Fcnster konnte eben so wcnig Ze-
mayd hcreingxkommen sein, dcny es war Winter,
.jiyd ber Fcnsterrahmen fest an die Psostey gcfroren;
außertzcm schftn AsteS mft mciuer eigenen Hantz
geschrishcn. Nun wußte ich j», «er die Prcdigt
gcschrieben — kein Andcrcr, als ich ftl-er. Ern
halketz Jahr vorher war ich iy einem ähylichcn son-
derbarcn Znstandc Mstteq iy der Nacht iy dft Kirche
hinkingegapgen vnd hattc daftlbst ein Tqschentuch
gchylt, das ich, wie ich mich besann, den Nbend
vyrher iy meincm Stande hinter dem Aftar hatte
licgcn laffen. Sehi nun, mein Lieber, als hcute
die beften Zcugen »or Gericht ihrc Erklärung ab-
gghen, kam mft Plötzlich mein Nachtwandeln in den
Siny; ich erjnncrtk mich nicht »llein, «ie meiy
Gcmsith an jenem Unglückstage und mehreren daraus-
folgxilden nicht -los wegen des Verschwindens des
Todte» fthr unruhig gewcftn, sondcr» auch, daß
sch am Worgen nach der Nacht, in welcher, «ie be-
hquptes wird, dft Lciche »crgrabey worden ist, m>ch

ftlber gewimdert habe, meinen Schlafrock auf dem
Boden innerhalb der Thüre ticgen zu fthcn, daich
denftlbkii doch jeden Abend üher cinen Stuhl oor
mcinemBette zu werfcn gcwohnt war, was bis auf
jenen Augenbftck mcinem Gedächtniffe wieder ent-
fallen war. Das unglückliche Opfer meines un-
dändigcn ZLHzorns muß im Walde iodt umgefal-
ftn, und nach Gottcs ewigcm Rathschiuffe diese
ungewöhuliche Eigenschaft memcs LeibeS und mei-
ner Seele zu eincm Werkzeugc geworden ftin, mich
meincr, mir nicht einmal ftlbst völlig bckanute»
Schuld vor dcn Augcn der Welt zu überweiftn.
Jn meinem traumLhnlichcn Zuftande werde ich ftine
Leiche gcsehen haben und getriebe» wordenftig, sft
dort zu suchen, und !n der Angst, die dem Wachen-
den erspart wurde, da zu vcrgraben, «o meinc
Schuld mir erst offenbar wurdc. Ja, Gott fti mft
gnädig, es ift, eS muß so setn!"

Hiemit schwicg er, hielt die Hände »vr die Augen
und weinte bitterc Thränen. Der Richier aber war
auf das Höchste bestürzt und in ftiner Seele nn-
gewiß. Er war ftüher, »on dem Augenblicke an,
«o die Leiche aufgefunden wurde, der Meinung
geweft», datz der Hrmordete anf der Steüe gestorben,
 
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