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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Mai
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R 11S


Freitag, 24. M-i


1861

Deutfchland

Karlsruhe, 2<). Mai. Gestern bkgmg
der Gr. Geilkrqistgbsarji Ür. Joseph Siegel
sem SOsähriges Dirnstjublläum. Die Stadt
Bruchsal, wo dcr Jubilar von 1850 bis 1854
Icbte, ernaunte denselhen zum Ehrenbürger.

Karlsruhe, 22. Mai. Nach der B. L.Z.
macht der Bcrsuch einer Bcrgistung durch
Phosphor in warmem Bier, welcher an einer
hochgestclltcn Person vcs hiesigen Adels be-
gangen wurde, scit gcstern viel von sich reden.
Üeber die Thäterschast dieses Verbrechens stnv
eigenthümliche Gerüchte in Umlauf, deren
Dunkcl durch die bereits eingeleitete Unter-
süchung bald ailfgehküt werden dürfke.

^ Aus Baden. (Wahleu zur General-
spnode.) Zn Bretien für den 4. wcltlichen
Wahlbezirk Hcrr Posthaltkr Paravicini, zum
Ersahmann Hr. Gastwirth Friderich i» Dur-
lach. in Neckargemünd Hr. Geh.-Rath Rau
in Heidelberg mit 52 Stimmen, gegen Herr
Geh. Kirchenrath Hünveshagen, auf welchen
13 Stimmen fielen. Für den 3. gcistli«
chen Wahlbezirk Emmendingen Hr. Gch. Kir-
chenrath Rothe mit 13 Stimmen, Ersatzmann
Hr. Psarrer Sevin in Eichstetten. Be» bei-
dcn Wahlen unterlag der liberalc Candidat
Herr Dekan Cnefelius mit 10 Stimmen.

Z Bom Rcckar, 21. Mai. Was die in
dcn Vordergrund ver Ereignisse getretene sp-
rischc Angelegenheit belrifft, so macht Napo-
leon gute Miene zum bvsen Spiele und hat
versprvchen, dem Drängen Englands, ja dein
Willen Europa's nachzugeben und scine Trup-
peu auS dcm Lande zurückznziehen. Nur einc
Ausnahlne bleibt, nach den Worten seines Mi-
nisters deS Aeußern, ossen, in dem Fallc näm-
Isch, wenn erneuerte Unruhen dastlbst auS-
brcchcn und wieberholt Christenblut durch dic
Hänve der fanatischeii Muselmänner sticßen
Ivlltc: dann würde Frankreich seiiiem eigenen
Drange folgen und dic Besehuiig Dpriens
sortbauern lassen. Abgesehen von aüen Hu-
manitätsrückstchtkn und dcr Frage, vb diesc in
Wirklichkeit oder nur zum Scheine vorhanden
find, können wir an den Abzug der Franzosen
von Sprien, trvtz aller Zusicherungen nicht
cher glauben, als bis dieser zur vollendetcn
Thatsache geworden ist. Eine weitere Ursache
ihres ferneren Verbleibens wird sich leicht
durch äußeres Zuthun bewerkstelligen lsffeu,
wenn stch dieselbe nicht von selbst ergibt. Die
Position von Sprien ist sür Frankreich zu
günstig gelegen, als daß es biejelbe so leichtcn
Kauses wieder aufgeben svllte. Es harmonirt

dieselbe allzusehr mit Fraukreichs Tendeuzen
im Örieute, mit seinen Absichten, daö Mittel-
meer zu einem französischen See zu machen,
und den Gang des Welthandels dorthin und
nach Frankreich zu leitcn. Selbst dev Besitz des
Suez-Canales nützt Frankreich, dem zur Hee
noch immer mächtlgerk-i Eiigland gegenüber,
nur wenig, ohne eine günstigc künftige Posi-
tion in der Nähe für seine Landmacht. Aus
ebeo dieseu Gründen abcr, und weil Sprien
durch dic eigenthümliche Bcschaffenheit seiner
Natur unh Lagc Fraukreich eme in coiumer-
cieüer und stralegischer Hinsicht sv günstige
Offensivstellung zugleich gegen Eygland ge-
währt, die weiterhin sogar vcssen Besixungsn
in Znvieii Gcfahr bringen kann, lft es erklär-
lich, weßhalb diese letztere Macht (dcreu ma-
terieller und politischer Lebeilsnerv yiervurch
bedroht werden kann) mil so großer, kaum
mehr gewohuter, Energie auf vie Räumung
Spriens burch die Franzosen drängt, Wenn
Napoleon hier in dcr That nachgibt, so ge-
schieht es nur im äußersten Drange der Üm-
stände, wcil cr cs noch fur zu srühc halt,
mir Englauv ganz zu brechen, indem er viese
Macht mit Gewalt zu einsm aiidern festläsi-
dischen Bündnisse hinbrängen würde (insbe-
sondere mit dem constitutionest gewordenen
Oesterreich, wofür in England schon manche
Stimmen laut geworden sind), es sclbsr aber
isolirt dastehen würdc. Zm Vcrein mit Ruß-
land aber jetzt schon die orientaiische Frage
auszuspielen, — dics mag wohl dieser letzte-
ren Macht wegen sv mancher ungeklärten in-
neren Verhältniffe f«r jetzt nicht gelegen sein.

