Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Mai
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0415

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Thronrede -es Kaifers vöa
Oesterreich.

Wien, 1. Mai. Der Kaiser hat um 11
Uhr Vormittags den Reichsrath mit einer
Thronrede unter dem Geläute der Glocken
und Donner der Geschütze feicrlich eröffnet.
Der wesentliche Jnhalt der Thronrede ist:
„Zch halte fest an der Ueberzeugung, daß
freie Znstitutionen und Gleichberechtigung al-
ler Nationen heilsam für die Gesammtmonarchic
setn werden. Die staatsrechtliche Gestaltung
ist anf die Grundlage der mil der Einheit
und Machtstcllung des Reiches verträglichen
Selbstständigkrit der Länder gesteüt. Die An-
wendung erprobter uud constitutioneller For>
me» ist sanclionirt. Die Landtage werden
eine wachsende Kräftigung durch die regel-
mäßigen Versammlungen erhaltcn; die Land,
tage werven Gesctze schaffeu, welche dcn Bedürf-
niffen und Wünschen der Vvlker entsprechen.
Jhre Vertagung ist dadurch bcdingt, daß
der Reichsrath an seine Aufgabe zu gehen hat,
die ungeachtct der politischen, nationalen und
kirchlichcn Verschiedenheiten bei gegenseitiger
Billigkeit, versöhnlicher Slimmung und Duld-
samkeit nicht ungelöst bleiben wirv. Wo zede
Nationalität geschützt ist, wird keine der Ent-
wicklung entbehreu, mrb werden aüe zusayi-
men eine imposante Macht cnkfalten, welche
im Znnern befriedigt, weil sie auf Freiheit
beruht und nach Außen keinerlci Besorgniß
einflößen darf, weil sie ihrer Natur nach nicht
zur Aggrcssion verwendet wcrden darf. Es
darf im Vertrauen auf die Gerechtigkeit der
Sache und auf die Einsicht der Vötker crwarret
werden, daß auch die Frage der Vertretung
Ungarns, Eroatiens, Slavoniens und Sie-
benbürgenS im Reichsrathe bald eine günstigc
sein werde. Wir können hoffen, uns der
Segnungen bes Friedens ungestört zu er-
freuen. Europa hat das Gefühl desselben zu
bedürfen, die Allgemeinheik dieses Gefühls legt
den Mächten die Pflicht auf, dieses kostbare
Gut keiner Gefahr auszusetzen. Oesterreich
erkennt die Solidarität dieser Pflicht an und
ist übcrzcugt, daß sie auch von andcren Mäch-
ten anerkannt wird. Um so ersolgreichcr wer-
den die Arbeiten zur Begründung einer neuen
Epoche der Wohlfahrt sein. Die uächstliegendcn
stnd: Die Herstellung des Gleichgewichts im
Staalshaüshalte burch Einführung der Lan-
des-Kreis- und Gemeinde-Autonoinie so wie
durch Verminderung des Heeres-Aufwandes,
die Regelüng des Verhältniffes zwischen dem
Staatc und ber Nationalbank, Modificationen

in der Bestcuerung, so wie andere wichtige
Gesetze. Uaserc Aufgabc ist: Oesterreich über
fcincn schwierigsten Wendcpunct hrnüber zu
leiten: fie muß gelöst werden, welche Opfer
sie äuch kosten möge. Dse Vertreter des Reichs
werden mir mit der, vvn je in den schwie-
ri-gsteu Lagcn am glänzendsten erprobten, Treue
und Opferfähigkeit aller Stämme beistehen.
Sie haben in Zhren Landtagsadreffen auSge-
sprochen, daß die Bedingungen des Verbän-
dcs aller Länder des Kaiserreichs aufrecht er-
halten wcrben müffen. Es ist meiae feierlich
übernommene Rcgcutenpflicht, die mit dcn
Grundgesetzen vvm 28. Februar gegebene Ge-
sammtverfaffung als Fundament des einigen
und untheilbaren Kaiserreichcs mit aller Macht
zu schätzen und jeben Angriff auf dieselbc nach-
drücklich zurückzuwejsen." Die vereinigten
Häuscr des Reichsrathes bringcn dem Kaiser
ein dreimaliges begeistcrtes Lcbehoch. Die
Rede wurde oftmalig durch begeisterte Zurufc
unterbrochen. Hofkanzler Vap war zugegcn
gewcsen.

Deut s ch l a n d.

