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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Juni
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Sonntckg, S. Zuni


L8«L.

D e u t s ch l a n

6°Vow Neckar, 7. Jum. Der auf te-
legraphischem Wege berichlctr Tvb Cavour's
kanu unter Umstänven ein verhüngnißvolles,
folgenschwcres Ereigniß werden. Man mag
übcr den persönlichen Character dieses vcr-
storbenen ersten Ministers Jtaliens, welcher
in der Auswahl der Mittel, um zu seinem
Zwecke zu gelangen, eben nicht sehr wählerisch
war, sonst venkcn, wie man will, so ist doch
für alle Fälle so vicl gewiß, daß cr mit sei-
nem wahrhaft staatsmännisch begabten Geiste,
im Bercin mit seincn sonstigen hohen diplo-
matischen Fähigkeite», wohl der einzige Mann
in Jkalien war, dem es möglich gewesen,,cine
Art von Compromiß zwischen den verschiedc-
nen politischen Partcien zu treffen und das
Steuerruder des neu erstandenen italienischen
Gesammtstaates, unbehindert durch die vielen
von innen und außen drohenden Stürme, mtt
Ruhe und Zuvcrsicht, mit sicherem Blick und
fcstcr Hand glücklich dcr rettenden Bucht der
allen Parteien seines Vatcrlanbes gemeiiisamen
Nationalität zuzuführen. — Es wird sich bald
zeigcn, ob das ncuaufgeführte Gebäude des
italienischen Gcsammtstaates auf so festem
Grunde beruht, um diesen Stürmen zu trotzen,
oder ob cs, wie defsen Gegner vcrmeincn,
gleich einem Kartenhause zusammenfällt.

Wic werdcn sich die Verhältniffe der auch
in polikischer Beziehung immer noch vulkanisch
unterwühlken hesperischen Halbinsel jetzt ge-
stalten? Wird nicht jede Partei senes für
jeden Patrioten Jtaliens schmcrzhaste Ereig-
niß in ihrem Sonderinteresse auszubeuteu su-
chen? Wird — völltg abgcsehen von der noch
nicht ganz darnicderllegeiiden reactionären Fac-
kivn, besonders in Süditalien — nicht die er-
centrische politische Partei Mazzini'S jetzt von
Neuem ihr Haupt erhcben und wohl im Ver-
ein mit der Kriegspartei Garibaldi's ihre re-
volutionürcn Planc nach inncn und auße»
mit aller Macht durchzuführcn suchen? Wird
an Cavours Statt sich sofort der geistig be-
deutende, energievolle Mann finden, dcm es
möglich ist, dcm neuerwachenden Partcihader,
den drohenden Wirren und zur Unzeit sich
geltend machenden kriegcrischen Gelüste», gleich
den aus den Schläuchcn dcs Aeolus entfeffel-
ten Stürmen, ein ernstes, nachdruckvolles Halt
zuzurufen? Wir wünschen, daß wir hier ct-
E was zu schwarz sehcn, und daß jcnes Ercig-
niß ohne solche nachhaltige Folgcn am gervit-
terschwangern Himmel Ztaliens vorübergehen
uiöchtc. Vicl, sehr viel wird aücrbings auch

auf die Haltmig des französischcn Kaisers an-.
komisien und auf den Umstand, ob dieser zur
Zcit noch den Frieden will odcr nicht. Denn
wird es die Kriegspartei in Jtalien ohne dcn
mächtigen Rückhalt Frankreichs wageü, widcr
das ncugesammelte Ocsterreich loszuschlagen?
Sei dem wie iuinier, die in der letztcn Zeit
halbvergeffene italienische Frage beginnt in ein
neues Sladium und wieder in den Vorder-
gkund der Ercignisse einzutretcn. Die näch-
sten Tage schon werdea uns über die weitere
Entwicklung des Drama's aufklären.

