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Heidelberger Zeitung — 1861 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2787#0157

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Utidtlbtrgtr Ititmig.



Eonntag, t?. Februar

Eia Rückblick auf die preußische
Adreß Debatte

Die N. Fr. Z. bespricht in emcm längeren
ungeschminktcn Artikel die bis jetzt Statt ge-
habten Verhandlungen der preußischen Kam-
mer in der Adreßangelegeiihcit, worans wir
bei der sn vieler Bezi'ehung richtigen Bcur,
thei'lung das Wesentlichste i'n Nachstehendem
zusammenfassen: «Trotz allen parlamentari-
schen Gehahrens, -trotz aller Redcfreiheit, pie
im hohen Hause herrschte, kaui, Preußen nych
immer nicht als constitutioneüee Stqat be-
trachtet werden, indem dse Minister nicht die
gehörige Verantwortung für das Regicrungs-
system tragrn und die zweite Kammer Pen
unverantwortlichen Ministern zu Gefallen lebt.

Wie wenig sich dic preußische Volkskammer
ihrer Aufgabe und Pflicht in schwicriger Zeit
bewußt war, geht aus dem wi'derspruchsvollen
Bctragen in Bezug auf die beiden wichtigsten
Amendcments hervor. Wir sprechen vvn dcm
Vinckc'schen l'n Betreff Jtaliens, und von dem
Stavenhagen'schen über dse künftige Organi-
sation Deutschlands. Der deutsche Patrsotis-
mus, der die nöthige Klugheit noch nicht
gänzlich eingebüßt hat, mußtc sagen: Das
Vincke'sche Amendemcut ist zu beseitigen, oder
durch cin paar wenig sagende Phrasen zu er-
setzen. Laffen wi'r doch die unfreien und un-
fertigcn Hände aus grvßen imernationalen
Principienfragen vorläufig heraus! Kehren
wi'r im eigenen Hause, setzen wir die deutsche
El'nheit auf den Schild, weun eS sein muß
— und es mußte sein — neben das preu-
ßische Schwert. Wozu brauchen wir den Jta-
lienern Muth zu machen, die schon übermüthig
genug geworden sind; unsere viel nähere
Pflicht ist, den Deutschen den Muth einzu-
flößen, i'hre überflüssige Demuth erst abzu-
streifen. Aber was geschieht in der preußi-
schen Kammer?

Herr v. Schleinitz protestirt nicht wlder die
„fortschreitende Consolidi'rung Ztqliens"; nicht
als vb der Herr Minister siir das einheit-
liche Jtalien schwärme, vder sich die Lcgiti-
mitätsgedanken vollständig abgethan habe,
sonbern weil das der preußischen Bequemlich-
keit entspricht, die „Positik der freien Hand"
befördert und vorläufig zu gar nichts engagirt
und verstichtet. Als aber das Amendement
dcs Generals Stavenhagen znr Debatte kam,
als die Regierung ihre Poli'tik des lethargi-
schen Zusehens in Deutschlan^ verurtheilen
hören sollte: da sah man den Staatsminister
V. Auerswald stch aus den Präfideutenstuhl

zu bewegen nnd mit Heirn Simson Rück-
sprache nehmen- Die Wirkung dseser gehci-
men Absprache hlieb nicht aus.

Was war jetzt die Pflicht, die unabweis-
bare Gewlffenspflicht der Fraction Mathis,
zu wklcher Gkneral v. Stavenhagen gehört?
was wax Herr y, Vincke seiner Ehrc und
der Ehrc seines angenommenen Amcndements
schuldsg? Hatle man den Jtalieuern ein Kuß-
händchcn hingkwoxfen, hatte man fie zur Be-
treibung und Ueberireibung ihrer Nationali-
tätsanschauungen angefeuert, so mußte jeßt
vor aften Stücken ein Rückhalt sür Deutsch-
land geschaffen werdeu, ein Wall wider den
über dic Alpen cntsendeten Zauberspruch. Wie
Frailkreich das Land dcr „Jdeen", das „grvß-
müthige, uueigknnKtzige" Frgnkreich, das sein
Trinkgelp für Magenta und Solferino schvn
eingestrichen hat, und sich jetzt sorgfältig wi-
der die Consequenzen seiner Befreiungsthat
verwahrt; das einheitliche, centralistrte, heer-
mächtige Frankreich will sich nicht längcr für
Jtalien bcgeistern: und unser zerriffenes, bis
jetzt machiloses Deutschland svllte die franzv-
stsche Rollc ergebenst übernehmen und Politik
pour I« Ikoi «lo ?ru8se treiben?

