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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Januar
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Wdtlbergrr Itilmig.

R:; 8. Donnerstag, ,<> Zanuar


L8«L.

s-ff Politische Umschau.

(Fortsetzung und Schluß.Z

Ja Frankreich selbst hat Napoleon III.
durch einl'ge auf den Character der Franzosen
klug bcrechnetc constitutionelle Scheinconces-
sionen die öffcntliche Meinung in höherem
Grade als bisher für ffch zu sti'mmen gesucht,
und befolgt nach wie vor, wenst auch ni'cht
offen als steus ex wscdios, so doch als In-
triguant Hinter den Couliffen bezüglich Jta-
liens seine Politik, die auf Verhinderung der
völligen einheitlichen Gestaltung oieses Landes
gcht. Nicht einmal die Annerion dcr mittel-
italienischen Herzoglhümer an Sardinicn hat
er bis jetzt unumwunden anerkannt, und stch
daber sclbst in diescr Beziehnng offene Hand
behalten. Franz II. von Neapel aber* wird
offen und geheim von ihm unterstützt, und
selbst für den Fall deffen rndlichcn Unterlie-
gcns ist die Vermuthung nahe, daß Frank-
reichs Kaiser diesen Bourbon als Prätendenten
auf den Thron Neapels fortwährend in Schutz
nehinen wird, um hierdurch ein weiteres Gc-
gengewicht gegen ein vergrößerteS Sarrinicn
und ein etwaiges Neultalien zu erlangen.
Seine Aeußerung am Neujahrstage, wcnn
man derselben überhaupt ein größereS Gewicht,
als das ciner bloßen Phrasc bcimeffcn will.
lautet so unbestimmt und vieldentig, als alle
andern bisherigcn officiellen und halbofffciellen
Crklärungcn. Ja ffe lautet geradezu sehr be-
denklich, wenn dic ursprüngliche angebliche
Faffung: „Er hoffe, daß das Einvcrnchmen
dcr Mächte den Frieden noch erhalten werde"
wirklich dic richtigc sein sollte. Läßt man
abcr das Wörtchen „noch" auch hinweg, so
erscheint selbst dann die Erhaltung dcs Fric-
denS an einc Bedingung geknüpft, die unter
Umständen für die Dauer factisch oder un-
möglich werden kann, und dercn schließliche
Erfüllung oder Nichterfüllung Icdiglich in Na-
poleons Hand selbst liegt. Jnzwischen dauert
die anscheincnde Freundschaft mit England bis
auf Weiteres noch fort, ohne daß derselben
jedoch ein innigeres Verhältniß, als das einer
bloßen Geschäftsfreundschaft beizumeffcn ist.
Die orientalische Fragc hat dieselbe geschaffen,
und dieselbc Frage wird sie dcreinst wieder
lösen, indcm hier die Jntereffen Frankreichs
und Englands immer mehr und mehr ans-
einandergehen werden, und die Politik der er-
steren Macht seit 1858 (dem Kampfe in Mon-
tenegro) glciche Zwccke wie die rnssische ver-
folgt. In England scheint man deffen auch
gewärtig zu sein, und verabsäumt nicht, sich

für den vorkommenden Fall des Bruchs mit
aücm Ernste und Nachdcnken zu rüsten. Fas-
sen wir die in den letzten Iahren befolgte
Staatsklugheit Englands näher ins Auge, so
möchte dicselbe, als wenig entschiedcn und
kraftvoll, nicht besonders zu loben sein (wie
dieses in etwas übertricbener Weise mitunter
von einer Partei in Deutschland geschieht,
welche dieselbe ledigli'ch von ihrem voreinge-
nommenen Standpunctc auffaßt), auch kann
diesclbe anderseitS, da England, wie jeder
Staat, vorerst seine eigenen Jntereffen im
Auge haben muß, auch nicht unbedingt ver-
urtheilt werden. Es sucht sich die commer-
ciellen und politischen Vortheile, dic ihm von
sei'nem derzeitigcn Alliirtcn in PariS zu Theil
wurden, thunlichst zu Nutzen zu rnachen, und
strebt offenbar darnach, jeden Bruch des Frie-
dens so lange als möglich zu vekmeiden, da
es als Industric- und Handelsstaat vom Kricge,
dcr auf diese Grundlagen seines WohlstandeS
und seiner svcialen Ordnung nur den nach-
theiligsten Einffuß äußern kann, AllcS zu fürch-
ten hat. Jn Bezug auf die hesperische Halb-
insel gcht Englands Politik auf cin einheit-
lichcs, selbstständiges Großitalien, und nicht
anf cin blos vergrößertcs Picmont oder einen
halbbonapartischen Vasallenstaat Kleinitalien.
ES kann nimmermehr duldtn, daß Frankrcich
dortselbst, oder am Mittelmeer überhaupt, am
ivcnigsten in der Lcvanie cinen blcibrnden Eia-
fluß gewinne, hat übrigcnS im Laufe des vo-
rigen Iahres vcrabsäumt, zu »erhindern, daß
diese Macht durch Gcwinnung von Savopen
und Nizza daS Thor von Jtalien in die Hand
bekam. Wird Britannien auch wohl mit vcr»
schränkten Armen zusehen, wenu es etwa in
diesem Jahre dem Kaiscr der Franzosen ein-
fällt, dcm von ihm noch so sehr abhängigen
Kleinitalicn Veneticn mit Gewalt der Waffen
einzuverleiben, und damit daS Thor von Istrien
und die Landbrücke nach dem europäischen
Ori'ente in seinc Gewalt zu bckommen?

