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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Mai
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Utidtlberger Ititung.

R; 123


Freitag, 3L. Mai


Der alte Democrat und der neue
Ikheinbund.

Nach längerer Zeit läßt sich die Stimme
des alten Democraten in der N. F. Z. wieder
vernehmen. Diesmal ist es das vielverbrei»
tete Gcrücht von der Erstehung cines neuen
Rhcinbundes und das Verhältniß der Mittel-
staaten zu demselben, worüber er sich, wie
folgt, äußert: „Gestattcn Sie dem „alten Dc-
mocraten" ein paar Worte über ein vielbe-
sprochenes Vorkommniß. — Schvn vor 10
Tagen vernahmen wir: die deutfchen Mittel-
staaten würden bald mit der Beschuldigung, ei-
nen neuen Rheinbund zu erstreben, öffentlich
angegriffen werden. Der Angriff ist erfolgt,
und zwar auffallender und bczeichnender Weise
zunächst nicht in einem deutschen Blatte, son-
dern in der bekanntlich eine etwas eigcnthüm-
liche Stellung einnehmenden Lvnboner Zeitung
„Dailp News", und nun crst, — nün aber
auch augenblicklich, wie wenn man nur aus
den selbst vorbereitekkn Londoner Abdruck ge-
wartet hätte — ließen deutsche Blätter von
specisisch preußischer Färbung ihre Stimmen
so laut als möglich darüber crtönen. Dic Art,
in welcher dies geschah, hat wvhl mehr als
einen deutschen Patrioten wahrhast mil Eckel
erfüllt. Sobald man dte Nachricht von dem
Erstreben eincs neuen Rheinbundes sür wahr
hält, ift nichts natürlicher, als daß bie tiesste
sittliche Entrüstung jcden Deutschen ergreist,
und daß das Verlangen in ihm sich kunb gidk,
diejenigen sofort niederzuschlagen, dic an sol-
chem Landesverrathe sich betheiligen. Wir
unsererseits glaube» keineswegs an bi« Wahr-
heit ber vorgebrachten Bcschulvigung, allein
wir würden jeden Ausdrnck wahrer überzeu-
gungstreuer Zndignation bei denen, welche die
Sachlage anders ansehen, gerechtfertigt finden.
Doch hicr vermiffen wir gerade die Kundgabe
offenen ehrlichen Zornes; es iritt vielmehr die
bloße V/rdächtigung als Hauptsache hervor;
statt den Gesühlsäußerungcn einer, wenn auch
aus einem Jrrthum beruhenden, deunoch aus
patriotischer Brust entguollenen Erbltterung,
— begegnen wir in gewiffen specifisch prcu<
ßischen Organen uichts weiter, als Acußerun-
gen hämtscheii Frvhlockens, die nur zu sehr
an jene Angedercien einer übel gezogenen Zw
genb erinnern, dercn Lüreben blos darauf ge-
richtet ist, für beffer zu gelten, als die übri-
gen Schulgenoffen. — Man greift den mittel-
staatlichen Particularismus an, — und wir
aiten Democraten werben dcnselben wahrlich
nicht schonen, wo er zur Ungebühr hervortriit;

— hier aber geschieht es sichtlich nur, um
cinen anbern Particularismus, der seine Sache
bishcr jämmcrlich genug geführt hat, in ein
befferes Licht zu seßen. Man denuncirt die
Sonderbestrebungen von Bapern u. s. f., um
das vermeintliche Zntereffe des kurzsichtigen,
specifischcn Preußcnthums zu fördern. Gin
Fördern der Zntereffcn Dcutschlands ist in
den fernsten Hinlergrund gedrängt, und scheint
zu nichts weiter mehr brauchbar, als nur zum
Ausschmücken der Bühne! — Wir sind nichts
wcnigcr gemeint, als uns zu Lvbrednern dcr
Regierungen jener Mittelstaaten aufzuwersen.
So lange das baperische Gouvernement Hrn.
v. d. Psordten als Gesandten am Bundestag
duldct, und so lange die Höfe von Hannover,
Dresden, Stuttgart und Darmstadt Ministc-
rien in den Händen der Herrcn v. Borries,
Beust, Linden und Dalwigk belaffen, haben sie
keinen Anspruch auf besondere Vorliebe, noch
aus besondereS Vertrauen der deutschen Na-
tion. Daß sogar solche Beschuldigungen, wie
eben die ver Rhcinbundsabsichten, verbreitet
werdcn können und wenigstcns theilweise ge-
glaubt werden, mag jene» Hösen bcweisen,
welche Früchte sic davon ziehen, daß sie die
Hauptwerkzeuge der Reaction .noch immer
in leitendcn Stellunge» belaffen, und daß sie
sich nvch immer nicht an bie Spitze einer
wahrhaft und cntschieben freisinnigen Gntwick-
lung im rein deutschen Sinne stellen. Fahren
sie sort in der bisherigen Weise, so mögcn sie
es sich selbst beimeffen, wcnn schließlich doch
eintritt, was sie hcute so sehr fürchten. —
An die Beschulvigiilig des Versuchs der Her-
stellung eines neuen Rheinbundes glaudcn wir
indcß »icht. Zunächst kommt dic Nachrtcht
an stch aus erüber Quelle, unv es fehlt jeder
Bcweis; (denn offenbar ist es nothwenvig,
vaß dic südwestdeutschen Ncgierungen, wenn
sie eS vvUkominen ehrlich mit tcm Vaterland
meinen, sich anstrengen mussen, einem Napo-
levnischen Einfaü mit eigenen Kräfren so viel
als möglich Wiberstanb zu leisten, und baß
sie nichl AlleS abhängig machen bürfcn von
dcr Gnade ciner preußtschcn Hülfe, die, wenn
man daraus sich verließe, sehr leicht ausblei-
ben könnte.) Sobann abcr betrachien wir
bie Herslellung etncs Rheinbundes, wie heute
die Linge ltegen, sür etne Sache bcr Unmög-
lichkeit. Die deutschen Vvlksstamme würven
sich das nichk gesallen lassen, und die Trup-
pe» der verbächtigten Staaten würden, wenn
man sie wirklich zum Landesverrath mißbrau-
chen wvllie, so wenig gehvrchen, wie vie wa-
ckern Preußen unrer Iork, die Württemberger

