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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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April
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M S«


Dounerftag» 18. Aprtl


L8«L.

Deutfchland und Preußen.

Prcußcn hat es dahm gebracht, daß,
mit Ausnahme ves Berliner Preßbüreaus,
gleichsam Niemaiid mehr deffen politische Hal-
tung verthcidigen mag. Allerdings trägt dle
Reglerung die Hauptschulv. Aber sie trägt
nicht die alleinige Schuld. Ohnc die Matt-
herzigkeit des Abgeordneteiihaules, ja ohne bie
unverantwortliche Gleichgültigkeit dcs Bolkes
selbst hätte man unmögltch aus den jeßigen
Punkt gebracht werben können. Man wird
uns hofsentlich weder das „Herrenhaus" noch
das gesammte Iunkerthum als unübersteigliche
Schwierigkcit cntgegen haltcn. Dieses Hin-
derniß würde sehr bald vcrschwindcn, wenn
in der Regierung, in der Abgeordnetenkaiiimer
und im Volke nur ein wenig ernstlicher WiUe
sich kund gäbe. Nachdem die liberale, ins-
besondere die Gothaisirende Preffe zwei Jahre
lang von nicht gercchtfertigten, selbst unbe-
greiflichen Vobprcisuiigen bes Regenten, des
Ministcriums unb der Zusiänbe in d,er „neuen
Aera" überfloß, sind nun beinahe Alle, welche
das Heil Deutschlauds durch Preußen erwar-
ten, zu den entschiedensten Klagen und zu
Kundgebungen gebracht, die von Hoffnungs-
losigkeil kaum noch bie Entfernung eines
Schrittes trcnnt.

Auch vie„Wochenschrlft des Nationalvercins",
dereu warme Anhänglichkeit an Preußen wahr-
lich nicht bezwciselt werden kann, spricht sich
schon seit längerer Zeit immer mchr und mit
aüem Freimuth in dem oben bezeichneten Sinne
aus. Zn der neucsten Nummer findcn wir
u. a. solgende Bemerkungen:

„Fürwahr, wir verstchen die gkgenwärtigc
politische Haltung Preußens durchaus nicht.
Die Gesahren, welche Deutschland bedrohen,
bedrohen Prcußen in erster Liuie. Ihm bietet
sich indcffen eben so wenig als den übrigcn
deutschen Staaten eine Krast zur Abweisung
derselben dar, die außerhalb der nationalen
Zusammensaffung des beutschen Volkes läge.
Nur gestützt auf das gesammte Vaterland
kann man in Berlin wirklich hoffen, die un-
abhängige Slimuie im europäischen Äölkerrathe
zu bcwahren. Schon haben vi* Vcrhandlungen
der preußischen Kamme» im übrigen Deutsch-
iand wesenllich an Intereffe verloren, so wich-
tig die Monale stnv, in denen sie tagen. Zn
Süddeutschland wird ihncn kaum noch eine
Aufmerksamkcil zugewendet, während der Nor-
den ihnen in ber nämlichen nüchlernen Stim-
mung zuhört, die rn Berlin selbst an der Ta-
gesorbnung ist. Noch eine kleine Weile, und

die „Vernunstheirath", welche Deutschlanb mit
Preußen eingchen möchtc, wird durch die In-
triguen der hier »icht näher zu bezeichncnden
Onkel und Tanten vcreitelt. Täusche ma» sich
in Berlin doch nicht darübcr, die Liebe Deutsch-
lands muß durch einc frische nationale Bcthä-
tigung gewonnen werben, in anderer Weise
läßt sie sich nicht crzwingen."

Ein anderer Artikel des nämlichen Blattcs
schließt geradezu mit der gcwiß richtigen Be-
merkung: „Preußen muß sich zum großen eini-
gcn Dcutschland erwcitern oder — unter-
gehe n."

Das Glück wendct den Staaten wie den
Jndividuen nur in einzelnen Momentcn seine
besondere Gunst zu. Wiffen sie dicselbe nicht
zu crgreisen, so mögcn ste ihrc cigene Un-
fähigkeit anklageu. (N. F. Z.)

D eutsch l a n d

KarlSruhe, 18. Axitl. Das heate erschienene Rcgie-
rungsblatt Nr. 17 cnthätt:

I. Unmitlelbare allerhöchste Entschlicßungen Sr. Köutgl.
Hohctt de« GroßherzogS. O OidcnSvcrlethungen.
Se. Köntgl. Hoheit der Großherzog haben Sich unter
dem v. d. M. gnädtgst bewogcn gefunden: Den .Vilnti-
mstrsteurs ckes cdemtnu cke ter cke ILst, Perdonnet
und Baudc, sowie dcm InZemeur ea cdel ckes ponts
et elrausnees cku ckexartement cku Ikss-Ültin, Guerre,
daS Comuiandeurkreuz L. Cl. dcs QrdcnS vour Zahrtnger
Löwen, dcn InAenieurs ckes kovts et aksussees, Du-
butffon und Fleur-Satnt-Denis, dcm Lvtrexreneur ckes
travsnx ckes ptles ckrr xovt cke lcetrl, Castor, Lcm
Fabrikdircctor Meßmer in Gravenstadcn bct Straßburg uud
dcm großh. Eonsul Hasenclcver tn Straßburg das Rittcr-
krcuz dessclbe» OrdcnS zu vcrlcihcn. (Schluß f.)