Wir werdcn in einer der nächsten Nummern
mit Larlegung dcr jetzigen politischen Gesammt-
lage nnseres Welttheils und deffen einzclner
Läuder im Allgeincincn fortfahren, wobci wir
wegen Mangel an Zcit und Raum in deren
spccielle Verhältuiffe (außcr elwa bei unserm
engcrn Vaterlande) nicht eingehcn werden.

Deutschland.

§Heidelberg, 7. Ian. Die Anlage einer
guicn Fahrstraße von Schönau über Neckar-
stcinach an den Ncckar und nach Ncckargemünd

hat die Genchmigung vom großh. HandclS-
ministeriun, erhalten.

* Heidelberq, 9. Zan. Di'e zuerst in
der „D. A: Z." erschienene Nachricht von
einem Schreiben, wclches dcr Großherzog von
Badeu in der kurhesffschen Verfaffungsfrage
an den Kurfürsten von Heffen gerichtet haben
soll, theilt nun auch die „Karlsr. Ztg." mit.
Dcr durch die Schule der Erfahrung früh ge-
reifte, deutschgesinute Großherzog glaubt als
Bundesgcnoffe dcs Kurfürsten auf die Pffich-
ten hinweisen zu dürfen — so svll es in dem
Schreiben lauten — welche der hohe Ernst der ge-
wärtigen Lagc den deutschen Fürsten insbc-
sondcrc auferlegt. Der Großherzog spricht
zugleich die innige Ueberzeugung aus, daß
nur auf dem Grunde treuen FesthaltenS
an dcr ursprünglichen Verfaffung cine
Verständigung zwischen Fürst und Bolk erzielt
werden könne, und richtel an dcn Kurfürsten
die dringende Bitte, in diefem Sinne cinen
hochherzrgen Entschluß zu faffen, zu deffcn
Ausführung ihm dic geeigneten Mittcl und
Wcge nicht fehlcn vürfteii.

Äus der Diözese Freiburg. Am8. Jan.
fand abermals einc freie Conferenz von
katholischen Geistli'chen in Bühl statt, zu wel-
chcr dic Geistlichen von nah und fcrn einge-
laden waren. — Von dem erzbischöflichen Canz-
lcidircctor Dr. Maas in Freiburg sind bc-
reitS die zwei ersten Hefte einer Gcschichte
über die badische Convention und die Rechts-
vorgänge beim Vollzuge dcrselbcn (JnNS-
bruck) erschiencn. Sie euthaltcn die Vor»
gänge bis zur Promulgation dcr neuen badi-
schen Kirchengesctze.

Frankfurt, 7. Jan. Jn der heutigen
Bundcstagssitzung wurde zur Anzcige ge-
bracht, daß Baper» den Universitätsprofeffor
Dr. Zollp, Baden deu Baurath Becker, Groß-
herzogthum Heffen ven Gcheimen Rath Eck-
hard, Bremen und Hambnrg den Hcrrn Rcp-
sold zu den dahier abzuhaltenden Konferen-
zen über Einführung gleichen Maßes und
Gcwichkles abgeordnct haben. Sodann stellt
dic großh. hessische Regicrung eincn Antrag
anf Jntcrpretation des §. 1 des Bundesbe-
schluffcs vvm 13. Juli 1854, das Vereins-
wcsen bctr. Die großh. Rcgierung sei näm-
lich von dcr Anstcht ausgcgangcn, daß der
Verein, wclchcr sich in Koburg unter dem
Namen „Nationalverein" eonstituirt habe, un-
ter das Verbot dicses Lundesbeschluffes falle,
und daher deffen Thätigkcit im Großherzog-
thum entgegengctretcn; da aber in den mei-
stcn dcutschen Bundesstaatcn ein Gleiches

* Endr gul, ÄUrs gut.

