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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0383

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Srscheint, Montags ausgenommen, taglich.
Preis vlerteljährlich 54 kr.

Donuerstag, 25. Aprkl

ZnsertionSgebührea für die Zspaltige Petit-
zeile werden mit 2 kr., bezw. 3 kr. berechnet.

Cine ttalienifche Parlnmentsfitznnq

Nach Erössnung der gestrigen Sißung, über
die wir bereits in Nr. 93 kurz berichtet, trat
Garibaldi, auf den Arm Macchi's gestüßt, ein,
lieben dem er au'ch aus der äußersten Linken
Platz nahm. Er war malerisch in einc Art
schottischen Pkatds gehüllt, der sein rothes
Hemi> bedeckte. Jm Saal, namentlich aber
von den Lribünen erscholl bei seinem Eintritt
bcgeisterter Betfall. Ricasoli stellle zuerst scine
Jnterpellation über die Lage der Südarmee,
worauf dcr Kriegsminister Fanti eine lange
Denkschrift zur Vertheidigung der Regiernngs-
maßregeln verlas. Zetzt crhielt Garibaldi das
Wort zur Begründung seines Antrags- Jta-
lien, sagte er, ist geschafsen, aber seine Unab-
hängigkeit hängt von der Tapferkeit seiner
Soldairn ab. Ricasoli hat von einem Dua-
lismus gesprochen. Jch bin es, der an der
Spitze der einen Seite diescs Dualismus steht;
aber ich habe dazu keine Veränlassüng gegeben.
Man hat mir Wörte der Versohnung zuge-
bracht; aber es waren Worte, und ich bin
ei'n Mann der That; ich bin aber auch
Mann meines Landes und habe nachgc-
geben. Wenn es sich um das L a » d han-
delt, werde ich immer nachgeben (Beifall),
abcr vermag ich die Hand veffcn zu drücken,
der mich zum Fremdling iu meiner Heimath
gemacht hat? (Beisall auf Len Tribünen.)
Deßhalb ist jedoch Jtalt'en nicht getheilt; ich
werde stets mit den Bertheidigern meines Lan-
Ves sein. Zch will nur zwei Worte von der
Hauptsache, von der Süvarmee sagen. Jch
müßte dabei viele ruhmvolle Dinge erzählen.
Der Ruhm wurdc nur verdunkelt, als diescr
Minister seine kalte, übelthuende Hand über
den Süben ausgestreckt hatte. Ruf: Zur Orv-
nung, zur Ordnung! Cavour erwiedert ei'nige
heflige Worte. Garibaldi: Zch glaube, das
Recht durch dreißigjährige Dienstc erlangt zu
haben, den Vertretern des Landeö die Wahr-
heit zu sagen. Präsident: Beleidigen Sie Nie-
mand, wenn Sie Zhre Ansicht aussprechen.
Garibaldi: Als die Liebe zur Eintracht und
der Abscheu vor einem brubermörderischen
Kampfe, dcr provocirt durch dicses Ministc-
rium..... Das Ccntrum: Zur Ordnung!
Cavour (mit Leidenschaft): Niemand hat den
Bürgerkrieg gcwollt. Jch protestire mit aller
Energie; ich kann solche Worte nicht hingehen
lajscn. (Unbkschreiblicher Lärm.) Der Prä-
sident beveckt sich; dic Kammer ist in der höch-
sten Aufregung; der Präsidcnt verläßt seinen
Stuhl und zieht sich zurück. Garibaldi ist

Die Heirathscandidaten.

Novelle von Wilhelm Jungmann.

(Fortsttzung).

Endltch war auch diefts Land durchschrttten. —
LLchelnd lag jctzt die hcrrliche Maingegend mit
thren tausend und tauscnd Obstbäumen und Wein-
ranken »or seinen Blickcn, nnd mit freudigen Ge-
sühlen hiclt er seinen Einzug tn das, nun wicder
zur frcien Rcichsstadt gcwordene alte Frankfurt!

Glühcnd hciß brannte noch die Sonnc, als unser
junger Wanderer auch diese Stadt verlaffen, und
zwischcn anmuthigen Rebgeländen, über Höchst und
Hochheim, der alten berühmten Stadt und Bundes-
festung Mainz zuschritt, und hier, an der Mündung
des MaineS, den gewaltigen Strvm zum erstenmal
crblickte, der schon scine jugendlichen Träume mit
Entzücken crfüllte.