Das Amendcment Vincke bedingte als Flan-
kenschwenkung, als polilisches Manöver in
erster Reihc das Amendement Stavenhagen;
das erstere war nur dann kein Baterlands»
verralh, keine Felonic wider Dcutschland und
folgerecht auch wider Prcußen, wenn das
letztere Deutschland als bundeSstaallichcn Be-
griff auf die Beine brachtc und so den Jta-
lienern gleich in drastischer Weise die Gränze,
dic unantastbare Gränze des deutschen Wohl.
wollens bezeichnete. Dl'e Kammer aber gab
ihre Frontcsteüung preis, und cSmmandirte
zugleich den Rückzug der Reserven; die Kam-
mcr öffnele der schwierigsten Zukunft Thor
und Thür, und überließ daiin die Sorge für
den heimi'schkil Haushalt — dem Bundestage!
Zndeffen auch damit ist die Rathlostgkeit, dic
völlige Jncompetenz der Kammer noch nicht
erschöpsend gezeichnet nnd gczüchtigt. Stellle
ctwa Herr v. Kchleinitz, Namens des Ge-
sammtininisteriums, die Cabinetsfrage, ließ
er die Kommer wählen zwischen Äufgade des
Amendements und einem Beamtenministerium
s Is Manteuffel, bei dem dic „Krcuzzeitung"
ihrc Geschäfte besorgen könnte? Mit Richten.
Herr v. Vincke fragt, ob das deutsche Pro
gramm in den Augcn dcs Cabinets gefährlich
sei, in diesem Fallc würde er nicht für das-
selbe stimmen. Hr. v. Schleinitz erklärt: Ge-
fährlich gerade nicht, abcr sehr unangenchm,



d. h. unbequem. Und auf diese Erklärung hin
zieht General Stavenhagen seinen Vorschlag
zurück! Die Kammer will also gar nichts
thun, was den zciiweiligen Ministern unan-
genehm wäre! Und das heißt Conflitutiona-
lismus im Jahre der Gnadc 1861!

Darnach befinden sich dic dirigircnden Her-
rcn in Preußen in der allerbequemsteii Lage;
di'e Kammcr hat einen absolut sichern Baro-
Mcter für das Maß ihrer Knhnheit, und dcr
König Wilhelm braucht nur das gegenwärtige
Cabinet beizubehaltcn, um die parlamenta-
rische Form mit dcm Znhalt absoluten Gut-
düokcns zu vereinigen. Nun s» wäre denn
das scheinbar so schwicrige Räthsel glücklich
gelöst: ein Militärstaat mit vem vbcrsten
Kriegshcrrn an der Spitze, deffen Wille die
ganzc Politik Preußens beherrscht; daneben
unvcrantwortliche Minister, welche die Ent-
schlüffe der Kammern bestimmen; endlich Kam-
mern, die stch solchen Ministern fügen. Wir
sehen der letzten entscheidenden Probe dieses
Spstems, der Budgetberathnng, mit ziemlicher
Besorgniß entgegen; denn von heute bis zur
Neuwahl dep ganzen Kammer könnte leicht
das Loos über Prenßen und Deutschland'ge-
worfen sein.« i

Deutschlan-

Karlsruhe, 1S. Fcbruar. Die bisherige
Organisation unserer Jnfanterie hatte nach
dem Urtheil der Sachverständigen und de»
bei der letzten Mvbilwachung gemachten Er-
fahrungen den doppelten Nachkheil, daß nach
der uns vertragsgcmäß obliegenden Abgabe
cines Regiments znr Besaßung von Rastatt
aus den übrigen Jnfanterieabtheilungcn nicht
mehr zwei gleichmäßig gegliederte Feldbtiga-
den gebildct wcrdcn konnten, überoies aber
unsere Compagnien in der Kriegsstärke von
223 Mann nach tactischen Grundsätzen zu
stark erschicnen. Ein so eben erschicnener
höchstcr Befehl hat nnn diese Mängel durch
zwcckmäßige Aenderungen in der Organisation
bcscitigt. Die großh. Jnfanterie wird künf-
tig aus fünf Regimentern, zwei Füfilierbatail-
lonen und einem Zägerbataillon bestehen. Ein
Rcgiment wird, rvie bisher, aus zwei Batail-
lvnen und jedes Bataillon aus vicr Compag-
nien zusammengesetzt sein, inik Ausnahme dcs
Jägerbataillvns, welches auf sechs Compag-
neen vermehrt wirv. (K. Z.)

Karlsruhe. Zn dcm Baue der Eiscn-
bahn an den Nhcin sind Verzögerungen ein-
gctreten, welchc vorerst denselben aufschieben.