D» Aus dem Unterrheinkreise,
22. Mai. Die V. f. S. bringt dic zwar
liicht verbürgte Nachricht, daß vsc h. Regje-
ruiig beabstcheige, die BorstaudSstelle afn ev.
Schullehrerseminar zu Karlsruhe dem Direc-
ivr am Pädagogium und ber h. Bürgcrschule
zu Psvljhrim, Hrn. Profcffor Dr. Lamap, zu
übertragen. Bestätigt sich diese Nachricht, so
wird mtt dieser Ernennuug ein bedeutender
Stein ves Anstoßes, ein beklagenswerkher
Mißstanv an einer der Lehrerbilbungsanstql-
ten Badens beseitiget und ein großer Theil
der Lehrcr, sv wie der sich um Schulsachen
interessirenbe Bürgerstand wird dicsc Ernen-
nuug mit Freuden begrüßen. Proseffor Dr.
Lamap genießl scines biedcrn unb redlichen
Characters wegen allgemeiue Achlung und
Verehruug. Seine ächt patriotische Gesinnung
uyd seine uneigennützige Rührigkeit für das
grvße Gesammtvaterlaud, dazu seine grünb-
lichen wiffeuschaftlichen Keuntniffe in Ge-

schichte und andern Fächern haben ihm auch
in wkiten Kreisen eincn sehr vortheilhaften
Ruf gesichert. Ünter allen bad. Philologen
war er zucrft Zener, der die wichtige Frage
üver „Einigung in der Rechtschrei-
bung " , Wie sic Hofrath Felvbausch mit so
grünvlich wiffenschastlichem Kennerblicke auf
dkm historischen Boden so treffcnb belenchtete
ustd ervrterle — äufgriff, um die Aufmerk-
samkest anherer Lehrer daraus zu lenken, und
vamit z« eincm Resultate enblich zu gelangen.
— Wir wünscheu vön Herzen, daß dieser
tüchkige Schulmann recht bälb zur Leitung
des Schullehrerseminars zu Karlsruhe bcrusen,
und neben ciner tiefern wiffenschastlich-prac-
tischen Bildung, wahre, ungeheuchclte Frvm-
migkeit und damit citi ächter Gtist christiichcr
Luldsaiykeit unv Liebc bei den zukünstigen
Lchrern großgezogen werbe! Bei vieser Gc-
legenheit könneu wir nicht umhin, die Ausmerk-
samkeit ver h. Regierung aus einen Mann zu
lenken, der mit einer sehr umsangreichen, all-
gemeinen und hohen wisscnschastlichcn Bilbung
eine ausgezeichnete KenntNiß des nievern unv
höhern Schulwesens und der Pädagogik ver-
bindet; zür Seite steht ihm ein rciches Felb
präclischer Erfahrung aüf biesem weiten Ge-
diet dcs SchüllebeNS uüd in bir adMiüistra-
tipen Handhabung vcr Schulen, es ist der um
uvser nievereS Und höheres Schüiwesen hoch-
verdiente geh. Hosrath und vormalige Öber-
studienraih Hr. Dr: Jos: Beckf deffen Na-
men weithin, in der „Literarischen" und
Schülwelt bekanni, Confessionelle Engher-
zigkekt, die seit 10---12 Zahren mit Ersolg
thätig gewesencn Häupter dcs UlltamoNlaNis-
mus und vcr Rcaclioii überhaupt haben diesen
ausgejeichncten Männ vom Schauplaxe der
sehr erfolgreichen, öffsytiiche» Wirksamkeit ge-
drängt; von ciner Stclle, vie er üiit felkencm
Glücke verwalteie, treu scinem Fürsten und
der Regierung, trcu sciner Kirche, enlfernt
von allem reiigiösen Fanatismus, im Gegen«
theil streng abgeneigt all viesln streng kirchlich-
osthvdoren unv verveeblicheii Äuswüchsen un-
serer Zeit. Zn sliüer Zurückgezogenhcit lebt
er nur der Wiffenschast und seinen Siudien.
Sollie es unserer erleuchteten Regierung nicht
gefallen, diescn Mann in Len ernften Ta-
gen durchgreifenden Reformireus auf allen
Gebieten vxs Slaatslebeus, fi'ir die Schulen
BadenS in Activität zu versetzen? So sehr
wir demselben nach so vielsacher Verken-
nuug und nach so ernsten Prufungcit und Käm-
pseü mil blinden Fanatikern Ruhe gönnen,
so zweifeln wir nicht varan, daß er gerne

Abentcuer ciner sungen Dame mit rinem
Mnrgstiger.

