Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
April
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0339

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mcheint, Montags ausgenommen, täglich.
^U-»» N Preis vierteljädrlich 5L kr.

Frettag, 12. April

IasertionSgebührea für die 3spaltige Petit-

zeile werden mit 2 kr., bezw. 3 kr. berechM. WM M.O

PP Polens Uptergang «nd Wieder-
erwachen.

II.

Abrr alS vov jenem Throne
Tief gebüüt wü uns gesträubt,
Stets belauert durch Spione,

Durch der Ketten Klang betäubt,

Da verzagten wir, eS schmeckte
Bitter jedec Äifsen Brod,

Mitten selbst tm Frieden weckte
Stets dte Furcht uns oor dem Tod.

Pl aten.

Nachocm wir in emcm srüheren Artikel die
geschichelichen Krscheinungen, welche oer jetzi-
geu tranrigen Lage Polens hsuptsächlich zu
Grunv liegcn, in ätürze erörtert haben, wol-
len wlr nun aus oic skaats- unv völkerrecht-
liche Bedeutnng der poluischen Arage der Ge-
genwart selbst übergeyen. Bej vem ersten er-
neuertei, Ausfiackern ver polnischen Natlonali-
tät in der Hauptstadt von Nnsstsch-Polen nach
emer sast vretstigiahrigen Lethargle, schien,
wie natürlich, dcu Äeistcn dic m Flnß gcra-
thendc Beweguug gegen Nußland selbst gerich-
let. Mau betrachieie das Wledcrerwachen dcr
alten, sast für verjährt erachleten Wünsche und
Hoffuungen Polens gegenübcr dieser letzieren
vespoiischen Machl als den Acl einer wahren
NemcstS. Man erdllckte hierin mit elner ge-
ivlffcn schadenireude das Emlegen elnes Veto
wiver RußlandS wohldekannte Plane auf den
Orlcnt, wiver dle Plane veffelbeu Rußlands,
welches fich mi! dem arglistigen Buonapartis-
mus liebäugelnv verimßt, vei, christlichen Stäui-
men ver Turkel Freiheii zu brmgcn, wähieuv-
dcm eS bisher selvst jcve srelstnnige, nailonale
Regung lin eigencn Lanvc uniervrückt hat.

Wahrenv ver Tuillerienkaiser seiiien Bllck
aus vic Rhiliigräuze unv Zlalicn uuv ver Zar
vie jemigen auj vie altersjchwache Lürkei ge-
richtei hat unv belde nahe daran sind, sich
zur Unlerstützung ihrer gcgensclllgen Tendcn-
zen die Hanv zu rcichen, trilt vaS Gespenst
veS ruhig üi ver Grujt vcrmeinten Polens
dazwlichcu, u»d drvht eine ticje klaffende Kluj't
zwischen dcm Autokraien des OstenS unv dem
ves Westcus aujzureißen.

So sehcn Viele wohl momentan dlc Sach-
lage ln Polcn an, unb die wlder Erwarten
ichonuugsvoUe mid nachgieblge Behandlung der
Pole» vou Seiten RußlandS wurve eben alS
Unsicherheit unv Schwäche ausgelcgt. Allem
man läuichte sich hierin: Die wahre Lage vcr
Dinge hat sich inzwischen zur Gcnüge ansge-
kläri. Siatt ves erwarteten Belagcruiigszu-
stanves unv maffenhafter Deporlationcn nach

