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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Mai
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Dienstag, 7. Mat

IasertionSgebühren für die Zspaltige Petit-
zeile werden mit 2 kr., bezw. 3 kr. berechnet.

Bestellungen auf die

Het-elberger Zeitung
für die Monate M a i und Juni merden
für hier mit 36 kr. angenommen bei der
Expe-itiv«.

Die österreichische Thronrede.

Der Telcgraph meldct uns die feierliche
Beleuchtung 'Wiens. Diesr festliche Heüe, zu
welcher diesmal kein potizeiliches Machtgebot
die Lampen zu entzüiiden brauchte, war rin
unzweifelhaft aufrichkiger, freudiger Gruß des
ganzen Vvlkcs an dic crste constitutionclle Ber-
sammlung Oesterreichs, welche ins Lcben trat,
ohne dem Herrschcr durch dic gewaltsam dvr-
schnelle Hand dcr Revolntlvn abgernngen zu
werden. Wir thrilen diese Festesfreude, und
jeder chrliche Mann in Dcutschland wird ste
mit uns fühlen. Zn so mächtig bewegter
Stunde foll man zwar nicht unerwogen las-
sen, denn nichts ist lugncrischer als vas
gemüthlichc Bergefsen der Grschichtc, und selbst
in der ersten französischen Umwälzung fehlte
es nicht an Augenblicken, wo volksthümliche
Bewikigungen des Königs jauchzendcn Znruf
erweckten bci demselben Volke, defsen Rufe
bald nachher ganz anders klangen, — man
soll nicht unerwogen laffen, sagen wir, daß
es dennoch nur die zwingende Hand der Er-
eignisse und dic innere Noth des Landes war,
die den Herrscher von Schritt zu Schritt wei-
ter führte zu cinem Zielc der Entwicklung,
das noch vor drei Jahren als Verrath an der
Krone geächtet, nvch -nach dcm itaiienischeii
Unglück als Träumerei verlacht, noch vvr neun
Monaten als Unmöglichkeit w«'t hinwcgge-
wiesen wurde. Allein wenn man in der Be-
urtheilung der Dinge und Menschen nichk un-
billig sein will, fo soll man auch bedenken, daß,
wie jeder kernige Baum nur allmählig zu
seiner Höhe hinanwächst, so auch große und
ein ganzes Spstem umwandelnde Entschlüffe
nur nach und nach flch cine Stätte erobern
können in dem Gcist cines znr unumschränkten
Gewalt erzogenen Herrschers, deffen bester
Wille sich vom Einfluß selbstsüchtiger Macht-
bestrebungcn dcr Höflinge nicht frcihalten kann;
und cben so ist niemals in der Geschjchtc ein
Volk aus dem Zwinger des fürstlichen Allein-
willens PlöKlich mit beiden Füßen in die freic
Gaffe der Selbstregierung hinausgesprungen,
ohne bei dem Sprunge schwere» und schwer
heilenden Bruch zu erleiden. Eine durch Ge-
waltthat des Augenblicks aufgenöthigte Vcr«
faffung würde wohl kaum eine anderc als

I abgeueigte Gesinnnng erzengt haben, weil dann
der Sicg der Freiheit zngleich aller Welt dir
Besiegung eines Regcnien verkündigt hättc.
Statt dfssen hat der Herrscher Ocsterreichs,
von Stufe zu Stufe der pvlitischen Erkenntniß
hinaufschrritend, aus dem Gewährten für das
noch zu Gcwährende ein heücres Urtheil
schöpfend, mit eben so viel Recht seincn eigenen
Eutschloß wie das Gebot der Nochweiidigkeit
fär den Begränder der neuen Verfaffungszu-
stände halren dürfen. Und wenn auch die end-
liche Einführnng einer öfierreichischenVerfassung
eher anf einer mchr passiven Annahme dcß
Systems der Minister als auf eincr selbst-
schöpferischen Thätigkeit des HcrrscherS beruhen
mag, so schlagen wir doch anch jene nicht ge-
ring au; ja einst wird die Geschichke den Ent-
schluß des Kaisers vielleicht nm so günstigcr
beurtheilen, je schwerer es werden mochte, ihn
zu faffen, und je verderblicher die ultra'mon-
tane und militärischc Atmosphäre ist, in die
bisher das politische Wirken des österreichischen
Herrschers gcbannt war.. ..

