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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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N 1S1


Sonntag, So. Zunt


L8«L,

Mit -em 1. Iuli beginnt anf -ie
„ Heidelberger Zeitnng" ein neues
Abonnement; wir ersuchen unsere
Leser, ihre Bestellnngen srühzeitig
zu machen.

Die nordamerikanische Crifis.

(Deren Rückwirkuiig auf Europa.)

lll.

Was die europäischen Staaien betrifft,
welche. mit der Union bis jetzt iin Verkehre
standen, insbesondere die Westmächtc England
unb Frankreich, so haben dicse sich zwar fiir
neutral erklärt, doch wird es bei einer Ver-
längerung der gegenwärligen Crise kaum aus-
bleibcn, daß dieselben nach und nach in eine
gewiffe Mitleidcnschast der Verhältniffe bcr
Union gezogen werden, und zwar sowohl in
politijcher, wic in couimerzieller Beziehung.
Dicse beiden Richtungen gehen jcdoch in ihren
Wirkuiigen auf eincn und dcnselben Staat
nichr Hand in Hand, disharmoniren vielmehr
sehr bedeulend unter sich.

Vor AUem scheint die Politik Frankreichs
aus eine Annähcrung an die Südstaaten der
jetzt gespaltenen Union angewiesen zu sein.
Frankreich, welches eine Einbuße an Flächen-
inhalt oder an polilischem Einfluffe von allen
Staafen Europa's am wenigsten verschmerzt,
hat es wohl auch nicht ganz vergeffen, daß
eS einst einc Zeit gab, in welcher seinc Es-
lonialbesitzungen in Amerika fast bedeutender,
als die Englands waren, daß diese letztere
Macht die Franzosen aus Canada und Neu-
soundland vcrdrängt und mittclbar auch den
Anlaß zum Verluste von Louisiana und St.
Domingo gegeben hat. Ein nach und nach
mit den Südstaaten anzubahnendes cngeres
Verhältniß würbe nun gewiffermaßen eine
Wikderherstellung des sranzösischen Einfluffes
in Amerika bewirken. Die Südstaaten stehen
auch in der That (wie wir frnher in ll. die-
ser Abhanblung angedeutet haben) durch Ab-
stammung und Anschauungsweisc dem franzö-
sischcn Elemente näher, als dem englisch-ger-
manischen in ben Nordstaaten der Union. An
demselben Gradc, als nun Frankreich seine
Absichlen hinsichllich der Sclavenstaaten weiter
versolgk, werden — so könnte man annehmen —
die sclavenfrcien Nordstaaten mit jener Macht
immer mehr verfeindet unb sich vielleicht ihrer-
seits einem Bündniffe mit England nähern.
Einzelne Ereigniffe wurden von Manchen so-
gar schon als Vorboten dieser-beiderseitigen
divergirenden Richtungen gedeuket, uud zwar

von englischer Seite d«e Reise des Prinzcn von
Wales in den Nordstaaten, von französischer
Seite ^ie auffallende Parteinahme dcs Kaifers
Napolevn für ein von den Portugi'esen auf-
gegriffencs Sclavenschiff, gcgeiinber den eng-
lischen, auf Untcrdrückung des Sclavenhandels
gerichteten Bemühungcn. Doch wärc eine
solche Annahme, wic dieselbe schon vsn vielen
Organen der Preffe unterstellt wurde, wenig-
stcns mit Bezug anf die Polilik Englands,
etwas verfrüht unb voreilig. So sehr näm-
lich auch vom erclusiv politischen Standpunctc
aus cin Bündniß zwischcn Frankreich und dem
sclavenhaltenden Süden ebenso naturgemäß
wäre, wic eine Allianz zwischen England uiw
dem sclavenfreien Norden, so ist diese An-
schäuung dcr Dinge doch nur cine rein iheo-
retische, und es stellt sich von volkswirthschaft-
licher und commerzieUcr Seite der praktische
Sachverhalt in einem großen Contraste, ja
gleichsam rn einer völligen Kehrseite dar.