Heidelberg, 6. Zuni. Die neueste Rum-
mer der „Wochcnschrift des Nativnalvcreins"
geht dem „Württ. Staatsanz." scharf zu Leibe,'
weil dieser die der miktelstaatlichen Politik
untcrstellten Rheinbunds - Gedanken für eine
Erfindung des Nationalvereins crklärt hatte.
Wir entnehmen ber „Wochenschrift" einstwei-
len Folgendes, bas in der Bestimmtyeit, mit
ber eö auftritt jevcnfalls Beachtung verdient.
Die „Wochenschrift" schreibt also: Jn einem
der letzten Stückc unserer „Wochenschrift".
(Nr. 55 Scite 450) ist eine nüchtern und
dündig ausgcführtc Rheinbunds-Theorie zu
lcsen, wclche sich indeffen für eine bloße Ver-
muthung ausgibt, und Niemanden beschuldigt.
Heuie wollen wir dem „Württ. Staatsanz."
im Vertrauen sagen, baß jene Rheinbcknds-
Theorie kcineSwegS eine Scifenbiase ber „Con-
jecturalpolitik", sondern das Wcrk eines Man-
nes ift, der sich in der Lage befindet, solche
Theorien uiehr oder weniger zur That wer-
ben zu laffcn. Wir wollen ben „Württem.
Staatsanz" sogar wiffen kaffen, daß ber Ur-
hkbcr der fraalichen RheinbunbS-Theorie über-
bies srank und frei erklärt hat: lieber dcr
„Bundesgenosse" Frankreichs, als der „Va-
sall" Prcußens. Wiü der „Württ. Staats-
anzeiger" vieltcicht anch den Rämen des Man-
ncs gesagt haben, welcher das Alles gcsagt
hat? Und den Namen bcr hochherzigen Krau,
welche in Bezug auf jcne Äeußerungen und
Gesinnungen mtt dem Ausdrucke evlen Un-
willens und tiefer Bcschämung rrklärte: lie-
ber lebenslang Kartoffeln effen, als solche
Schande über sich ergehcn laffen? Und will
ber „Württ. Staatsanz." endlcch den Namen
cineS Gewährsmannes wissen, der als Oh-
renzeugc von diesen Dingen reden kann? Der
„Würlk. Staatsanz." möge sich die Sache
drei Mal überlegen, unb die bestimmtestcn
Znstructionen einholen, ehe er auf seine und
Anberer Gefahr hin antworte.

Müllheim, 2. Zuni. (Frbgr. Ztg.) Zn
ber hcutigen Sixung ber Mitglieder und Freunde

des Nationalvcreins, die von Bürgermkistcr
Heidenreich cröffnet wurde, sprach zuerst Dr.
Labenburg aus Mannhcim über Zweck und
Ziel des Vekcins. Nach ihm setzte Dr. Pick-
ford aus Heidelberg in krästigen Worten daS
Verhältniß des Vereins zu Preußen und Oc-
stcrreich auseinander. Metz auö Darmstadt
sprach über die jammervolle Läge, in der sich
Dcutschland in Folge der Bundesktiegsverfas-
sung befinve. So lange diefe andaure, sei
kein Heil für Deutschland zu hoffcn. Um die-
sem Zustande ein Ende zu machen, sei nur
eins nöthig, einc Centralgewalt mit Parla-
ment; vhne diese sei kein Heil für Deutsch-
land; aber um dahin zu gelangen, müsse das
deutsche Parreiwesen unv daS beutsch« Phili-
sterthum untergehen. Mir dicsen Blcigewich-
ten an den Füßen könne das deutsche Lolk
nicht vorwärts kommen. Venedep aus Ba-
denweiler sprach im Nauien bet Versammlung
den Rednern bcn Dank aus fük ihr Wiekeu
im Zntereffe bes Vereins, ber Deutschlanb
seine Machtstellung wievergeben werde. Zung
aus Basel erklarte im Namen dcs bortigen
beutschen Arbeikcr-Bilvungsvereins bie Zuslim-
"mung der beutschen Arbeilcr iu der Schweiz
zu den Bestrebungeu bcs Aercins. Rach dem
Schluß ber Aersammlung erfvlgten zahlreiche
Bcitrittserklärungen.

^jreiburg, 5. Zuni. Nach dem heutigen
Anzcigedlatt für bie Erzdiöcese fanben folgenve
Vcrsetzungen vvn Vicaren und Pfarrverwesern
stalt:

Llcar Gaiscr von Kiichlingsbcrgc» nach Gcngoabach.
Vicar Gut tn Gengcnbach als Psaciocrwescr nach Obcr-
prcchthal. Pfarrvcrwcscr BölUin von Möggingen nach
Zmmcnstaad. Caplattcivcrwcscr Siriegcl ln Pspllcndorf
als Pfarrvcrwrscr nach Wcijrn. Dte Vicarc Zsemann t»
Woifach alö Eaplaocioerwcscr nach Psnllcndors; Sohlcr
von Eltlingcn an dte odere Sdadlpsarrct Marmhcim; Hem-
dcrgcr in Walldürn als Vcncficiuniovcrweser nach PhtlippS-
burg; Manuert vou KülSheim nach Walldürn; Krcuzer
vou Wcingarten nach Unzhnrfi; Ktßling in Unzhurfi als
Pfarrverwescr nachisasbachwaidcn. Psairverwcsc« Pfarrer
Häfner oon Ditiwar nach Sirümpscibronn. Pfarrverweser
Etmer vou Strümpfelbroun nach Dtisberg. Dte Vicare
Kutz von M-rzhansen nach Hindelwangeu «nd Frank von
DnrmerShetm nach Wcingarteo.