Oesterreich ist also eine eonstituN'vnelle Mo<
narchie geworden. Seltsamer Wandel ber
Dinge! Dret und dreißig Jahre, ein ganzes
Menschenalter hindorch, hatte Frankreich cine
Verfaffung, Kammern, Redner, deren tapfcrem,
sreilich meist vhnc Gefahr tapferem Wort Eu-
ropa lauschte, und Frankrcich galt für die
Sonne dcr Bölker, deren Licht sie aüe mit
Freiheit wärmte; Oesterrcichs Nativnen aber
iagen im Winterschlaf, und jeder Gedanke war
ein Verbrechen, der sie wecken konnte. Und
jetzt ist Frankrcich in engcren Bandcn fast als
es jemals Oesttrreich war; seine Gerichte, die
rinst sprachen: IXou8 reockous ckes urröts, et
uon pus ck«8 8erviev8! sind zu Dienern'dcr
Höflingsbefehle gcworden; seincr Redner Lip-
pen öffnet odcr schließt nach eigenem Bclieben
der Mann vom sremden, vom Korsenstamme;
scine Metterm'che und Gentz und Pilat nennen
sich Mornp, Baroche und Granier aus Cas-
sagnac, seine Spielberg und Munkatsch hcißen
Lambcffa und Cayenne. Frankreich trägt dic
Dornenkrone des Despotismus und Oester-
rcich ben frischcn Kranz der Freihcit! Das
zwicfach Unglaubliche wird zur Wahrheit, und
das Unmögliche zur Thatsache, die sich selbst
beweist.

Dcutschland wird nur Worte lebhaftester
Zllstiinmung für die Grundsätze haben, dte sich
in der Thronrcde aussprachen; aüerdings wird
es aber zuletzt mehr als auf dic Verheißungen,
auf die Art der Erfüllung ankommen. Die
Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetzc

ist vhne Rückhalt an die Spi'ße gestellt wor-
dcn, und daß es damit aüsrichtig gemeint sei',
mag die Ernennung von Protestanten uod
'Zuben zur Mitglicdschaft bcider Häufcr des
Reichsraths bcweisen. Die förmliche Aner-
kennung der Abgeordneten als „Volksvertreter"
sindet ihre thatsächliche Bestätigung in dem
Ümstande, daß zu gleicher Zeit die Theilnahme
dieser Vertretung an der Gesetzgebung als
selbstverständlich verknndigt wird.

Gcwiß hofft jedcr Dcutsche mit dem kaiscr-
lichen Sprecher der Thronrede, daß unter
Wahrung solcher Grundsätzc die „freien Jn-
stitutionen" zu einer heilsamen ÜMgestal'tUng
der Monarchic führen werden. Allein damit
dlesc Hoffngng bald zur Wirklichkeit werde,
darf die „Duldung" gegen die Gcbilde der
Vcrgangenheit, welche die Thronrede mit ciner
Art von wehmüthi'ger Ueberredllng cmpsiehlt,
nicht so weit gctrieben werden, daß man das
Concordat und das Protestan'tengeseß aufrecht
halte. Erst jüngst haben sich die Protestanten
Oesterreichs zusammcngethan, um in ausführ-
licher Denkschrift dem Kaiser darzulegen, welche
Reihe unwürdiger Bedrückungen noch jetzt aüf
ihnen lastet und mit welch' ungleichein Maße
ihnen und den Katholiken gemeffen wird, und
wie die Kirche der Letztcren nach wic vor die
herrschende blei'Ht, die die Gesetze ihres Vor-
theils allen andern ausjocht. Hierüber konnten
die wärmsten Freuizde Oesterreichs stch nicht
täuschen; sie haben in bester Absicht ihrc
dringendsten Beschwerden unablässig wicder-
holt, und noch hat ihri warnende Stimme
gcgen die Macht dcr Jesuitenpartei bis jetzt
durchzudringen nicht vermocht.

Die N. F. Z., welcher wir vörstehendr
Betrachkung entiichmen, äußekt sich am Schluffe
ihres Artikcls übcr die Ungarische Frage fol-
gendermaßcn: WaS wir gleich bei dcm Er-
scheine» des Februarpatents vorauSsahen (und
diese Prophezeihung erfvrderte wahrlich keine
besondcre Sehergabe), daß die Ungarn nicht
im Rcichsrathe erscheinen «ürden, steht heute
für alle Welt bewiesen da. Jmmer noch ist
eine andcre Lösung des österreichlschen Wirr-
warrs nicht zu sinven, als dicse ebne: einem
ungarischen Reichstag cinen deutschen zur Seitr
zn stellen, und beide Rcichstheilr dynastisch in
einer Weise zu verbinden, wie cS etwa Schweden
und Norwcgen sind. Das Kaiserhaus würde
dennoch, bei Anwendung eines zugleich frei-
sinnigen und klugen RegierUNgssystcinS, UN-
garn um so leichtcr au die Gesammtmonarchie
fesscln, alö dic Völker des Magyarenreichs
fast in allen Beziehungcn sich unter einander

Pir HeirathsranLidatrn.