unter Normann und die sächsischen Lruppen
sämmtlich in dcr Schlacht bei Leipzig. — Durch
hämische Verdächtigungen der bezeichneten Art
wird Widerwille erweckt und Haß verbrcitet,
aber nicht dic Sache Deutschlanvs geförbert.
Dies geschieht überhaupt nicht dadurch, daß
man den einen Partikularismus auf Koften
des andern herauszustreichen sucht. Jeder hat
cine gewisse, aber nur eine entschieden be-
schränkte Berechtigung. Die maßlose Be-
drückung des preußischen Volkes durch die —
in der Hauptsache Voch völlig unzulängliche
ungeheure Ausdehnung der thcuern Spielerci
mit dem stehenden Heerwescn, kann gerade
eben so wenig, wie die crfolgten scandalösen
Enthüllungen über tas Treiben einer cvrrum-
pirtcn Polizci, in den übrigen deutschen Stäm-
men ein Verlangen erwecken, sich zu erhcben,
um gerade bie dortigen faulcn Zustände auch
über ihre engere Hcimath auszudehnen. Was
nolh thut; ist dic Verbreitung der Erkcnntniß,
daß kein Theil Dcutschlands dcn andern ent-
behren kann; daß insbesondere Preußen ohne
das üdrige Deutschland dcm NapolconismuS
zu widerstehen völlig unsähig ist; tzaß also
Preußen bes übrigen Deutschlands gerade cben
so beoarf, wic dieses seiner nöthig hat. Solche
Erkenntniß wird auch deitragea, Laß Preußen
selbst pie ungesuuben Stvffe ausscheide! —
Das ganze wiberlich-kleinliche Treiben aber,
das sich vor unsern Augen abspielt, mahnt
neuerdings dringenb, wic schr wir eines Ver-
einigungSpunkteS debürsen, — unv dieser Vcr-
eintgungspunkl kann zunächst nur ein deutscheS
Parlament sein. Diesem gebührt auch bie
Entscheidung über bie Form und die Bcfug-
niffc der Centralgewalt. Vorerst bestreiten
wir Zedermann das Necht, Deutschlanv die
„Führerschast" irgendwelcher Dpnastie zu oc-
tropiren."

Deutschland.

KarlSruhe, 29. Mat. Seine Königliche Hohett der
Großherzog haben Sich unter'm 24. d. M. gnadigst
bewogen gesuuden, den Reserendär Eduard Engelhorn von
Mannhetm, unter Ernennung zum Amtmann, dem LeztrkS-
amt Waldshut als zweitcn Beamten betzugeben; serner
unter'm 27. d. M. gnädtgst geruht, den Hofgerichtsrath
Rothermel zu Bruchsal bts zur Wtederherstellung seiner
Gesuudheit tn den Ruhestand, deu Amtsrichter Scheuer-
mann von Emmendtngen nach Äonndors, deu Amtsrtchter
Mar von Emmendingen nach Stnsheim, den OberamtS-
rtchter v. Rotteck zu Sinsheim und den Amtsrtchter Lang
zu Bonndorf nach Emmendingen, den AmtSrtchter Statger-
von Schwetztngen nach Buchen, den Auusrichter Baumstark
von Triberg nach Durlach, den Amlsrichter Psciffcr von
Blumenfeld nach Gengendach zu versetzen; den Amtsrichter
Baumgartner zu Gengenbach dem Secretartat deS Hof-
I gertchtS deS Seekreises und den AmtSrichter Dill zu Dur-

Lu spät.