Sl'birien hat der russische Kalser den unter
seinem Scepter lebenden Polen verschredene
wl'chtlge Reformcn m der i'nnern Verwaltung
bcwl'lligt und sogar eüic Art von provinzlel-
ler Sclbstständl'gkklt in Aussicht gestellt. Elne
Partei unter den Polcn, die aristocratische oder
Adclspartel' glbt sich zwar vorerst hümil zu-
frlevcn unv bleict bem s» lange unv so bitter
gehaßten Rußland die Hand zum geineinsamea
Vorgehen. Zugleich verkünden die in dem
Ahgeordnetenhause zu Berlin gestellten Änträge
> Nlegolewski's und der polnlschen Fracti'vn
die hiezu offenbar ln ParlS geholte Parole,
verschievene dort erschienene Flugschristen und
anbere Vorgänge mehr nur zu deutlich di'e
weitere und eigentliche Tragweüe dcr wieder
aiistauchcnden polnischen Frage, mit welcher
män dle europäischen Verlcgenheiten von dcr
Wktchsel, wle von ver Sclne aus vermehren
Mlsl. Wle es in Bezug auf Poscn bereüs
geschehen, werden hinstchili'ch Gali'zlens ähn-
liche Schri'tte von Sklte« der dortigcn Abge-
ordneten polnischer Nationalität auf dem Lanv-
tage zu Lemberg, wie im Rcichsrathe zu Wien
unausblkt'bltch nachfolgcn. Während Rutzlanb
mit Rücksicht auf dr'e coloffale Umgestaltung
seiner innern Verhültniffe in Folge dcr Aus-
hebung der Lelbelgenschaft, aus Rücksicht auf
Frankreich unb in Folge des milden Si'nueS
seines jetzigen, einem starrcn Despotismus we-
niger zugeueigtcn Kaiiers, halb freiwillig, halb
gezwungen dcn naiioiialcn Hoffnungen uiid
Wünschen der lange mlßhaub'elien Polen nach-
gibi, wird bic eigeniliche Spi'tze dcr ncn aüf-
geworfenen polnischcn Frage gegen Preiißen,
wle gcgen Oesterreich gcrichlet. Än eine Wie-
derannäherung Rußlands an Oesterreich auf
Grund vl'kser Frage, an dl'e Erncucrung cincr
Art, schon im October v. Z. zu Warschau gc-
scheiterten, heillgen AÜianz ist unter diescn
Umständeii nicht zu dcnkcn, ebensowenig an
cüie Lockerung des jetzigen Verhältniffes Ruß-
lands zu Frankrelch, so langc die polnische
Frage nicht größcre und gesährliche Dimcn-
stonen gcgen erstcre Macht annlinmt; wohl
ader stehen neue, großc Verlegcnheiten in Aus-
sicht, dle hieburch Oesterrelch wie Preußen be-
reitet werden. Dlese belben lctzteren Mächtc
erhlelten von der polnischen Beute vor Zeiten
nur zusammen etwa '/g, den Löwenantheil zu '/§
»ahm Rußland. Zudem ist namcnlllch Posen
theilwel'se germalüstrt und aüf d'em Wege einer
sri'edllchen Eroberungder Polen krproprilrt wor-
den. Volk wic Rcgierung m Preußen haben ein-
stimung kundgethan, dem Anstnnen der Polen in
Bezug auf Posen »lcht nachzugeben. Ebensv-

wenig kann dl'cses Oesterrei'ch, durch die Son»
derbcstrebungcn der Ungarn geiiugsam in An-
spruch genommen, für Galizien thun. Es
wird »un allem Anjchein nach von russtscher
wie vou französiichcr Seüe nichts, unversucht
bieiben, dea Polen Ocsterreich und Preußen,
mit andern Worten, dle Dkutschen als lhre
ei'genlltchen Felnde rarzustisicn. Uud rlese
schnöde Aussaat wird, deffcn darf man vcr-
stchcrt sein, um sv eher ihre Früchte trqgen,
als der Pole den Deulschen, der ihm ln gei-
stlger unb socialer Bezichung überlegcn ist,
ohnehin mehr haßt, als den ßammverwLndlen
Ruffen, der ihn nur pvliiisch uuterdrückt hat;
für dli se Ansicht sprach schon srühcr die Jdee
des Panslavismus, die auch m Hoicn viele
Anhänger gesunden halte. Sv gut dksi Polen,
wie jidem andercn Volke eiu Rccht uui Na-
lionall'tät, was ste vurch die wiverxechlüche
Theilung lhres Rciches nlcht vcrloren habe»,
zugcstanvcn wcrden muß, so wensg karf uns
die Wleverauferstehung kerielbüi vom düiiichcn
Gesichtspuncte aus gerade in rosenroihem
Schimmer erscheincn. Die poliüschen Perhälr-
niffe Enropa's und Deutschlands stnd nlcht
mehr dle von 1830 und 1831, wo dcr Uu-
abhänglgkeitskamps der Poleir die Hoffnungea
aller Freigesiniiien neu belebte, unb kle he-
roischen opserwiUigcn Nachkommen der Sar-
maten als Vorkämpfer dcr europäischen Frei-
heit angcstaunt unv gepricscn wuiden.

Eine beffere Eoniolidüung der luvcrn Zn-
stänbe Deutschlanys würdc deffcn Derhgltniß
zu ocn Polen woyl thrilweise alkeriren, jevoch
nlcht öollständig. Dcn ÄujxrüchsN der Lcßtern
auf den germanlstrten Thell von Poscn, vder
gar dem Verlangen elnes selbiiilaiidlg gewor-
dcncn Polenreiches nach dem Meere, nach oer
Küstc der Ostsec uiußic Deutschland m jcd-
weder Verfassung eittgegenlreten. Sovlel
voi» deulschen Standpunct aiis. Ueber Vas
gegcnwärtige und künslige Verhaitniß PölkiiS
zu Rußlunv behalien wir uns in eüirm wei-
icren Ariikel ergänzende Nachtrage vor. Des-
glelchen werden wir dann äusdie ügesttlichen
Grundübel der poinischcn Zuständc, namiich
bie socialen Verhältniffd der Polen naher zu
sprechen kommenZZ

*) Dic neuesten Vorfälle tn Warschau ändern die Sach-
lage nuc scheinbar. Wir erlauden uns ht^rbei auf den

nächsteu Artikel (Ui.) zu verweiseu, welcher ebenfalls schon
»8 Tagen im Manüscrchte beiett'lkegt. '

seit etwa ^

Ein Abentruer unter Settlcrn.