Novelle »on Wilhelm Jungmrnn. '

(Fortsetzung).

Hiernach führte cr Helcne wiedcr zurück in das
Zimincr und begann dort das währcnd ihrer Ent-
fernung aus demselben niedergelegtc Packet zu ent
salten und deffcn Anhalt vor dcn erstaunten Blicken
seincr Braut auszubreitcn, die einmal über das
andere in lauten Ausruf ausbrach, alS hier cin
StückschwerenschwarzenSeidenzcugs zu eincmKlcid,
etn prächtigcr Shawl und cin Paar schon gearbei-
tete goldenc Ohrgehange zum Vorschein kamen.

„Karl, Karl! was hast Du gethan?" war alles,
waS Hclcnc hcrvorbringen konnte.

„Ntchts weiter, als «aS ich thun mußte, um auch
meiner licbcn Helene cinc Ancrkennung zu Thcil
werdcn zu laffen für ihre unendlichc Anstrcngung,
mit welchcr sie so wesentlich zur Errcichung unseres
so heiß ersehnten Zielcs beigetragcn hat. Jetzt sorgc

nur dafür, daß das Kleid noch zur rechten Zeit fcr-
tig wird."

Daß dieses geschah, unterlag keinem Zwcifel, dcnn

obglcich Helene alles aufbot, ihren geliebten Karl
zur Zurückgabe dicser werthvollen Gegenstände zu
bewegen, da sie sür sie zu prachtvoll und zu vor-
nehm seten, mußtc sie doch rndlich dem festcn Willen
dcSselben weichen, und nachdem dtcs geschehen, HLttr
fic ja kein junges Mädchen scin müffen, um nicht
die Lust in sich zu verspüren, fich mit dicsen Gegcn-
ständcn geschmückt zuschen. Mrt Hilfc ihrer Freun-
drn Mathildc Müller hatte Hdlenc ihren Braut-
staat vollendet, und als nun der Sonntag heran-
gekommen, und sir, geschmückt mit dcmsclben, threm
Bräutigam entgegcntrat, um thm an den Traual-
tar zu folgcn, da stand dieser ergriffen von Staunen
und Entzücken langi sprachlos thr gegenübcr, denn
so schön war sie ihm noch nie erschicnen. Das glän-
zenb schwarze Haar, in kunftvolle Zöpfc gcflochten
und zierlich um dcn Kopf gewunden, schmücktc ein
einfacher Myrthcnkranz; ein reichgestickter Kragcn,
gefertigt von Hclenen'S eigener Hand, wciß wie der
eben gefallene Schnce, erhöhte di« jugcndliche Frischc
ihrcS Angesichts; das prachtvolle Sridenkleid um-
floß ihre» schlanken Körxer in reichen Falten, und
dtc netten schwarzcn Zeugstiefelchen ließrn thren Fuß
noch kleincr erscheinen als er wirklich war, und so

vereinigtc sich denn alles, sie zu einer der anmuth-
vollsten Erschcinungen zu machen.

Ein Blick, in «etchem cine FreudeNthkänr glänzte,
und ein zarter HLndedruck war alleS, waS zwischcn
dcn beiden jungen Lcutcn gewcchstlt wurdc; dan»
tratHelcne, geführlvonthren beiden Bcgleiterinnen,
den Weg zur Kirchc an, wähkend Brenner, von
zwci Zeugcn umgcben, thnen auf dcM Fuß folgte.

Ohne alles Gepränge wurde der Träuungsart
vollzogcn; als aber der Geiftliche, rhe die eigeNt-
liche Ccremonte der Lrauung begann, tn etgreifen-
der Rcde die beidrn jungen Lcute auf die Bedeu-
tung und die Pflichten ihreS ncuen Standes auf-
mcrksam machte, als er thncn auf die Seele bänv,
in Liebe und Treue, in Frcnde nnd Leid, in Kum-
mer und Sorgen einander helfcnd und rathend ztw
Scite zu stehen, da floffcn Hclencn's Thränen un-
aufhaltsam die Wangen herah, in ihrem HcrzeN
abcr gelobtc sie fich hoch und theuer: alle diest Pfiich-
tcn mit Freudcn zn tragen, galtcn flc ja dem Wohl
und dem Glück des ihr so unaussprechltch theuren,
gelicbten Mannes, der ja anch für das ihrige älles
aufzuvpfcrn so gcrne bereit war.

Einfach, wie die Eeremonte tn dcr Kirche, wäk
 
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