Eine dänische Crimmalgeschichte.

Zu Anfang dcs vorigen Jahrhunderts lebte in
dem ansehnlichen Dorfe Weilby, an der nördlt-
chen Küste von Dänemark, dcr Pfarrer Söfrcn
Quist, weit und breit als rechtschaffcncr Mann
und treuer Seelsorger gcliebt und verchrt. Seine
frühe verstvrbcne Gattin hattc ihm zwci Kinder
hinterlaffcn: eincn Sohn, dcr sich auf einer deut-
schen Universität dcm Studium dcr Thcologie «id-
mcte, um, nach damaligcr Zcitsitte, später der Nach-
folger seines Vnters im Amte zu wcrden, und eine
Tochter, Namens Metta, eine wahre Pcrle von
Tugcnd und Sittsamkeit. DaS hoffnungSvolle Auf-
blühen seiner Kinder und die Achtung, welchc ihm
selbst von Allen, die thn kanaten, gezollt wurde,
hätte den Pfarrer wohl recht glücklich und zufrieden
machen müffen; aber dieses Glück wurdc nur allzu
vft vcrbittert durch eincn Fehler, über den er nie
Herr zu werden vermochte. Das war der Jähzorn,
dcr den Pfarrcr oft in einem solchen Gradc über-
niannte, daß er sich sogar zu Thätlichkeiten gegen

seine Hausgenoffen und scine eigenen Kinder hin-
reißen ließ. Nach jcdcm derartigen Vorfalle abcr
war Quist immer wicder der Erfte, der solchen bit-
ter beklagtc und bereute: Tage langc konnte cr da
seincn GewiffcnSbissen nachhängen und selbst in der
Nacht wandelte er klagend in seinem Hausc und
Gehöfte umher, gleich einem Traumer oder umher-
gcscheuchten Geiste.

Als Metta das achtzehnte Zahr erreicht hatte,
machten eigene Neigung und der Wunsch des all-
inälig alternden VaterS bei ihr den Entschluß reifen,
sich in den Ehcstand zu begebcn. Unter ihrcn zahl-
reichcn Bewcrbcrn waren eS hauptsächlich zwci, wclchc
vor allen andern in Betracht kamen. Der eine war
Erik Söfrensen, Amtsvogt und Richter des
Bezirks, zu «clchem Weilby gchörtc, und der nicht
weit von da seinen Wohnsitz hatte. Der andere,
Namcns MortcnBruns, warcinreicherGrund-
befitzcr und Pferdehändler in Wcilby selbst» Vater
und Tochter cntschieden sich für dcn Richter. Herr
Söfrensen war ein hübscher, rcchtschaffener und an-
geschcncr Mann und Mctta ihm schon lange im
Stillcn zugethan, wogegen sie vor den Bcwerbun-
gen deS reichen, anmaßenden Roßkammes eine un-

verhohlcne Abneigung an dcn Tag legtc. Bruns
war »n der ganzen Küste wegen seines wilden Le-
bens und seiner RücksichtSlostgkcit gegen Jedermann,
wozu ihm sein Reichthum weiten Spielraum bot,
berüchtigt und verhaßt. — Eben hattc cr wiedcr
einem armen Söldner cinen Prozeß au den Hals
gehängt, der den Mann gänzlich zu Grundezurich-
ten drohtc; aber das gutc Recht dcssclben und dte
Gerechtigkeitsliebe dcs unbestechlichen Richters cnt-
schieden zum Vortheile des Angegriffcnen. Dieses
doppelte Mißgeschick, der erhaltcne Korb und dcr
verlorene Prozeß, brachtc den reichcn und stolzen
Mann auf's Höchfte auf, und er schwur, an seincn
vcrmeintlichen Feinden, dcni Pfarrcr und dem Rich-
ter, eine furchtbare Rache zu nehmen.

Morten hatte cincn jüngeren Bruder, NamenS
NielS BrunS, der, nach der Sitte dcs LandeS,
in einer untergeordneten Stellung, zugleich als
Knecht und Zögling, in dem Hause deS Pfarrcrs
lebtc. Dicstr junge Mensch «ar hinfichtlich der
trotzigen und vcrstcckten Gemüthsart seinem Bruder
vollkommen ähnlich, und hatte dcshalb den äbftcht-
lich heraufbeschworenen Zorn des Pfarrherrn fchon
mehrere Male äufdas Empfindiichste fühlen müffe»,
 
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