Es ist nämlich eine bekannte Thatsache, daß
die cnglische Zndustrie und der englische Welt-
haiidel (mithin der eigentliche Lebensnerv des
englischen Staatskörpers) größtentheils von
dcr überaus ergicbigen Baumwollen-Probuc-
lion der Sclavcnstaaten abhängen, umsomehr,
da die Versuche, die Bauinwollenpflanze auch
in anderen Zonen und Gcgenden zu ziehen
und ergiebig auszusieuten, mit einer theilwei-
sen Ausnahme etwa in Ostindien, noch kein
ausrcichendes Ergebniß geliefert haben. Eng-
land hat aiso in dieser Hinsichk die gewich-
tigsten Gründe, mit dcn Prodncenten der Süd-
staateu nicht zu breche», odwohl diese sogen.
Demvcratcn noch vor nicht allznlanger Zeit
durch ihre rücksichtslose Begierde uach Länder-
crwerb vielfache Mißstimmung errcgt und selbst
Collisioncn mit dem britischcn Dreizack hcr-
vorgerufen haben. Zene Gründe wcrben noch
vermehrt dnrch die Rücksicht, daß bie Handel
treibenden Nordstaaten mit England auf dem
Weltmarkte eine sehr bedeutende Cvncurrenz
schon seit geraumer Zeit eröffnet haben.

Zn der That haben sich in neuester Zeii
auch nionchc Auzeichen ergeben, daß die Spm-
pathieen Englands dem Süden fact'sch zugc-
wandt sind und es wird dieser Macht das
Letztere, irotz der bestehenben Neutralität, von
ben Nordstaaten lebhaft zum Vorwurf gemacht.
Schon dic Erklärung einer Neutralität können
die Nordstaatcn nicht verschmerzcn, da sich die-
selben als eigentliche Rkpräsentaiitcn der Union
und bie Bewohner ber Sübstaatcn blos als
Rcbeüen betrachien, welche, nach ihrer Ansichl,
auch vom Auslande nicht als eine cbenbürtigc

kämpfende Macht anznsehen sind. — Wollte
England seine Spmpalhicen mit dem Süden
anf die Spitze treiben, so müßte es die rcg-
fame, industrielle und merkantssische Thätigkeit
des mit ihm cvncurrirendkn Nordens vernich-
ten und aus dem Lüden cincn ausschließljchen
Rohstahlproducenlen für die engkische Zndu.
strie, sowie einen ausschließlichen Coiifumenken
für die englischen Fabri'kaie machen. Dic con-
sequenie Durchführung einer svlchen Politik
würde aber zugleich eine Zntervcnkion znm
Schuße der Sclapcrei in sich schließen, ünd
wäre für die britischen Staqismäuner, sv schr
dieselben ihren ausgesprochenen Prinzipicn aus
cgöistischen Motiven sonst ab- und zuzugeben
wissen, dcnn doch gcrabezu eine moralijche Un-
möglichkeit.

Äus diescn doppelseitigcn Schwierigkeiten,
aus diesem inncren Zwiespakte, in welchcn
die Politik Großbritannrens in der nvrdame-
rikaüischen Frage mit stch selbst geräth, crklgrt
es sich auch, daß diese Macht hierin im Gan-
zen mit grvßer Vorsicht aufkritt «nd der Uuisn,
so lange die Lage dcr Dinge nvch nicht zum
Aeußersteu gediehen war, sortwährend Friche
und Versöhnung predigte.

Welche weitere Politik nunmehr England,
welche Frankreich dnrchführen, ob beide Mächte
sich bleibcnd pcm Süden znwenden und sich
dort den Rang abzulaufen trachten wcrden,
oder welche anderc Eventualität maßgebend
scin wird — AlleS dieses hängt natürlich auch
hauptsächlich von dem Verläuse her bevor-
stehcndcn kriegerischen und sokstkgen Ercigniffe
ab. Zn etwaige sernere Conjnncturcn können
wir uns hier der Kürze des Raumcs halber
nicht einlaffen. Jm Allgemeincn aber wollen
wir nur wikverhvle», daß es bei einer Ver-
längcrung der jctzigen Crise in Amerika nicht
ausbleiben dürsie, daß dieser Weltiheil nnd
Enropa, inSbesondere deffen Westmächte ge-
genseitig iu weiter entstehenhe Verwickluiigen
allmähllg mit hinübergezogen werden. Deuisch-
laud kommt, wie lciber i« allen solchc» Aäl-
len, nicht als Ganzcs, sondern nur vermöge
einzelner Zndividuen iy Betracht. — Außer-
dem hat sich aber — was wir schließlich kurz
ansühren — bereils Spanien die Verlegen-
hei'ten seines frühercn Rivatcn i» Bezug auf
Cuba zu Nutzen gemacht und die Anueriou
eines Theils von St. Lomiiigo glücklich vsü-
bracht, selbst aus weiteren Äbsichtcn aus das
ihnen früher verloren gegangene Meriro kein
Hehl gemacht.