Novellettc

aus dcm Lcbcn eincS berühmten Malees

Älar Ncmy.

1.

Es war ein schöner Sominerabend. Leise trat
der stille Wächtcr dcr Nacht durch den silbernen
Wvlkenschlcier. Jn glänzender Fülle warf er seinen
Schein in den herrlichcn Park, der sich von dcr
Villa des Grafcn wohl einc Viertclstunde lang er-
streckte und in üppigcn Baumparthien, wohlgepfleg-
ten Blumenbeeten, Fontainen, Bildwerken und
epheuumrankten Lauben einc mannigfache Abwcchs-
lung gewährte. Zn cincr dieser Lauben, in wclche
man am Endc dcs Parkes aus cinem überdachten-
Laubgange gelangte, saß, das Haupt auf seinc
Rechte lehnend , cin junger Mann im Alter von
ctwa zwei und zwanzig Jahren. Er war von großer,
schlanker Statur, und scin Gesicht markirten aus-
drucksvolle Zügc. Mund und Ktnn umspielte cin
junger Bart, und aus tiefen Höhlen sprühte» zwei

feurige Augcn. Biswetlen, wenn der Hauch deS
AbendwindeS durch das Laub rauschte, horchte cr
auf und hielt den Athem an, dann «ieder sah er
sich angstlich um, wie wenn cr fürchte, von Zemand
bemerkt zu «crdcn. Als er aber nichts AuffälligeS
wahrnahm, sank cr in das frühere Sinnen zurück.

Da raschelte ctwaS in der Nähe. Dcr Jüngling
lauschte, sprang dann schncll auf und umfing tn
wenig Augenblicken cine Mädchengcstalt, welchcmit
lciscn und behenden Schritten durch dcn Laubgang
auf ihn zngceilt war.

„Elise", ricf cr dann mit «armer Stimme, „o,
nun.schwinden rllc die trübcn Gedankcn, die noch
eben wie Meereswellen in meinem Kopfe auf und
niedcrschwanktcn, nun ich wtcder aus dcinen Blickcn
Trost und Hoffnung schlürfcn kann."

Mit diescn Worten drückte er sie sanft auf dic
Bank nicder, «o sie eine Wcile in stummer Umar-
mung saßen, indeff' der Mond n'cugierig zwischcn
die Laubwände hineinguckte.

Elise war eine dcrjcnigen seltcncn Erscheinungen,
bei dercn Anblick das Auge sich cntweder übcrrascht
zu Boden senkt oder andachtsvoll wie auf eincm
Hciligenbilde haftet. Sie lebtc ganz in den Ban-

den dcs Gefühls, welches sich bei ihr schnell zur
Schwärmerei steigern konnte. Dics goß cinen eigen-
thümlich reizvollen Zug über ihr Geflcht aus, wclchcr
sich am meisten in ihren ernsten, dunklen Augen
auSsprach. Selten kam unbefangcne Heiterkeit über
fie, wic sie dem zartcn Altcr von achtzehn Lenzen
cigen zu sein Pflegt; sic bewahrte selbft in der fröh-
lichsten llmgebung cinen bisweilen fast ängstlichen
Ernst. *

Nach langcm Stillschweigen begann sie das Ge-
spräch mit den Worten: „Gerhard! es ist wohl wahr,
was Walther von der Vogelweide gesungen hat:
„Swem nie von liebe leid geschach,

Dem geschach von licb auch liebe nte."
Wolken ziehen sich zusammen über dem Himmel
unserer Hoffnung, und der Sturm wird fie im
Keime tödtcn!"

„Was um Gottcswiilen", fiel ihr Gerhard in'S
Wort, „bekümmert dtch wicder?"

. ^„Du kcnnst meinen Vater nicht, er ist wider un-
serc Verbindung."

Glühcndes Roth trat dem Züngling in die Wan-
gcn, und er rief so laut, daß Elise ihn mehrere
Male bitten inußte, fich zu zügeln;
 
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