An diestm Strome zu wohnen, von dem an seinen
Ufern gedethenden Feuerwetn für tmmer zu trinken,
war der einzige Wunsch, der jctzt des jungen Man-
ncs Seel« durchbebte, und er sollte ihm zur Wtrk-
lichkeit «erden; denn war es anch nicht in Mainz,

von mehreren seincr Freunde umgeben, dse ihn
zu mäßigen suchen. Cavour und Minghetti
verlaffen für einige Augenblicke den Saal.
Nach eiuer Biertelstunbe wird die Sitzung
wieder aufgenommen. Präsident: Jch bin ge-
nöthigt, die dem General Garibaldi cntschlüpf-
ten Worte streng zn tadeln und ihn zu grö-
ßerer Mäßigung aufzufordern, wenn ich ihm
nicht das Wort entziehen soll. Garibaldi:
Zch werde nicht mehr von dem Ministerium
sprechen. Unscr König hat gefagt, daß die
Südarmee ihre Pfficht gethan hat. Dic Ge-
schichte wird das Weitere vcrkünden. Was
hat das Ministerkum aus dieser Armee ge-
gemacht? Es koimte ste der regulären Armee
einverleiben, rvie ich mit der mittelitalifchen
gcthan, es koirnte darans ei» getrennkes Eorps
bilden, eS konnte sie aufföftn, durste ste aber
nicht erniedrigen. Garibaldi ergeht flch nun
in Beschrverdcn über die ungerechte Auflösung
und die wangclhasten Maßregekn zur Rcor-
ganisateon der Südarmee. Der einzige Zweck,
ven er vor Augen habe, sci die Bewaffnung
deS Landes. Man möge seinen Anrrag än-
dern, verbeffern, aber stch mit ihm beschästigen.
Fanti fucht in wenigeu Worten sein Vcrfah-
ren gegen die Südarmee zu rechtfertigen, und
betheuert, baß er sei» Land so wehrhaft ma-
ches wolle, wie jeder Andere. Nur wolle er
eine Wchrhastigkeit vermittelst regulärerStreit-
kräfte. General Birio sordert zur Eintracht
ans. Jch glaube, sagke er, an die Heiligkeit
der Gcfühle, welche Garibaldi deseelen; aber
ich glasbe auch an den Patriotismus des Hrn.
v. Cavour. Er kvnnte Jrrlhümer begehen,
allein ich glaube an seinen Patriotismus. Man
muß die Worte Garibaldi's nicht zu strenge
ausnehmen. Der Zwiespalt zwischen Gari-
baldi und Cavour ist ein Unglück! Um zu
schen, wie Garibaldi, Cavour und Rattazzi
sich die Händc reichen, würde ich mich mit
meiner ganzen Familie aufopsern. (Anhalten-
ber Beifall.) Zch crsuche Herrn v. Cavour,
an den Wvrten Garibalbi's keinen Anstoß zu
nehmen. Cavvur: Man stcllt mich als Feinb
der Freiwilligen dar, mich, mein Gvtt! der
sie zucrst ausgeboten hat. Jch beziehe mich
dafür auf Garibaldi selber, denn ich habe ihn
1859 herbeigerufen und seine Milwirkung ver-
iangt. Jch irieinesthkils nehme die Einladung
des Generals Birio an, und sehe den ersten
Theil dieser Sitzung als nicht vorgefallen an.
Er setzt nun die großen Anstrengungcn aus-
einander, die von Seiten des MinisteriumS
zur Vervollständignng der Rüstnngcn geschähen;
man habe die Nationalgarde mobilistrt und

so war eS doch einige Meilen aufwärts des Stro-
meS, wo er Arbeit erhielt nnd ihm einc neue Hei-
math werden solltc, die ihn, wenn auch immer noch
warm an seine Angehörigen denkend, bald dte alte
vergeffen ließ.

Karl Brenncr war cin schön gewachscner, stark
gebauter junger Mann »on 21 Aahren, mit blühen-
dem Angesichtc, feurigen Augcn und glänzendbrau-
nem Lockcnhaar; seine Manicren waren freundlich,
beschciden und artig, und seine Sprache, die hoch-
deutsche des Nordcns, von besondcrem Wohllaut,
die, gepaart mit seiner nicht ungewöhnlichen Bil-
dung, ihm gar bald aller Hcrzen gewann! Beson-
deren Eindruck hatte der jungc Mann auf seinen
nunmchrigcn Principal, einen Maschinenfabrikan-
ten, gemacht, der selber früher viel gereist war und
sich besonderS im Norden längere Zeit aufgchalten
hatte. Dieser hatte gar bäld des neuen Gehilfen
Gcschicklichkeit erkannt, ihn mit den schwierigsten
Arheiten betraut, und dann sogar zu scinem Werk-
führer tn der Fabrik ernannt, mit welcher Stelle
ein ziemlich ansehnlicher Lohn verbunden war. Aung,
froh, lebenslustig und angenehm im llmgangc, war
es daher dem nunmehrigen Werkführer ein Leichtes