Mitgctheilt v°n Ed. Franke.

(Fortsetzung).

„Äicht rch , Jhr hqbt Euch selbst cingeladcn."
„Freitich, freilich. — Uns steht Jedcr lieber gehen,
darmn laden wir uns auch immer selbst ein und
nehmcn unser Theil mit nach Hause. — Dic ein-
Mtige Weit ncnnt daS ftehlen: — als ob wir we-
mger lcben «olltcn, wie fic? Da nun kein Ding
ohnc Rutzcn ist, so liegt dieser auch in unsern Be-
suchen; ste mahnen die Mcnschen zur Vorsicht, und
Vorsicht ist" —

„Laßt das Philosophircn und —"

„Jeder Handel «ill eine Dreingabc", fiel er ein.

— „Zhr gebt als solchc dcn Wein — ich die Phi-
lvsophi« — Dinge, die nichts kosten, beachtet man
freitich in der Regel nicht; indeß für heüte wäre
Euch Vorfi cht fehr rathsam. Trstgt mich nicht allxS

— scid Zhr in das Wädchcn verliebt —dicht neben
dieser Liebe aber gähnt ein offenes Grab. — Vor-
ftchtig, damit Lhr nicht chjneinfallt."

Es durchrieselte mich eiskalt bei diesen Worten.
Der Mensch mußte es mir ansehen.

„Nun, noch braucht Jhr nicht zu zittern", suhr
er fort. — „Wollt Zhr nur schen und schweigen,
so stchc ich str Euer Lebcn ein. — Jch bin Euer
Gängelband. — Vcrsucht ihr cs zu früh, dcmsclben
zu entlaufcn — ist eS Eure Schuld, wenn Jhr fallt."
— Er stürzte ein Glas Wein hinunter. — „Schmeckt
immer nach mehr. — Wir häben aber hcute nicht
viel Zeit — ich kommc ein andermal wieder — oder>
sagt mir, wo er liegt, so erspare tch Ench.die Mühe
des Holcns, belästige Euch burch mcine Gegcnwart
ntcht, hole mir thn selbst und trinke thn wo anders,"
„Kommt zur Hauptsache!"

„Zch bin dabri. Leigt mir nur dcn Weg und"
„Beantwortet mcinc Frage wegen Konrad", rief
ich erregtcr.

„Ohne Leidenschast. — Sic ist immer gefährlich.
Jn der Licbe, beim Wcin, im Ppiel. — Sic be-
rauscht und der Berauschte ficht dic offene Kalle
nicht. — Nüchtern — bcide Augen auf und dop-
pelte Schkraft — daS sei Euer Wahlspruch. — Kon-
rad ist, was Kali's Vater Ivar, — dpch gewqndter,
schlauer, nützlicher. — Er nimmt anckeinem llnter-
nehmcn thätlich Anthcil. Er ordnet — leitet —
ufld hat sich durch seinc Gewandtheit solches An-

schen erworben, daß nichts ohne scinen Rath nnter-
nommen wird. Zn hundert.Äestalten beg'egnst Zhr
ihm, ohne ihn wicder zu erkenncn. — Er ijt überall

— kcnnt jede Gefahr voraus — und warut stcts
zur rechten Zeit. — Alle Genoffen wistcn ihn zu
jeder Zeit zn finden uno lrqgen ihm Bötschast zu.

— Vor eincm Viertcljahre etwa führtc Konrad
Sali zum Erstenmal in's Theatcr. — Sie «ar
entzückt. — Um sie'zu erhrstern, gestqttetö er ihr
nun, dasselbe dairn und wann zü besiichcn. Zhr
kamt hier an. — Sali sah Eüch anf der Bühne,
schwärmte für Euch und scnkte dcu Stachcl der Eifer-
sncht in Könrad's Brüff. — Bis hierher war in-
dcffen noch alles auf dcm alPn 'Ständpunkt. —

stonrad lag damals alö latmcr Bettler in jeneist
Durchhause. Hier tn rer Nqhe — Zhr sabt ihn
dort täglich. Durch scharfes Beobrchten brachtet
Zhr den vhnchin Errcgitn noch inxhr gegen Euch
auf —"

„Der also!" — rief ich erstaun't.

„Zu jcner Zest", Wr cr sort - „fing quch.Sali,
weiß Gott durch welchen Zusall 'oder V.crdrcht,
an, Konrad in verschtedcnen Verklcibüiigen nach
zuschleichen. — Sie mußte durch den weiblichcn '
 
Annotationen