(Aus emem Brlese »o» Java.)

Der Herr El— und der Administrator waren
nach der Zuckermühle gefahren und dic beiden jün-
geren Söhnc befanden sich auf dem Fclde und tn
der Plantage, während die beiden älteren seit zwei
Tagen aus dcr Jagd warcn, so daß Miß H—, die
jcht ungcsähr siedzehn Jahrc alt und erst kürzlich
aus einer Erziehungsanskalt in Europa zurückge-
kchrt war, sich allein iu dem etwa hundert Schriite
vom Dorfe entfernten Wohnhause befand. Elnige
männliche und weibliche Bedicnten besandcn fich in
den Beigebäudcn und hiclten, ebcn so wie Miß
H—, ihre Siesta, die letzterc der großen Hitze we-
gcn in dcr schattigen Verandah vder offenen Vor-
gallerte des Hauscs. Als daS Fräulein um unge-
fähr 2 Uhr zufällig aus ihrem Mittagsschlummer
crwacht, erblickt sie sich mit Entsetzen eincm großen
Königstiger gegenüber, der so nahe bei ihrem Lager
unter dersclben Veranbah mit ihr schläft, daß sie mtt
ausgestrecktcm Arme seincn Kopf bcrührcn könntc.

Trotz des ungcheuren Schreckens überfieht sic mit
voller Geistcsgcgenwart die Größe der Gefahr und

erlaubt fich keinen Laut und k-ine Bewcgmrg; oer-
gebens finnt sie indeß auf ein Mittel, sich Hülfc
zu vcrschaffen oder Zcmand auf den nahcn fürch-
terlichen Feind aufmerksam zu machen.

Dieser Austand der Spannuug und Ungewißheit
dauerte über eine Stundc, wo der Augenblick der
größten Gefahr crst nahte — das Erwachen des
Tigers! Da endlich reckt er sich, gähnt mit durch-
dringendem Laute, und crhebt sich mit halbcm Lctbe,
indcß cr gemächlich seincn Schweif bewegt und sich
dic Backen lcckt. Das muthige Mädchcn gewtnüt
cS noch über fich, auch jetzt regungslos liegeu zu
bleiben und den Fcind gcnau zu beobachtcn; denn
das minbcste Zuckcn eines Glicdes hätte diesen her-
bcigerufen und ihr unmittelbares Verdcrben zur
Folge haben müffen. Man muß nämlich wiffen,
daß der Tiger seinem Opfer sich mcht nahert, so
langc es sich nicht bewcgt; wie die Katze dte Maus,
beobachtet er unbewcglich laucrnd pcn Gcgenstand;
der geringsten Bewcgung aber folgt sein blitzschneller
Sprung.

Als der Tiger gähntc, «urden einige Hunde un-
ruhig, unb schon hoffte sie in Folgc davon auf bal-
dige Beftciung und Rcttung; allein auch diefe Hoff-

nung schlug fehl. Am Gegentheilsah der Ltger bald
darauf nach ihrer Richtung hin, sirirte sie einen
Augenbiick und machtc plötziich einen kurzen Sprung,
so daß er auf ihrem Lagcr uud mit der einen Pfote
theilwcis auf dem linken llnterarme des Fräuleins
stand, so daß sie dic Spuren der einen Kralle wohl
lcbenstänglich in demsclben bchalten wird. Zetzt
konnte Miß H— cinen schwachen Seufzcr nicht zu-
rückhaltcn, und «ürde der Schmcrz ihr sicher cin
Wchgeschrei entriffen haben; älleiü di« Retkung von
so gewiffem Verdefben nahi'e ihr jetzt tn Gestält
einer wohlthätigcn Öhnmacht. Sie fühlte nur noch,
daß der Tigcr mit seiner Nasc an ihrem Gesicht
hcrumstieß und auch ein paar Mal mit der Zungen-
spitze an ihrem Halft lcckte, allein ste war glück-
licherweise nicht mehr im Stande sich zu bewegen
oder auch nur zu zuckcn.

Zn diesem Augenblick kamen gerade die Brüder
mit dcm Herrn von R— und noch eincm Nachbar
von Ler Jagd zurück, unv kurz enischloffen ertegten
fie das Unthicr, welchcs bei ihrrm Änbltck den Kopf
erhobcn hattc und scine Feinde änstätrle, durch drei
gleichzcitig abgefeuerte «ohlgezieltc Schüffe. Zum
Tode getroffen (alle drei Kugeln trafen den Kopf,
 
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