KartSrubc, 16. Aprtl. Durch Allcrhöchste Ordrc
vom 15. d. M. wtrd Hauptmann v. Hardenbcrg im Ge-
ncralstab aus dcui Armeecorp» entlaffen.

Karlsruhe, lö. April. Eincr großarti-
gcn, ais durchaus nothwcndig erschicnencn
Personalveränderung mit Befürdcrungen und
Pensionirungcn in der Justiz unv Berwal-
tung stehl man mit Vpannung entgcgep. Hr.
Geh. Ralh und Präsidcnk des Minisierlums
des Innern Lamcy soll dieserhalb einen mehr-
siündigen Vortrag bei Sr. königl. Hoheit
dem Großherzog gehabt haben. (M. I.)

Heidetberq- Obwohl der Gewerbe-
gesetzcnlwurs ansdrücklich die wiffenschast-
lichcn Berussfächer von sich ausschließt, so
scheint die Rcgicrung doch den Grundsatz der
Freizügigkeit auf die Amtsadvocaiur anwcndcn
zu müffcn. Bis zum Jahre 1837 konnten
nämlich Vie Nechlsanwälte überall bei den
Bezirksgcrichten, wo ein jcder wollte, sich
niedcrlaffen. Dieses sreie Niekerlaffungsrecht
wnrde aber dmch Verordnung großh. Iustiz-
ministeriums vom 25. Iuli 1837, Nr. XXVI

dahin beschränkt, daß außerhalb derjenigen
Slädte, in welchen sich der Siß eines Gerichts-
hofes befindet, Rechtspraclicanten ihren Wohn-
fiß zur Ausübung deS Schriftvcrfaffungsrechts
in gerichrlichen Angclegenhcitcn nur bei be-
sonderer Erlaubniß des Justizministeriums
nchmen dürfen. Durch Zurücknahme dieser
Vcrordnnng und Wieberhcrstellung cincr freie-
ren Concurrenz soll die Regierung beabsichti-
gen, der Anwaltschaft einen heilsameir Sporn
zu geben. Ob man auch jetzt schon bis zuv
Aushebung der Anwaltstare, wie dies in Go-
tha geschehen, schreiten werde, steht noch im
Zweifcl.

Mannheim, 15. April. Die hiesige
Hanvelskammer wird bei dem ersten demschen
Handelstage durch die Herren Seb. Jörger
und Moritz Lenel vcrtreten.

Freibnrg, 13. April. (F. Z.) Eine
Ertlarung des hiesigcn Gemelnderakhes er-
rcgt des dctresfenden Gegensiandes wegen einl-
ges Aufsehen. Derselbe machke nämlich im
städtischen Berkündigungsblattc bekannt:

„Rachdcm dir großh. FiSkuS anS drn bet Borgfrlst-
bewtlligungen znr Beglaublgung der ZahlnngSfäßlglelt deS
Bürgcn von dcn Gcmcindciälhen zu nnlerschrctbcndcn Bürg-
schaftsformularlen auf Grund LandrcchlsatzcS 1381 a s elne
ZahlnngSverpsltchtnng d-r G-mcind-dehördc ln Ansprnch
nimmt, so sehcn wtr u»s vcranlaßt, bekannt zu g-ben, daß
wir hinkünsttg Iclnc sdlchc B-schetnigungcn mehr ansstellcn,
indcm wir nnS wcgen derartigen Bcnrlnndnngcn tn k-tnc
Prozcffe mit dcm großh. Fisln» vcrwtckeln laffcn woücn."

Zur Erläuterung sügen wir bei, kaß wie
bckannt bei Zeitverkäusen, insbesonderc bei
Holjversteigerungen und Verpachtuugcn dcS
Großh. Flskus dcr Käufcr, resp. Pächter,
einen Bürgen zu stcllen hat, deffen Zahlungs-
ffähigkcit in der Regel noch von der Gemeinbc-
behörde des Hcimathsortes bescheinigt werden
niuß und wclche Beurkundiingen auch von
jedem Gemelnderathc mlt pflichtmäßiger Ge-
wiffenhastigkeit, abcr gewiß nie in dem Sinne
eiucr weiteren Bürgschaft gegeben werden.
Nun aber hat der Großh. Fiskus angefangen,
jenen Zeugniffen unter Geitendmachung des
L.-R.-S. 1381 n s vicsc Bedeuiung zu ge-
ben unb auch wirklich darauf hin schon gegen
cine Gemeinde ein richierliches Urtheil er-
wirkt; es wird daher biUigrrweisc keiner vor-
sichtigen Gemcinbebehörde verargt wcrden
können, wenn sie zu ihrcn vielen schweren
Verpstichtungen kcine derartige, iHr ohnehin
durch kein Gesetz vblicgende Verbindlichkeit
und Hastbarkeit mehr übernehmen will.

