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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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März
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0299

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Frettag, 29. März

JnsertionSgebühren für die Zspaltige Petit-
zelle werden mit 2 kr., bezw. 3 kr. berechnet.


L8K1

Wcnn neuerdings in den Zeitnngen von dcr
kleinen Anzahl von nur 30,000 Turnern in
ganz Dcutschland gesprochen wurde, so ist
dies für jetzt wenigstens eine irrthümliche An-
gabe, da in jüngster Zett, besonders angeregt
durch den Coburger Turnertag im vorigcn
Jahre, unzählige neue Vereine in allen deut-
schcn Gauen fich bildeten, und wo scho» Ver-
eine bestanden, die Mitgliederzahl fast überall
um mehr als das Doppeltc zunahm. Es mvchte
die obige Zahl numnehr gewiß um mehr als
das Doppelte gcstiegen sein. Freilich für ganz
Deutfchland immer noch etne sehr bescheidene
Anzahl! Wenn jeder Freund des Bolkes nnd
des Vaterlandes hoffen inuß, die deutschen
Regierungen werden der lautcn öffentlichen
Stimme und bcsonders der Denkschrift dcs
beim Turntagc in Coburg ernannten
AusschusseS Folge leisten und in großarti-
gcm Maßstabe das Turnen in allen Volks-
schulen uNd höheren Schulen, so wie im gan-
zcn Heere einführen, so steht als Thatsache
doch fest, daß das Meistc hierin die einzclnen
Gemeindcn in Gemeinschaft mit Turnvereinen
thun können. Wie wir vcrnehnicn, hat der
hieflgeTurnvcrein, welchcr nach unsererKennt-
niß trotz allcr Ungunst der Zeiten scit
1846 ununterbrochen, wenn auch in wcnigen
Mitgliedcrn, fortbestand und bishcr sich mit
dem kleinen Turnplatz des Herrn Waßmaiins-
dorff behalf, vor Kurzcm eine Eingabe an die
hicsige Gcmcindebehörde gerichtet, mit dem
Gesuch: „für dcn sich täglich vergrößcrnden
Verein einen geeigneten Raum zu einem Tnrn-
platz zu überlaffen"; er hat dabei zwci ver-
schicdene Plätzc als passe^id zur Einrichtung
eines allgemeinen städtischen Turnplatzes an-
gegeben. Wir zollcn dem'Tiirnverein dafür
unsern Dank und begrüßcn mit Bcfriedigung
dic Nachricht, so weit wir unterrichtet find,
daß der hiefige Gcmeindcrath, der als Ver-
tretcr dcr Bürgerschaft jederzeit gemeinnützige
Zwecke unterstützte, schon die einlcitenden
Schritte gethan hat, um dic Gründung eines
größeren Tnrnplatzes baldigst zu ermöglichcn.

Bruchsal, 22. März. (Schwurge-
richt des Mittelrheinkreiscs.) Dic 28 Jahre
alte, ledige Krescentia Nestler von Nicderbühl,
welche schon im Jahre 1859 wegcn cines
versuchten Kindsmords vor dem Schwurge-
richt stand, damals aber fdeigesprochen wurde,
betrat heute abermals unter der Anschuldi-
gung eines ähnlichen Verdrechens die Bank
der Angeklagten. Sie hatte nämlich ihr im
November v. I. zur Welt gebrachtes unche-
liches Kind, nachdem dassclbc einige Tage

alt geworden war, in dcr Abficht, fich vvn
der Svrge für dasselbc zu befreien, in der
Nähe vvn Niederbühl auf freier Straße und
zur Nachtzeit in eine Hecke gelegt und dann
das Kind verlaffen. Das kleine Geschöpf
starb in der kalten Nacht in Folge seiner
Hilflofigkeit und deffen Leiche wurde erst meh-
rere Tage später, von den Raben zernagt,
aufgefunden. Jn Fvlge des Wahrspruchs
der Geschworenen, wornach die Angeklagte
zwar für schuldig crklärt, jedoch angenommen
wurde, daß ste nach den Umständen des Falls
den von ihr nicht beabstchtigten Tod dcs
Kindes nur mit mittlerer Wahrscheinlichkeit
habe voraussehen können, wurde die Nestler,
wegeu fahrlässtgcr, dnrch vorsätzliche Kindes-
aussetzung vcrursachtcr Tödtung zu einer
Zuchihausstrafe von 8 Zahren verurtheilt.
Äuch diesc Sitzung war eine geheime. Herr
Hofgerichtsrath Ottcndorff functionirte als
Stcllvertreter des StaatSanwalts, und Herr
Obergerichtsadvokat Wolff als Vertheidiger
der Angeklagten. Von Seite dcr Anklagc
war angenommen worden, daß die Angeklagte
den aus ihrer Handlungsweife erfolgten Tod
dcs KindeS mit höchster Wahrscheinlichkeit
vorherzusehen im Stande gewesen. (B. L.)