Krankfurt. Die herzoglith Nllssauische
„Versügung" über bie kathot. Kirchruangele-
genheiien, welche in Wirksamkeit kaum etwas
Anderes als eine „Conventlon" mit dem Bi-
schofe ist, gibt außerst wichtige Rechtk der
Souveränetat auf. So soll die Disciplin der
Geistlichen ausschließlich Sache bes avischofS
seinl Atznet man ben gar nicht, welcher Macht
man stch entäußerl durch solches Htngeben
der Pfarrer auf Gnade unb Ungnade aü bic
Bischöfe? Aber steht benn eincr „constitutiv-

Lu spät.

Eme dänische Criminalgcschichte.

(Fortfttzung).

Mit tiefem Gramc unb unter viclcn Thränen
rcichte thm der Rschtcr die Hand.

„Jhr habt wohl in lctzter Zeit Nichts von mei-
nem Sohne »crnommcn?" nahm dcr Pfarrer wieder
das Wart. „Jch will hoffen, daß er Nichts von
dicftm Eiendc crfährt, bevor AUes vorüber ist. Jch
kann es nicht crtragen, ihn zu fthen." Bci dieftn
Wortcn »erbarg cr Las Gesicht in dte Hände, wandte
sich ab und lchnte die Stirnc gegen die Wand. Er
schluchztc wic ein Kind; erst nach einer Weile fand
er dic Sprache wieder.

„Nun, Licber!" sagte er plötzlich, „vcrlaßt mich
jctzt; mögcn wir einander crst in dcm Hauft der
ftrengen Gercchtigkeit wieder fthen. llnd bcweiset
mir noch Lic letzte Freundschaft, laffet es bald gc-
schehen, glcich morgen! Zch fthne mich nach oem
' Tode, denn ich hoffc, daß er mir dcn Eingang zu
eincm bcffcrn Lcben, als das gegenwärtige sür mich
ist, um Jesu willen öffnen «ird. Geht, m«in likber,

theilnehmender Richter. Laßt mich morgen zum Ge-
richte abholen, schickct aber hcute noch zu meincm
vieijährigen Frennbc, dem Herrn Psarrer Aens in
Aaisöe; er möge inich znm Tode vorberctten. Gott
fti mit Euch!"

Mit abgewandtem Antlitz retchte er dcm Richter
die Haad. Wie betäubt, ohnc Besinnung, taum-
mclte Erik aus dem Kerker hinaus. Er würde vtel-
leicht geraden Weges nach Haüft geritten sein, ohne
vorher mit Mctta zu reden, «cnn dicft thm nicht
wcnigc Schritte »or dem Gcfängntffe entgcgenge-
kommen warc. Sie mnßte das Tvdesurtheil tn sei-
ncm Gcsichte gcleftn haben, denn sic erblaßtound
saßte thn bei beiden Armen. Sie sah ihn an, als
wollte sie ihr eigcnes Leben von thm erflehcn, fra-
gcn konnte odcr dnrfte sie nicht. „Fliehet, fliehet,
nnd rettet den Vater!" — bas waren dic einzigen
Worte, die Söfrensen beim Anblickc des geliebtcn
MädchenS hervorzubringen vermochtc. Er warfsich
anf daS Pferd nnd kam zu Hause an, ehe er es
selbst »ermuthete.

Noch vcrsuchtc Metta, unterstützt und berathcn
von Erik, der hicrin ntcht als Richter, sondern als
Kreuttd und li«brnder Brautigam handettc, oas

letzte Mittel, itzren unglücklichen Vater zu rett««,
die Flucht. Der Gcfangcnwarter ward gewonuc»;
ein dem Pfarrer und deffen Hauft besrcunbetcr
Schiffer hattc versprochen, Vater und Tochter hcim-
lich nach Schweden zu führen, und hielt sein Segel-
boot schon in Bereitschaft; allcin dcr ganzc Plan
scheiterte an dem entschiedcnen Wiverstande d«S Pfar-
rers, der nun durchaus ftiNc Schulb mit dcM Lode
abzubüßen entfchloffen war. Hoffend, daß er durch
dieftn sich jenftits eine beffrre iKercchtlgksit gewin-
ncn werde, wollte er sich dem Schwerte der ikdischen
Gcrechtigkeit nicht entziehen. So verlteßen thn denn
die zu seiner Rettung Erschicnene» eben sö tkostlos,
als sie gekommcn waren.

Nun war kem AuSwcg mehr möglich. Das Ur-
theil wurde gefällt. Der Angeklagte vernahm «s
mit größcrer Standhaftigkcit, als der besaß, der «S
aussprach. Alle Anweftnden, feincn einzigen, hart-
nLckigen Feind, Mortcn BrunS, ausgenommm,
bczcigten das innigste Mitleid. Einigc flüsterten
sogar, daß es strcng, ja fast zu strettg sei; aber bte
peinlichen Gefttze jener Zcit ließen keine Mtlderaag
zu, uno vor hundertundfünfzig Aahren «ar tn DL-
nemark der Ansianzengang noch ntcht eingeführt,
 
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