Frankfurt a. M. Jn der Angelegen-
heit der Fabrik anonynier Brirfe ist eine
neue Schändlichkeit ausgetaucht. Dieselben
Urheber haben mit dem Senatssiegel und

Ein Abcntruer untcr Settlrrn.

Mtgethellt von Ed. Franke.

(Fortfttzung).

Des jungen MädchenS Lippen bewegten sich, fie
jlüsterte Saii etwaS zu. Das Mitgethciite mußte
auf diese eine aufferordentlichc Wirkung machen,
dic Farbe ihreS GesichteS wechselte schnell — der
Kvpf wandte sich ein wentg. — Die bisher Koit-
rad beobachtenden Blicke verließen ihre Richtung
und fieien scharf dorthin, wo ich stand.

Dies bemerkend, verwünschte ich dic mich unkcnnt-
lich machende Maskc, griff unwillkürlich in dic Tasche,
um mittelst dcs Fläschchens mein Gesicht zu reini-
gen. — War cs Einbildung? — Nei» — sie hatte
meine Bcwegung, meine Absicht errathen — mußtc
mich erkenncn. — Eine rasche, abwehrende Bewe-
gung iHrerscüs erfolgte — das bereits erfaßte Fläsch-
" chcn sank mit der Hand zurück — ich starrtc sie an.
^ -Nach klerner Weile dcutcte sie anf das TranS-
'parent. — Wollte sie meinc Aufmcrksamkcit dort-
hin — von sich abgelenkt wissen? — Zch folgtc
thrcm Winke, sah momentan «ieder auf sie — ein
befriedigendes Lächeln gleitete über ihr Gesicht.

Mir «ar jctzt völlig wohl in dieser Umgebung
geworden. — War sie ja auch hier, durfte ich mir
doch einbilden, von ihr erkannt zn scin — Laran
knüpftcn fich tausend schöne Hoffnungen. — Jch vcr-
gaß jede Gefahr und zweifeltc nicht daran, daß cs
mir gclingen werde, später einige Worte mit ihr
zn wcchseln.

Als Konrad überall stumm seinen Dank ausge-
drückt, lcgte er noch in cincr kurzcn, wohlgeschten
Rede scine Gesühle an d»n Tag und gclobtc wie
bisher, mtt allen ihm zu Gcbote stehcndcn Mit-
teln, für daS Wohl seiner Genoffen zu sorgen.

Die Gläscr wurdcn wieder gcfüllt. Konrad brachte
einen Toast auf die gagzc Gcnoffenschaft ans,
flüsterte dann Sali einige Wortc in's Ohr und bc-
gann nun einen Rundgang um den Tisch, um mit
jcdem Einzclnen anzuklingcn. — Auch Sali erhob
sich nun, warf mir noch cincn bedeutnngsvollen
Blick zu und fchritt ihm nach.

Die Männer in Unifokin gelcitctcn Konrad, wie
ein Gencralstab. Alles nähcrtc sich dem Trans-
parente.

Sali folgte dem Auge langsam, verweiltr bei Ein-
zelnen der «eiblichcn Gescllschast, als ob sie ihnen

einigc Verbindlichkeiten zuflüstern und schicn stch
mir nähern zu wollen. — Jch zitterte bei dieser
Bemrrkung. — Zetzt stand sic neben mir.

„Was habt Jhr gcwagt?" — flüsterte sie rasch
und abgestoßen. — „John hat jm halben Rausche
geplaudcrt. — Zch zitterc für Euch. — Scid dop-
pelt vorsichtrg. — Wird Eure Anwcscnheit kund —
seid Zhr »erloren — ich vielleicht mit."

Bei dcm letzten' Worte war sic an mir vorüber.

— Die Gesahr aber stand jetzt riescngroß vor mir

— ich sank auf meinen Stuhl nnd wagte nicht, den
Blick zu crheben.

„Zhr schaut doch nicht zu ticf in's Glas? — Das
wäre hicr gcfährlich!" fiüsterte nach einigen Secun-
den mein Begleiter mir in's Ohr und weckte mich
dadurch aus meiner Betäubung. Trug ich gleich,
durch das heutige Frühstück, gcwissermaßen allein
dieSchuld scincr Schwatzhaftigkeit, so stel doch nun
mein ganzcr Zorn auf ihn, der mich in diese Ge-
fahr brachte. — Schon schwebte cine meiner Erre-
gung entsprlngende Unbesonnenheit aus mcincn Lip-
pen, welche die Gefahr unstreitig noch vergrößert
hätte; das schnelle Serviren der Tafel in diesem
Augcnblicke feffelte plötzlich meine gauze Aufmerk-
 
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