K Darmstadt, 27. März. Die Vcr-
waltung der Main-Rhcinbahn wird während
der Dauer dcr Blumcnausftellung in Bicbe-
rich mindestens für einigc Tagc eine bedeu-
tende Ermäßigung der Fahrtare für Hin-
und Retvurbilletc von hier nach Mainz ein-
treten laffe». Da zweifclSohne auch vvn
dortiger Gegend Vicle dicsc außcrordcntlich
prachtvoll wervcndc Ausstellung besuchen
wcrden, so dürftc diesc Mittcilung von An-
tereffe sein, da sclbst die Fahrt von Heidcl-
berg ab über hier schnellcr und billiger Statt
findcn kann, uls über Mannhcim.

Frankfurt, 23. März. Die Wochen-
schrift des Rativnalvereins stcht fich durch
die Ausweisung des Dr. Ednard Löwenthal
aus Frankfurt zu folgendem „Protest" ver-
anlaßt: Wir kenncn den Mann nicht. . .
Aber unter allen Umständen scheint es uns
driiigendc Pflicht der ganzen Presse, sowic
aller Fcindc bureaukratischer und polizcilichcr
Willkür, laut und cntschieden gegen diese
Maßregelung Protest zu erheben. Der heil-.
lose Unfug, Leute, dencn man sonst nichts
anhaben kann, lediglich wegen ihrer schrift-
stellcrischen Thätigkeit wie Landstreicher unv
sicherhcitsgefährliches Gesindel aus ihrem'
Wohnort zu vertreiben nnd von Land zu
Land, von Stadt zu Stadt zu jagen, darf

Deutschlan-

KarIsruhe, 26. März. Gestern Abend
hat sich in den Räumen dcs Bürgervereins
eine Anzahl achtbarcr Bürger eingefunden,
und in dem Gefühl einer vaterländischen
Pflicht berathen, ob es wünschenswerth er-
scheine, fich als Mitglieder bei dem National-
vcrein zu betheilige», was bejaht wurde.

* Karlsruhe, 27. März. Ein tragisches
Ereigniß erregte gestern Abend in uuserer
Stadt überall die größte Theilnahme. Ein
liebendes Paar, denen der Weg zur cinstigen
Vcrehelichung verschloffcn war, faßte den Ent-
schluß, ihrem Lebcn durch Gift ein Enbe zu
machen, was sie zum allgemeinen Schrccken
gestern vollbrachten. Der Fall ist um so mehr
zu bedauern, als der junge Mann, aus ciner
sehr gcachtetcn Bcamtenfamilie von Freiburg
stammend, und das Mädchen eine brave Bür-
gerstochter von hier, Persönlichkeiten waren,
dic ein beffcres Schicksal verdient hätten.

Karlsruhe, 27. März. Dievonder Samm-
lung zu einem Ehrengeschenk für Hrn. Ober-
biirgermeister Malsch bei seiner Wiederer-
wählung übrig gebliebenen 250 fl. wurden
als Malschstistung dem Waisenhause über-
geben.

(3 Heidelberg, 25. März. Mit Freude
ist die Theilnahme'zu begrüßen, welche ncuer-
dings die deutsche Presse der Angelegenheit deS
Turnens zuwendet. Keine sache verbicnt
gewiß crnstere Aufmerksamkeit aller Schichten
des Volkes, als das Turncn. Nur wo dieses
blüht, kann von einem tüchtigen Volke dic
Rede sein, und neben so viclen andern rein
menschlichen Anstalten und Vereinen sollte in
erster Linie das Turnen ernst ins Angc gefaßt
wcrden. Nichts ist so geeignet, dcn Menschcn
körpcrlich und geistig zu kräftigen und ihn ge-
wandt und selbstständig zu machen, als die
jetzige Art des deutschen Turnens. Für man-
chen Volks- und Staatsverbefferer wäre es
mchr denn zweckentsprechend, anstatt unfrucht-
bare staatliche Thcorien zu machen, cinen nam-
haften Thcil der geistigen Thätigkeit auf das
so tief in das Leben des Einzclnen, sowie in
bas Gcsammtleben dcs Volkes eingreifende
Turncn zu richten und (cntschieden am aller-
zweckmäßigsten) praktisch an dieser edlen Vvlks-
sache Theil zu nehmen. Auf den Turnplätzen
werden die wahren thatkräftigen Söhnc des
Vatcrlandes herangebilbet; die Turnplätze
sandten allezeit die kühnsten, ausdauerndsten
Kämpfer für das Vatcrland.