sei außerdem nicht abgeneigt, auch den An-
trag Garibaldi'S in Betracht z« nehmen. Zch
wünsche, schloß er, daß meine Worte von Ge-
neral Garibaldi und ftinen Freirnden mft dem
Erntrachtsstnn anfgcnommen werden mögen, mft
dem ich stc auSspreche. Garibaldi: Zm Jahr
1859 war ich vrm Grafen v. Cavour dank«
bar dafür, mir die Mittel gegeben zn haben,
rneinem Vaterlande zu dienen. Nber seitdem
habe ich an dem Grasen Capour ntchts mchr
loben können. Es ist dies eine schmerzliche
Geschichte. Zch kam nach Tnrin, die Fret-
wllligen langten an. Man sandte mir die
Buckeligen und Hinkenden und bchielt die taug-
liche» Lcute für die Armee.... JH rieth dem
Kriegsminister in Mittelitalien, die Freiwilli-
geu bis zur Beendigung des Kricges usd der
Bcfreiung Jtaliens zu engagircu. Zch srage,
ob wir weniger ausgefttzt stnd, weniger Feinde
haben als England. Dicjcnigcu, welche stch
in Rom befinden, stnd Feinde. Zch liebe Frank-
reich, aber diejenigen, welche unsere Havpt-
stadt besetzt halten, flnd Feiude. Wir haben
deren auch am Mincio. Zndeffen hat Eng-
land 180,000 Freiwiütge und seitdem keine
Furcht mehr vor fcindlichen Einfällen. Ca,
vour: Es besteht zwischen dem Gcneral und
mir eine Sache, die uns trennt. Zch glaubte,
meiiie Pfficht zu thun, indem ich dem König
zur Abtretung Savopens und Nizza's ricrh.
Bei dem Schmerze, welchen ich empfand, bc-
greife ich dcnjenjgen deS Generals, und ich
erkläre mir seincn Groü gegen mich. Cavour
sucht dann dic Anklagen in Betreff der Frei-
willigen vom Jahre 1859 zu widerlegeu.
Garibaldi: Er sei vvn den Erklärungeu Ca-
vours befriedigt. Aber es gebe cin Mittel,
die poli'tischen Uncinigkeiten gauz auszusöhsen.
Jch zweifle nicht daran, daß Cavour ftin Va-
terland liebt. Möge er setnen Eiuffuß be-
nutzen, um mein Gesctz über die Bewaffuung
abstimmen zu laffen, und die Freiwilligen der
Südarmee einberufcn. Dies wäre daS Mittel,
Alles auszusöhnen. Crispi ermahnte zur Ei-
nigkeit uud empfahl Garibaldi's Antrag. Zum
Schluß wurden 4 motivirte Tagesvrduungen
verlesen, darunter die von Ricasvli, welchc iu
der Sitzung vom 20. angenommen wurde.
Bcim Herausgehen aus der Sktzung war Ga-
rrbaldi Gegenstand einer Volksovation, man
wollte sogar die Pfcrde, oder vielmehr das
Pferd von seinem Wagen ausspanneu. Auch
nach der hentigen Sitzung, in welchcr Birio
anzeigte, daß in Folge der von der Mehrheit
der Kammer mit Beifall aufgenommenen Aeu-
ßerungen über die Südarmec die als Abge-

geworden/ in vielen bürgerltchen Kreisen Eingang
zu finden, und besonders unter dcn jungen Leutcn
seines Alters fich zahlreiche Freunde zu erwerben,
die ihn oft einluden, an ihren Vergnügungen Theil
zu nehmen, die hauptsächlich darin bestanden, an
Sonn- und Feiertagcn Ausflüge in die Umgegcnd
zu machen, zu welchen gar oft auch junge Madchen
aus der Stadt herangezogen wurden, oie dem hüb-
schen jungen Mann mit aller Freundlichkeit ent-
gegenkamen, ohne daß jedoch irgend eines im Stande
gewesen wäre, sein Herz mit ftendigcren Regüngen
zu erfüllen. Alle b'ehandeltc cr achtungsvoll, doch
keine zeichnete er vor der andern aus.

Eines Tages nun, cS war an einem schönen Abend
vor dem Pfingstfeste, hatten sich mehrere Freunde
Brenner's in einemWcinhause zusammengefunden,
um noch einmal nahere Rücksprache zu nehmen über
einen am folgenden Tage zu machenden Ausffug
hinüber in daS Gebirge, um von da, von Auer-
bach aus, tiefcr in dasselbc einzudringen und dort
die Großartigkcit der Natur, gepaart mtt dem schaf-
fenden Gctste dcr Menschen, mit aller Muße be-
wundern zu können, und Alle freutcn sich schon im
voraus auf den herrlichen Genuß, ap-welchem auch
 
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