Das große Faß zu tzeidelberg.

Historijche Nooclle von Wilh. Junginann.

(Fortsehung.)

Der Geistliche, der reformirteri Kirche angchörend,
zu der sich auch Felir bekannte, «ar ein Mann in
den mittleren Zahren, ohnc Schcinhciligkeit und
Frömmelei, nnr die reine Lchre des Evangeliums
predigcnd, und darum Vertrauen und Liebe cr-
weckend, was auch jetzt bei dem Vcrwundeten sich
bewährte.

Als sich derselbe an seinem Lager nicdcrgclaffen,
hub er folgendermaßen an:

„Nicht der Eifcr, einen Sterbcnden noch in seinen
letzten Augenblicken zu bekehrcn, und thn so dcr
cwigen Seligkeit theilhaftig zu machcn, führt mich
hierher; bicses verbietcn mir mein Gcwiffcn und
die Satzungen unserer hciligen Rcligion, aber die
Liebe und die Menschcnpfiicht gcbietcn mir, einem
von unS Scheidcnden tn sciner lctzten Stunde mit
dcn Tröstungen der Kirche zur Seitc zu stehen und
ihm so den Uebergang auS dcm irdischen, unvoll-
kommenen, in ein höheres, bcffcres Leben z,r einem
der freudigsten Momente seines Daseins ju machen.
Das ist die Pflicht des wahren Seelsorgers, zu

welchem mich die Gnade Gottes berufen hat!"

„Wcit entfernt zu glauben, Aaß auch Dn, mcin
gelicbter Brudcr, schon an dicse« Momentc ange-
kommen seiest, denn dik Gnade des Allbarmher-
ztgen ist groß, uno die Prüfungcn, dic er dem
Menschen aufcrlegt, sind unergründltch, nnd ohne
ihn darf unS kein Haar gekrümmt werden, denn
er hat die Macht, Alles zu vollbringen! Datuin,
mein gelicbter Bruder! «ollen wir an Deinem Aus-
kommen auch nicht verzweifeln und Alles vertranens-
voll in seine Hände legen. Sollte es aberdennvch,
gegen unser Erwarten, anders kommen, und Dich
der allmächtige Schöpfer wirklich zn sich bcrufen,
dann «ird es von großem Nutzen scin, wenn Dn
vorhereitet, als echter Ehrist, mit gntcm Gewiffcn
vor seincm Angcflchte crscheinen kannst! Ach er-
mahne Dich dahcr, auS meinen Händcn das heilige
Abendmahl zu empfangen, wclchcs unscr Hcrr und
Heiland vor seincm Hingange zum himmlischen
Vatcr zu ftinem immerwährenden Gedächtniß ein-
gcsetzt hat! Bist Du damtt einverstanden, so ant-
worte mir mit etnem vernehinltchcn Ja!"

Mit bcinahe vcrklärtem Blicke sprach der Ver-
wundete etn leiscs „Za!"

„Dann, m'ern geliebtcr Brnder!" fuhr der «ur-
dige Geistliche fort, „ist es auch nothwendig, daß
Dn vor dcmfelbcn aufrichtig und ans vollem Her-
zen Alles,'was Dn gegen Gott, gegcn Aesum
Ehristum, unscren Herrn und Hciland nnd gegen
Dcine Nebcnmenschen Ucbles gethan, bercucst, «m
der ewigen Srligkeit thetlhaftrg zu werden!"

„Jch bereuc es aufrichtig", sprach der Verwun-
dete mit schwacher Stimmc.

„Das freut mich für Dtch und Deinm tiefbe-
trübten Vatcr!" sprach dcr Gciskliche weiter, „allein
cs genügt mir noch nicht, Dich zum Tische dcs Herrn
zuzulaffcn, bevor Du nicht cin auftichtigeS Bckcnnt-
niß des Dir zur Last gclegten Vergehens oor mir
abgelegt hast! Unsere Religion erlanbt es nicht,
Lcm Beichtigen in stincn Bekenntniffen zu Hülfe
zu kommen, nock viel «enigcr, ihn mit Fragrn zu
bkläftigcn, nm dadurch, auf diesem Wegc, in die
ticfsten Gcheimnisse des Menschen cinzudringen.
Doch möchte rch Dich darauf aufmerksam machcn,
daß cS et«.as Schrcckliches ist, durch Stillschweigcn
in dem letzten Augcnbltcke des Lebens einen viel-
letcht Unschuldigen dem Tode pretszugeben, dcffen
Seele Dich dort oor dem ewigcn Richtcr des Mor-
 
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