Ohne den in den nordamerikanischen Frei-
staaten jetzt herrschenden ZwiesPalt wäre die-

Durch Nacht zum Licht.

LebenSbild oou Joseph Rank.

(Fortsetzung).

Dcr Eine, ein brünetter Krauskopf, Abkömmling
eines Gcrbermeisters, war Gaffenjunge von Fach
und in dieskin Fache oon ausgezeichneterQualität.
Scin Flciß und scinc ErfindungSgabe, um dcn
nächsten Nachbar nicht zur Ruhc ünd zur Aus-
übung stiner Pflichten kommen zu laffen, verdien-
tcn alle Amrkcnnung.

Dcr zweite Zimmergcnoffc war ein rölhlichblondcs
Borstcnhaupt, Sohn und Stocz eines bürgerlichen
„Gclbgießers", der nur dcShalb von scinem Vater
in Kost und Wohnung gegeben wurdc, damit fich
seine „naiürliche Schüchternhcit" an frcmden Um-
gang gewöhncn lcrne; abcr hinter der scheinbaren
Stillc und Furchtsamkeit des Jungcn laucrtc eine
scltene Tückc, und Nichts glich der Fähigkeit, dcm
Zimmergcnoffen Hefie und Bücher zn entwenden
und fie um so glkichgültiger verstecki zn halien, je
schmerzlicher das Verlorene vermißt nnd bejammert
«urde.

Zwar blieb es noch ein Glück, daß dic beiden
Wegclagerer fich zumcist im Kampfc gegeneinandcr
gestelen und Eduard nur seltcn in Miileidenschast
zogen, allcin es war für den an Ordnung, Ruhc
und gute Sitte gewöhnten Knaben schon schlünm
genug, in scinem Arbciien und Sinnen ofi Stun-
dcn lang peinlich gestört zu werden.

Eine günstigc Folge haiie dieses nene Lebens-
verhäliniß infostrne, als Ednard dadurch veran-
laßi «urbe, seine erste Zugendfreundschaft zu schließen,
die in mancherlei Bcziehung nützlich wurdc.

Unter stincn Miischülern befand sich unicr An-
dern dcr Sohn eines wohlhabcndcn Kunsthändlcrs,
der bei großcm Fleiße doch nicht Talcni gcnug haiie,
um ohne Nachhülfe zu Haust den Anfordcrungcn
zu enisprcchen. Hiob, so hicß dicser Knabe, faßtc
bald für Eduard eine warme Vorlicbe und bat ihn
oft dringend, mii ihm in sein Elternhaus zu'kvm-
men und gewiffc Arbciien gcmeinsam zu machen,

- in freieu Siundcn abcr mii ihm zu spiclen. So
lange Eduard stinc ftiedliche Zell« ungcstört be-
wohntc und dem stillcn Wch stiner Erinnerungcn
nachhängen konntc, widcrstand er diesen Auffor-
derungen und trat nie über dir Schwclle «on Hivb's ^

Wohnung; jctzt erst, wo ihm die zwei Zimmcrge-
noffcn dcn Auftnthalt zu Haust oft genug nner-
trägiich-machien, ging er eines schulstcstn Tages
zu Hiob's Eltern, wo er denn wegen stines gewin-
nenden Aussehcns und der Lobsprüche, die ihm
Hiob ertheili haite, steundlich aufgcnommen wurde.
Er mußte auch bci Tische biciben und wurdc er-
suchi, sich ja doch öfter sehen zu laffen; Gduard
folgie dcr Einladung, und als man ihn nach meh-
reren Bcsuchen näher gcprüfi, stinc Schicksale er-
fahren hatte und fand, daß cr ariig stanzöfisch und
englisch sprach, Clavicr für stin Aiter zum Ber-
wundern gut spicltc, so bot ma» ihm ein« monat-
liche Gabe a» Geld, wcnn er täglich einigc Stun-
den mit Hiob Umgang pstegcn und ihm in Schul-
arbciten, Sprachen und Mustk tüit Rath und That
bcistehcn «olle. Eduard nahm diesen Antrag mit
tiefem Erröthen an und kam nun täglich in Hiob'S
Eliernhaus, «o cr immer beffer behandelt und HSHer
geschätzt wurde. Nicht nur eine monatliche Gäbe
an Gcld erhiclt cr jetzt von Hivb's Eltern, svn-
dern wurde auch täglich mit zu Tisch gczoge», cr-
hielt von Zeit zu Zeit WLschc und Kleider, nnd
durfte in und außer Hiob's Elternhause an man-
 
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