* Hetdelberg, 1. Mai. Bei der am
24. Äpril ia Durlgch stattgehabtcn drittcn
Cvnferenz belegte Herr Hvfrath Häufser mit
einem Schreiben die Gesinnung und Richtung
jener Männer, deren Signatur bie Ageude
und die Cooptation gcworden, worauf sich
Herr Kirchenraih Eberlin von. Havdschuche-
heim veranlaßt fand, in cinem Jnserat der
Karlsr. Zeitong Nr. 100 zu vntworreir, indem
er tzarin zugibt, daß es der Fall sein könne,
daß der Brief vo» ihm herrühre und an Herrn
Dekanatsvcrwalter Hamm gerichtet gewesen
sei, Es dürfte für einen weiteren Leserkreis
nicht unintercffant und zur Orientikung er-
wünscht scin, den Znhalt jenes Briefes, wie
ihn die „Badische Landeszeiiung" nach steno-
graphischen Berichten veröffentlicht, kennen zu
lern;n. Dcr Prief lautet: „Lieber Freund!
Jch habe dcine Schrift der Gencralspnode über-
geben und besonders auch priyatim auf bie
Nachweisungen der Ketzereien Schenkels auf-
merksam gemacht, die sehr interessirt haben,
benn dic Spnode hat sich bereits überzcugt,
daß die beiden hier befindlichen Profefforen,
Rothe unb Hundeshagen, mit ber Kirchen-
und Schriftlehre sehr disharmoniren und im
Grundc nichts als Rationalisten stnd. Es ist
ein Unglück, daß biesc Leute gewählt wurben,
wir haben in der Bekcnntnißcommisston einen
schweren Kampf mit ihnen, denn sie wollen
nicht offen unb unumwunden an das Bekennt-

niß und sich immer nur, reserviren. Aber si
sind erkanns und das Bündniß mit dcr Fa-
kultät ist gebröchen, Uümaun gründlich kurirt
und die Durlacher Vkrsanimlungen werden
aufhören. Die kirchtichen Consteüationcn wer-
den nach der Generalspnode sich gänzlich ver-
ändern in ünferem Lände. Der Katcchismus
ist ängenömMcn. Zetzt geht es «n §, 2, wö
ich nicht weiß, wie er aussallcn wird; denn
die „freie Forschnng" soü burchäus wieber in
die neue Kormüliruna und ein Theil'der Spaö-
dalgliedcr ist vön ben Prvfeffvren besangcn
gemacht ivorden. Es wird ciuen schweren Kampf
geben."

Ludwiflshafen Wir lescn in Nr.
24. des „Kreis-Ämtsblattcs sür bic Pfalz",
daß der Gebrauch dcs neuen Gesaugbuches
in den Schulen jcner Geineinven, bei welchen
derselbe in der Kirche dermalen noch nicht
stattfinbet, bis auf weitere Rcgierungs-An-
ordnung suspcndirt wird. .

Wiesbaden, 30. April. Nach der „Rhein-
unv Lahn-Ztg." wäre der Dekan Petmeckp
von seiner Mission nach Limburg zurückgekom-
men. Der bortige Bischof habe „in letzter
Stunbe" die von der Regierung in Bctreff ber
Besetzungen vacanter und künftig vacant wer-
denber Pfarreien rc. gemachten Vorschläge ber-
gestalt angenoinmen, vaß det in bieser Be-
zichung obfchwebende Conflict nunmehr alS
ausgeglichcn betrachtct werben könne.

Hanau, 29. April. Unsere Turner wöü-
ten kun,tigen Soninag ihrkn neüen Turnplatz
einweiyeii, die eingeladenen Gäste benach-
barter Turngemeinden am Bahnhof oder an
bcn Thoren der Stadt empfangen uüd mit
Musik, beulschen Fahnen rc. dürch die Stadt
ziehcn. Die Polizeioireetivn gestattete ihnen
jedoch nur einen „stillen" Aufzüg öhne Be-
nützung von schwarz-roih-goldenen Fahnen rc.

Düsseldörf, 28, April. Heute fiiidet cine
Versaminlung von RationalvereiusmitglikderN
aus Nheiniant-Westphalen statt, welche ohnc
Zweifel eiiien in der Vorversammlung fest-
gestellten Prvtesi gegen die französischen Rhein-
gelüste sich aneignen wir'd. Es heißt darin:

Wir wünschen mtl dev Franzosen in Frlede und Etn-
tracht zu leben; aber die in Regterungskretsen und tn der
geknebelten Presie wteder austaucheuden Gelüfte veranlassen
dte rhetutschen und westphältschen Mttglieder des.Nattonal»
vereins zu der Erklärung: DaS Land, welches unS an
Deutschland knüpst, tst etn sestes und unäuftöslicheS; wtr
verabscheuen jede Vereintgung mit etnem auslandischen
Staate; wir werden in guten und schltmmen Tagen mit
aller deutschen Treue zum Paterlande stehzin, und wir
werden ltcber AlleS opfern, ehe wtr unS dem Katser von
Frankretch unterwerfen! Wtr sind völlig ficher, datz dteseS
dte Meinung durch ganz Deutjchland tst.