Ein Abentcuer unier Settlern.

MitgethcM von Ed. Franke.

(FortseHung).

Rasch offnete ich rhri und las: „Dre mitlctdigen
Aeirßerungen, wclchc sie im Stadihause machten,
gewannen Jhnen mein Herz ganz und wurdcn Ver-
anlaffung zu einem gefährlichen Verdachte, ja schrcck-
lichem Unternehmen gcgen Sie. -- Der Zufall ließ
es mich erlauschen. Jch wollte Sic warnen, wärc
aber durch einen unglücklichcn Sturz fast sclbst in
die größte Gcfahr gerathen, wenn Sie nicht mein
Retter wurden. — Sie haben mich dadurch zum
«wigen Danke verpffichtet. — Was man auch'gcgen
Sie unternchmen wollte — fürchtcn Sie nichts —
ich wache und werdc es unschädlich zu machcn wiffen."

Dcr Styl dieses BricfeS zeugte von Bildung. —
DaS Mädchcn gehörte also den beffercn Ständcn
an. — Wie kam sie aber in Verbindung mit Gau-
nern? — Wer war sic selbst?— Welche Aeußerun-
gen hatte ich im Stadthause gemacht? — Jch wußtc
mich dercn jetzt nicht klar zu erinnern. — Das Jn-
tereffe an einem Wcsen, deffen erster Anblick mich be-
rcits gefangen nahm, steigerte flch tmmer mehr. —
Aber welche Schritte, um sie zu entdecken? — An

dcr Dcrsicherung, „fie wache", lag «ohl ein schwacher
Hoffnungsstrahl möglichen Wiedersehens — allein
er genügte mir ntcht. — Und wer strcbtc mir nach?
— Warum? — VergcbenS martcrtc ich mein Ge-
hirn — ich fand keinen Haltpunkt. — Gcdanken-
voll und doch gedankcnloS war ich wieder an mciner
HauSthüre angelangt.

,>Eben woar's Madel wieder doa un froagt ob
i sci Bricferl oabgeb'n", rief mir der Hausmcister
entgegcn. — Jch ftarrte ihn an. - „Noa, woas
glotzens oals wann's mi nit gloaubn?"

„Seit doch gescheidt", sprach ich schnell. „Jch hatte
gcrn das MLdchen gesprochcn."

„Ah so", lachte er dnmmpfiffig. — „'s Dingerl is
patschli. — Noa gegcn dc Brucken zn, werdens ihr
trcsf'n. — Schwoarz Umschloagtucherl — setden
Huterl mit Soamtbanderle — schwoärzseiden Klcid.
Vcrstchen'S mi? — Weit is' s no nit."

Ohne zu antworten, stürmte ich.fort. —Sie war
es — war es selbst. — Die ganze Beschreibung,
wie sie auf meincm Sopha lag.

7.

Wie ein vom Bogen entsendetcr Pfeil,- ffog ich
der Brücke zu — doch nirgends einc Spur — sie

schien plötzltch verschwundcn. — Zch durchranntc die
nächsten Straßen, spähte in jcdem Winkcl. -- Ihr
Bild stand vor meiner Seclc — mein Blick fand
es nirgendS.

Jch gelangte in die Rähe des Stadthaufes, hicr .
war eine dichte Mcnschengrüppe — ich drängte mtch
'hinein. — Plötzlich höre ich mein gcstrigcS Aben-
teuer zum Thcil erzählcn.-— AUc Trabanten, so
hieß es, sind auf den Beinen, um den Thäter des
begangcnen Mordes zu entd'eckcn. — Ein Mord?
— davon wußte ich nichts. — Ach fragte nun und
erfnhr, «ie denn Frau Fama die Dinge immcr ver-
größert ausposaunt — daß gestcrn Abend, in der
NLHe des NcugebäudeS, cin Mord begangcn sei,
man habe Blutspurcn in einer Vettiefung — der-
selbcn, wo das WLdchen an mir zusammengesunkcn
war — entdeckt, das Hinwegschleppen des Kvrpers
sei am Boden deutlich zu crkcnnen. Die Thäter
wären von der Wachc verfolgt worden, doch ent-
kommen nnd hätten ihr Opfer, welches man sogar
stöhnen gehört habcn wollte, mit hinweggeschleppt.
Allcr Wahrlcheinltchkeit nach sei es «in Fremdcr
gewefen und alle Gasthöfe wurden deshalb durch-
forscht.
 
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