Die Hcirathscandidateil.

'üooclle voü Wilhelm Züngrüänü.

.(Fortsetznng).

Hier auf dicsem stillcn Plätzchcn, dicht umschloffcn
von blnhenden Gestrauchen und dustcnden Blumen,
ungestvrt durch die lauernden Blicke Vorüberwan-
delnder, glaubtc Brcnncr ngn den Augcnblick hcran-
gekommen zu sehen, Hclene mit den Wünschen ünd
Hoffnungen sernes Herzens bekannt machcn zukönnen
und fich dcr Zustrmmung sciner Plänc zu vcrge-
wiffern. Zartlich hatte er ihrc Rechte erfaßt, mit
dem Ausdruck der innigsten Acbc hatte er ihr in's
Auge geschaut, dann aber in fcierlichem Ton ge-
sprochen:

„Helene! Helene! Jst es wohl möglich, daß Du
mich eben so lieb haben kannst, «ie ich Dich? Daß
Du, wenn auch unter jctzt noch ungünftigcn Der-
häitniffen, Dcin Schicksal an das Meinige änschlttßen
könntest, um mit mir vereintdurch's Lebenzu gehen?"

„Und das fragst Du auch noch?" lispcltc Helene
verschämt, während ihr Köpschen an Brcnner's Busen
sänk und hetße Thräncn aus thren Augen fioffen.
„Häbe ich Lenn noch Zemanden aus der Welt, der

mtr näher stünde als Du? — Aber! aber wird es
denn auch immer so bieiben? Kann nicht einc Zeit
kommen, die uns grausam von einander treynt?"

Dabet sank ihr Kopf trostlvS wiedcr zurück auf
die Lehne der Dank, reichlicher floffen ihrc Thränen
und wie von Fieberfrost durchschauert zitterten ihre
Glieder, so daß Brenner in höchster Bestürzung aus-
ricf:

„Um Gottcswillen! Helene! Was ist Dir? Was
soll dicse Angst bcdcuten? Sprich, gcliebtes Mäd-
chen, habc ich Dir irgcnd Gelegenheit gegcben, solche
finstcrc Gedanken herauf z.u beschwören?"

„Nein, Karl! Du nicht! Nicht Du trägst die Schuld
meiner namcnlosen Pcin, wenn ein solcher Augen-
blick herankommen sollte!" crwiderte Helene tmmer
noch weinend, „ich selbst habe diese Gedanken in mir
heraufbeschworen und zittere bci der Mögltchkcit,
wcnn sie sich verwirklichen svllten! Karl, Du bist
ein jungcr, geschickter Wann, der cben so gut einem
eigcnen Geschäfte vorzustehen im Stande tst, «ie
Du hasselbe jetzt für Deinen Prinzipal thust. Suchst
Du Dir yun eine Frau mit etwas Vermögen, dann
«ird es Dir ein Leichtes sein, ein eigenes Geschäft
zu gründcn, und Du bist Detn eigener Hcrr und

brauchst nicht mehr den Launen anderer zu ftöhnm.
Ach vermag Dir nichtS zu bieten, dann würdest Du
auch mit meiner Hand zugleich das Urtheil Deiner
immerwährenden Abhängigkeit unterschreiben. Wer-
den Dir solche Gedankcn nie kommen? Wirst Du
Dich nie nach einer selbstständigen, unabhängitzen
Eristenz sehnen? Karl, Du wcißt nicht, «ie sehr
ich Dich liebe, darum wünsche ich Dir auch allcs
Gute, und «enn darüber auch mein Hetz brechcn
sollte. Jch zweifie nicht an Deincr Licbe und Treue,
und dennoch «ill ich Dir nicht hindernd in den Weg
treten, wenn Du irgendwo Dcin Glück zu gründen
im Stande «arest. Siehst Du, das sind meine Ge-
danken, die mich schon seit langc beschäftigen, nicht
daran denkend, daß incine alte Base mir schon seit
längerer Zeit in dcn Ohren ltegt, mich mit der
Warnung zu quälen, von der Bekanntschaft mtt
einem ftemdcn jungen Meuschen abzulaffcn, det doch
nichts weiter im Schilde führe, als seinc Zett mit
mir zu vcrtändcln und mich dann »uf immer zu
verlaffen!"

Mit wachsendem Erstaunen hatte Breüüer den
Wvrten Helenen'S gelauscht; als fie abcr nun am
Ende der Warnung ihrer alten Base erwLhnte, dä
 
Annotationen